DSDM Atern im Überblick
DSDM steht für ‘Dynamic Systems Development Method’ und ist die am längsten etablierte agile Methodik. Seit 1995 ist DSDM der einzige agile Ansatz, der den Schwerpunkt auf das Management agiler Projekte legt. Arie van Bennekum präsentierte DSDM bei der Gründung der Agilen Allianz und der Verkündung des Agilen Manifest im Jahre 2001.
Das Haupteinsatzgebiet von DSDM sind Unternehmen; dort beweist DSDM konsequent seine Eignung für einen erfolgreichen Einsatz innerhalb bestehender unternehmerischer Abläufe sowie die sinnvolle Ergänzung dieser Strukturen.
Auch DSDM selbst entwickelt sich kontinuierlich weiter, wie die Verbesserungen von Atern, der neuesten Version, zeigen.
Im Folgenden wird Atern detailliert vorgestellt: Seine Strukturen und Phasen, seine Prinzipien, Rollen und Verantwortlichkeiten, gefolgt von einem kurzen Überblick über die Produkte.
Die Struktur von Atern-Projekten
Der wesentliche Unterschied zwischen Atern und bekannteren agilen Ansätzen liegt darin, dass es nicht nur auf die Software-Entwicklung beschränkt ist (wo meist Scrum die Methode der Wahl ist), sondern den gesamten Projektzyklus umfasst. Atern bezieht auch betriebswirtschaftliche Aspekte ein und bietet Mechanismen, die sicherstellen, dass der Nutzen des Projekts für den Kunden klar benannt wird, die vorgeschlagene Lösung machbar ist und dass die Voraussetzungen zur Umsetzung eines Projekts gesichert sind, ehe mit der eigentlichen Arbeit begonnen wird.
Atern-Projekte bestehen aus folgenden sieben Phasen:
Phase |
Definition |
Projektvorbereitung | Eröffnungsphase des Projekts, Festlegung der Rahmenbedingungen |
Machbarkeitsprüfung | Eine meist kurze Phase zur Beurteilung der Realisierbarkeit und Erstellung der Wirtschaftlichkeitsprognose (Begründung des Projekts) |
Rahmenplanung | Wichtige Phase, um zu gewährleisten, dass das Projekt verstanden wurde und klar genug definiert ist, damit Umfang, technische Rahmenbedingungen und Standards vor Beginn der Entwicklungsarbeit ausreichend detailliert umrissen werden können. |
Feinplanung | Iterative Entwicklungsphase in deren Verlauf die Teams die erforderlichen Arbeitsschritte so detailliert wie möglich auffächern, um ihre Funktionalität zu demonstrieren. |
Technische Entwicklung | Iterative Entwicklungsphase, in der die letzten technischen Feinheiten angepasst werden, so dass die Lösung gebrauchsfertig ist. |
Bereitstellung | Das Ergebnis jeder einzelnen Erweiterung bzw. jeder Abfolge von Timeboxen wird dem Kunden zur Verfügung gestellt. |
Projekt-Nachbereitung | Auswertung der erreichten Nutzenmaximierung |
In der Bildergalerie finden sich weitere Infografiken dazu.
Da die Methode flexibel ist und eine Anpassung an die jeweilige Situation erlaubt, fliessen die Phasen der Feinplanung und technischen Ausarbeitung oft ineinander, was in vier Beispielen in der Bildergalerie veranschaulicht wird.
Atern-Prinzipien
Viele Unternehmen haben einen Verhaltenskodex, dem hohe menschliche Werte und eine ausgeprägte Unternehmenskultur zugrunde liegen. Solche verinnerlichten Prinzipien bieten eine effektivere Orientierung als detaillierte Verfahrensregeln. So hat auch Atern einige Prinzipien, die während des gesamten Projekts als Richtschnur dienen.
Atern liegen acht Prinzipien zugrunde, auf denen das gesamte Konzept aufbaut. Diese Prinzipien beruhen auf bewährten Arbeitsmethoden im besten Sinne des Wortes; sie definieren die Arbeitsweise.
Wird auch nur eines dieser Prinzipien missachtet, so kann dies zu Misserfolgen führen, denn sie sind Aterns Fundament, das alle anderen Elemente des Atern-Konzepts verbindet.
