Microsoft-Chef zu Gast in Zürich

Steve Ballmer: "Es gibt jede Menge Früchte im Handy-Business"

Uhr | Aktualisiert
von asc

Auf Steve Ballmers Europa-Reise machte der Microsoft-Chef gestern halt in Zürich und erklärte vor rund 800 Anwendern und Partnern, warum es ihm gerade jetzt grossen Spass mache Teil der IT-Industrie zu sein.

Weit über 30 Jahre mag es her sein, als Steve Ballmer, seines Namens Chef des Softwaregiganten Microsoft, das letzte Mal die Schulbank gedrückt hat. Gestern Morgen war es wieder so weit – zumindest setzte er seinen Fuss in das Näglimoos Schulhaus in Zürich-Kloten, um dort zusammen mit Vertretern der lokalen Behörden, Lehrern sowie Partnern das 20'000ste Kind, das im Rahmen der Initiative "security4kids" geschult worden ist zu feiern. security4kids wurde von Microsoft im Jahr 2005 gemeinsam mit Partnern aus dem Bildungswesen, privaten Firmen und Organisationen zur Bekämpfung der Online-Kriminalität ins Leben gerufen. Sogenannte "Sicherheitsagenten" besuchen dabei Schulen und halten Elternabende ab.

Der 54-Jährige liess es sich nehmen und trat zusammen mit Microsoft-Schweiz-Chef Peter Waser ebenfalls als Sicherheitsagent auf. Ausserdem hat Microsoft Schweiz dieses Projekt in Zusammenarbeit mit der Deutschschweizer Online-Jugendberatung tschau.ch durch eine kostenlose Chat-Hotline "BuddyGuard", die im Windows Live Messenger integriert ist, ausgebaut.

Der doppelte Ballmer

Als nächster Punkt auf Ballmers straffem Tagesprogramm lag seine Keynote "A new era of opportunity" im Radisson Blu Hotel direkt am Flughafen Zürich. Ganz Microsoft Schweiz, Partner, Unternehmensentscheider und Kunden hatten sich dort eingefunden, um Ballmer in natura zu sehen und sich Neuigkeiten über Windows Phone 7 und Cloud Computing anzuhören. Alle warteten gespannt auf seinen Auftritt, doch zuerst liess es sich Microsoft nicht nehmen, einen kleinen Scherz ins Programm einzubauen. So kam statt dem "echten" Mircrosoft-Chef ein jüngerer Mann namens Steve Balmer auf die Bühne – ein Namensvetter und waschechter Schweizer. Nur eins fehlt ihm: das zweite "l" im Nachnamen. Kurz darauf erschien dann doch noch der echte Ballmer und zog in gewohnter Manier, mit kernigen Aussagen und einer Spur von Sarkasmus jeden Konferenzteilnehmer seinen Bann.

Cloud Computing verändert alles

Gut gelaunt sprach Ballmer vor den rund 800 Unternehmensentscheidern und Anwendern darüber, dass für ihn die Cloud nicht nur das Backend ersetze, sondern die Cloud auch Innovationen am Frontend und Applikationen fördern werde. Für ihn werden Public Clouds zwar stärker wachsen als Private Clouds, doch dieses bleiben gerade für öffentliche Verwaltungen sehr wichtig. Mit Windows Azure bietet Microsoft seit rund einem Jahr eine Cloud-Plattform an, die bereits über 30'000 Kunden verfügt, erklärte der Microsoft-Chef. In Zukunft werden Unternehmen ihre Rechenleistung jedoch nicht mehr intern betreiben, sondern diese aus der Cloud beziehen, zeichnet Ballmer seine Vision der IT-Landschaft von morgen. "Durch Cloud Computing bieten sich viele neue Applikationen und Möglichkeiten, um mit Informationen umzugehen", so Ballmer. Es spiele zudem zukünftig sowieso keine Rolle mehr, mit welchem Gerät ein Dienst bezogen werde, da die "Apps von heute nicht für vordefinierte Geräte, sondern in HTML für die Cloud geschrieben werden", erklärte Ballmer.

Trotz dieser Cloud-Euphorie werde der Computer das wichtigste Instrument bleiben, um Informationen zu verarbeiten und zu interagieren. Kein Wunder, dass Ballmer diesen Aspekt einwarf, denn Microsoft verdient nach wie vor sehr viel Geld mit dem Verkauf von Windows- und Office-Lizenzen.