Prinzip |
Definition |
Konzentration auf Kundenbedürfnisse | Liefern Sie, was der Kunde braucht und wenn er es braucht. Die wahren Prioritäten des Kunden müssen anhand einer gründlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung in Erfahrung gebracht werden. |
Pünktliche Lieferung | Inhalte und Zeitrahmen der Zeitboxen werden im Voraus geplant. Die Daten ändern sich grundsätzlich nie, Inhalte dagegen können entsprechend der Prioritäten des Kunden variieren, um die Einhaltung des Liefertermin zu gewährleisten. |
Zusammenarbeit | Das Arbeitsklima ist von Teamgeist und Engagement geprägt. Aktive kooperation fördert das gegenseitige Verständnis, beschleunigt die Arbeit und schafft ein gemeinsames Verantwortungsgefühl für das Produkt. Die Teams müssen Mitspracherechte haben; Vertreter der Kundenseite müssen in den Teams vertreten sein. |
Keine Kompromisse in Bezug auf Qualität | Lösungen müssen “gut genug” sein. Die qualitativen Ansprüche werden zu Beginn festgelegt. Projekte müssen von Anfang an kontinuierlich getestet und überprüft werden. |
Eine solide Grundlage schaffen und schrittweise darauf aufbauen | Eine schrittweise Einführung von Features ermöglicht dem Kunden, das Produkt bereits vor der Fertigstellung zu nutzen; dies fördert sein Vertrauen in seine Investition und hilft Ihnen durch frühzeitiges Feedback. Diese Vorgehensweise beruht darauf, dass im Vorfeld gerade genug analysiert wird, um die Fortsetzung der Arbeit zu ermöglichen und zu akzeptieren, dass sich die Details später entwickeln. |
Iterative Entwicklung | Akzeptieren Sie, dass nicht alles beim ersten Anlauf klappt. Nutzen Sie die Timeboxen, um Spielraum für Änderungen zu schaffen, doch sorgen Sie stets dafür, dass eine passende Lösung gefunden wird. |
Kontinuierliche und klare Kommunikation | Nutzen Sie Workshops, tägliche Kurzbesprechungen, erstellen Sie Modelle, entwickeln Sie einen Prototypen, halten Sie Vorträge und fördern Sie direkte, informelle Kommunikation. |
Demonstrieren Sie Kontrolle | Das Team muss bei der Überwachung und Kontrolle der Fortschritte entsprechend der Rahmenplanung (2.Phase) proaktiv sein. Die Tragfähigkeit des Projekts muss kontinuierlich auf der Grundlage der unternehmerischen Ziele überprüft werden. |
Rollenverteilung und Verantwortlichkeiten innerhalb von Atern-Projekten
Atern definiert Rollen und Verantwortlichkeiten in einer Weise, die es leicht macht, sich vorzustellen, wie bestehende Rollen und Positionen in ein Atern-Projekt integriert werden können.
Rollen im Projekt
Rolle |
Hauptverantwortlichkeiten |
Business Sponsor | Hauptverantwortlich für die Entwicklung des Geschäftsplans; sichert Finanzierung und Ressourcen. Gewährleistet effektive Entscheidungen und löst Eskalationen schnell. |
Projektmanager | Anlaufstelle für die Projektleitung. Gesamtplanung; überwacht Fortschritte, Verfügbarkeit von Ressourcen und Projektkonfiguration; Risikomanagement und Unterstützung der Teams. |
Business Visionary | Hauptverantwortlich für die Entwicklung der Business Vision und Einflussnahme auf weiterreichende Änderungen im Betrieb. Überwachung der Arbeitsfortschritte in Bezug auf die Vision. Mitwirkung bei der Ausarbeitung der wesentlichen Anforderungen, des Designs sowie Auswertungsbesprechungen. |
Technischer Koordinator | Abstimmung und Kontrolle der technischen Architektur; Beratung und Koordination der Teams; Identifikation und Management technischer Risiken; Gewährleistet die Erfüllung von nicht-funktionalen Anforderungen. |
Teamleiter | Erinnert das Team an die Einhaltung des Zeitplans; Fördert die Beteiligung des Gesamtteams; Detailplanung von Timebox-Inhalten sowie täglichen Arbeitsabläufen und –inhalten; Gewährleistet die Planung und lückenlose Durchführung von Tests und Auswertungsbesprechungen. |
Rollen in der Lösungsentwicklung
Rolle |
Hauptverantwortlichkeiten |
Business-Repräsentant | Mitwirkung bei der Erfüllung aller Anforderungen sowie Design- und Auswertungsbesprechungen; repräsentiert die Sicht des Kunden bei täglichen Entscheidungen; beschreibt Business-Szenarios, um Design und Tests der Software zu fördern; sichert die Richtigkeit der Lösung und fördert die Akzeptanz der Lösung beim Kunden. |
Lösungs-Entwickler | Entwicklung der Lösung sowie Mitwirkung bei allen Aspekten der Qualitätssicherung. |
Lösungs-Tester | Entwickelt gemeinsam mit Wirtschaftsanalysten und Unternehmensberatern Test-Szenarios; Durchführung umfassender Tests; informiert Team-Leiter und technischen Koordinator über Testergebnisse. |
Wirtschaftsanalyst | Förderung der Kommunikation zwischen Business-Repräsentanten und Unternehmensberatern einerseits und den technischen Mitarbeitern des Teams andererseits; kümmert sich um alle notwendigen Produkte im Zusammenhang mit den Anforderungen des Kunden. Gewährleistet, dass die betrieblichen Konsequenzen von ad-hoc-Entscheidungen ausreichend durchdacht werden. |
Unternehmensberater | Bringt Fachwissen aus der Branche des Kunden ein z.B. als Buchhalter oder Steuerberater; meist handelt es sich um einen künftigen Benutzer der Lösung. |
Weitere Rollen
Rolle |
Hauptverantwortlichkeiten |
Atern Coach | Unterstützt Teams, damit sie als Atern-Neulinge den maximalen Nutzen aus der Methode ziehen können; schneidet Atern auf die Anforderungen des jeweiligen Projekts zu. Nicht alle Aspekte der Atern-Methode sind bei jedem Projekt nötig. |
Workshop-Organisator | Leitung und Organisation von Workshops; Verantwortung für den Rahmen, jedoch nicht für die Inhalte von Veranstaltungen. |
Andere Experten | Externe Fachleute, die bei Bedarf hinzugezogen werden; meist im technischen Bereich, z.B. Experten für Belastungstests o.ä. |
Die Atern-Produkte
Jede Phase steht mit einem greifbaren Ergebnis in Verbindung, das als Produkt bezeichnet wird. Nicht alle Produkte sind bei jedem Projekt notwendig; auch die äußere Form kann sich entsprechend dem Unternehmen und dem Projekt ändern. Maßgebliche Faktoren könnten beispielsweise vertragliche Beziehungen und Unternehmensstandards sein.
Einige Produkte sind speziell einer bestimmten Phase im Projekt zugeordnet, andere dagegen können sich im Laufe mehrerer aufeinanderfolgender Phasen entwickeln.
Die dazugehörige Grafik in der Bildergalerie zeigt die grundsätzliche Abfolge von Produkten innerhalb eines Projekts. Beispielsweise wird die Machbarkeitsprüfung durch die Rahmenplanung und die Liste der wichtigsten Anforderungen (Prioritised Requirements List, kurz: PRL) ergänzt. Ebenso entsteht aus dem Rahmenplan zunächst ein Zeitplan für das Projekt, der schliesslich von den Teams zu Timeboxen und einem Lieferplan für die einzelnen Erweiterungen ausgearbeitet wird.
Atern lässt zu, dass die Art und Weise, wie Produkte entwickelt werden oder welche Form sie annehmen, sich aus sich selbst heraus entwickelt, so dass sie in den meisten Fällen auf die Umgebung zugeschnitten werden können, in der sie zum Einsatz kommen. Tatsächlich sind für manche Einsatzgebiete alle Produkte erforderlich, während für andere (ähnlich wie bei Scrum) die PRL und die Lösungsentwicklung völlig ausreichen.
Was sind die nächsten Schritte für Atern?
Atern ist zweifellos das am besten gehütete Geheimnis der agilen Softwareentwicklung; doch in der Schweiz wird das Konzept durchaus angewandt.
Infonic AG, ein auf Finanzsoftware spezialisierter Nischenanbieter, arbeitet bereits seit zwei Jahren mit diesem Konzept; die Universität Zürich setzt Atern bei einer beachtlichen Anzahl an Projekten ein und der Vorsitzende des DSDM Konsortiums ist für ein Schweizer Pharmaunternehmen in Basel tätig.
Die vielleicht interessantesten Neuigkeiten für Atern kommen jedoch von dem in Grossbritannien ansässigen Unternehmen APMG International™, das für die Akkreditierung von PRINCE2-Fortbildungen verantwortlich ist, eine der beliebtesten Projektmanagementsmethoden Europas. Neben anderen Zertifikaten hat das Unternehmen bei der Agile Business Conference 2010 auch ein eigenes Agile Project Management Zertifikat (APM) vorgestellt, das bereits im ersten Jahr äußerst erfolgreich war. Dieses Zertifikat beruht auf Atern und die britische Regierung beabsichtigt, es für ihre IT-Projekte zu übernehmen.