Windows Phone 7 & die anderen Früchtchen

Wie bereits an seiner Rede anlässlich des Mobile World Congress (MWC) in Barcelona sprach Ballmer auch über den erfolgreichen Weg, den Microsoft mit Windows Phone 7 (WP7) eingeschlagen hat. "Ich bin unglaublich stolz auf Windows Phone 7", schmetterte er dem Publikum entgegen. Microsoft hat bereits rund zwei Millionen Lizenzen weltweit verkauft. Über die Verkaufszahlen in der Schweiz konnte der General Manager Consumer & Online Daniel Moschin während eines Presseroundtables keine konkreten Angaben machen. Er betonte nur, dass WP7-Handys in der Schweiz einen starken Start hingelegt haben und dass das Feedback der Telekommunikationsunternehmen sehr gut sei. Moschin sagte nur, dass im Vergleich zum Marktstart von Googles Android-Plattform im Zeitraum von vier Monaten, sich WP7-Smartphones dreimal mehr verkauft haben.

Ballmer erklärte in seiner Keynote, wie auch schon zuvor auf dem Mobile World Congress in Barcelona, dass in den nächsten zwölf Monaten Windows Phone 7 um eine Vielzahl an Funktionen und Leistungen erweitert: Copy & Paste, Twitter-Integration in den People-Hub, Support für Office-Dokumente in der Cloud, ein schnellerer Internet Explorer 9 und eine lange Liste neuer Multitasking-Anwendungen sind einige Beispiele. "Wir haben bewiesen, dass wir ein einzigartiges Smartphone-Erlebnis mit einem funktionierenden Ecosystem liefern können", erklärte der CEO von Microsoft. Allerdings betonte er auch mehrmals, dass noch viel zu tun sei, um das WP7 zu optimieren.

Auf die Frage von Microsoft-Schweiz-Mann Christof Zogg, welche Chance denn Windows Phone 7 im "Apple-Land" Schweiz habe, antwortete der Microsoft-CEO, dass es viele "Früchte im Handybusiness" gebe. Dazu empfahl er einen Blackberry-Sketch von BBC anzuschauen (Link siehe Kasten). Für Ballmer zählt die Schweiz zu dem Top-Markt weltweit. Schon allein deshalb, weil ihm sein Vater früher immer eingetrichtert hatte, dass die Schweiz eines der schönsten Länder sei. Ballmers Vater wohnte bis zu seinem 25. Lebensjahr in der Schweiz und wanderte dann in die USA aus. Also ist es kein Wunder, dass Ballmer eine spezielle Beziehung zur Schweiz hat.

Neue Schweiz-Apps: Blick, local.ch, Zattoo

Bislang wurden laut Ballmer rund 150 WP7-Applikationen speziell für den Schweizer Markt entwickelt. Ein Grund mehr gestern gleich drei neue lokale Apps für die Smartphone-Plattform vorzustellen. Bereits seit einiger Zeit verfügbar sind die Anwendungen von SBB, Swiss oder Swisscom TVair, neu wurden die Apps von Blick, local.ch und Zattoo vorgestellt. local.ch bietet seine Suchfunktionen nun auch auf Windows Phone 7 an. Die Anwendung läuft bereits auf anderen Betriebssystemen und gehört mit über 700'000 Downloads zu den beliebtesten Apps der Schweiz. Die App der Schweizer Tageszeitung Blick verbindet News mit Entertainment und umfangreichen Multimediafunktionen. Und Zattoo hat seine Vision "Internet TV is everywhere" nun auch für WP7 angepasst. Die App ermöglicht Live-TV mit den beliebtesten Schweizer und internationalen Sendern. Alle drei Apps sollen gemäss Microsoft in Kürze im Marketplace verfügbar sein.

Consumer- und Firmenmuskel spannen zusammen

Kein Blatt vor dem Mund nahm Ballmer, als es um die Frage ging, ob er denn "die Jungs von Google hasse" - dazu meinte er, dass er sie nicht hasse, aber ein Bier würde er mit ihnen keinesfalls trinken. Konkurrenz belebe für ihn den Markt und ohne diesen Wettbewerb wäre es für Ballmer keine Herausforderung. Microsoft konzentriere sich im Augenblick stärker auf den Consumer-Bereich – allerdings soll auch der Business-Bereich nicht vernachlässigt werden. "Wir haben zwei starke Muskeln, die das Unternehmen zusammenhalten – einen Consumer- und den Unternehmensmuskel. Momentan trainieren wir den Consumermuskel besonders stark", sagte Ballmer. Google und Apple hingegen hängen im Unternehmensgeschäft noch weit hinterher. In seinen Augen wissen sie nicht, wie dieses Business funktioniere.