Über Bundestrojaner und Govware

Wie viel Überwachung verträgt die Schweiz?

Uhr | Aktualisiert

Die Revision des Bundesgesetzes bezüglich der Überwachung des Post- und Fernmeldegesetzes erhitzt die Gemüter. Asut warnt vor einem Eingriff in die Grundrechte, und Swico fordert vom Ständerat ein Nichteintreten. Was aber macht der Bund? Er nimmt die Kritik gelassen.

Einen Monat ist es her, seit der Bundesrat dem Parlament den Entwurf für eine Revision des Bundesgesetzes bezüglich der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) vorgelegt hat. Die Exekutive wolle den Einsatz "besonderer Informatikprogramme" (Govware, Staatstrojaner) in den Behörden erlauben und Überwachungsdaten zentral aufbewahren, schrieb Bundesrätin Simonetta Sommaruga damals.

Auf der Grundlage des aktuellen BÜPF trat am 1. Januar 2012 die Verordnung über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (VÜPF) in Kraft, die dem Bund eine Überwachung von Internet und Mobiltelefonen erlaubt. Dem Bundesrat wurde damals vorgeworfen, mit dieser Verordnung das Parlament als Gesetzgeber zu umgehen. Besonders der Umstand, dass die neue Verordnung auf einem Gesetz basiert, das gerade selbst in Revision ist und in der überarbeiteten Fassung wohl nicht vor 2014 in Kraft treten wird, sorgte für Unmut.

"Eine diffuse Angst vor Kriminalität"

In einer Mitteilung zur geplanten BÜPF-Revision wirft der Anbieterverband Swico dem Bundesrat nun indirekt vor, die Ängste der Bevölkerung auszunutzen: "Die Botschaft reitet auf der Welle einer diffusen Angst vor Kriminalität jeglicher Art sowie des Unbehagens der Staatsorgane vor dem gewaltigen Potenzial des Internets", schreibt der Verband.

Folco Galli, Informationschef des Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), kontert: Die Vorlage schüre keine Ängste, sondern sei sogar sehr nüchtern. Es gehe bloss darum, das BÜPF an die technologische Entwicklung anzupassen.

Revision ohne Gegenstimme?

Es sei zwar unbestritten, dass auch die Behörden am technischen Fortschritt teilhaben sollten, sagt Swico. Dabei müsse aber auf die Prinzipien einer demokratischen Gesellschaft geachtet werden. "Nicht alles, was technisch machbar und aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden wünschenswert wäre, ist gesellschafts- und bürgerverträglich", kritisiert Swico-Geschäftsführer Jean-Marc Hensch.

Nun debattiert der Ständerat über die geplante Revision: Die Kommission für Rechtsfragen hat eine Annahme der Vorlage empfohlen – ohne Gegenstimme. Die Detailberatung wird an einer der kommenden Sitzungen stattfinden. Swico hingegen hat den Ständerat dazu aufgefordert, gar nicht erst auf die Vorlage einzugehen oder diese zur Überarbeitung zurückzuweisen.

"Keine Hilfssheriffs"

Auch der Telekommunikationsverband Asut spricht sich gegen die Gesetzesänderung aus und befürchtet einen massiven Eingriff in die Grundrechte der Bürger. Das EJPD verneint dies auf Anfrage: Die Behörden dürften Überwachungen ja nicht einfach so präventiv, sondern nur im Rahmen eines Strafverfahrens durchführen. Eine Überwachung müsse immer von der Staatsanwaltschaft beantragt und vom Zwangsmassnahmengericht genehmigt werden. Sollten trotz dieser Sicherungen in einem Einzelfall unzulässig Informationen gesammelt werden, dürften sie vor Gericht nicht als Beweis verwendet werden. Zudem könne die betroffene Person Beschwerde gegen die Überwachung einlegen, so das Bundesamt.

Asut äussert weitere Bedenken: Der Bund wolle die Kosten der Umsetzung den Internetprovidern und Telkos aufbürden. "Alle der über 500 beim Bakom registrierten Anbieterinnen […] müssten Investitionen im sechs- bis siebenstelligen Frankenbereich tätigen." Dies stimme so nicht, antwortet das EJPD. Der Bund sehe Aufwandsentschädigungen vor und könne einzelne Unternehmen von der Überwachungspflicht befreien. Asut-Chef Peter Grütter warnt dennoch vor staatlicher Kontrolllust: Anstatt Anschlüsse und Kunden würden nun einfach ganze Verkehrsströme überwacht – ohne dass sich der Gesetzgeber zu dieser Frage geäussert habe. "Fernmeldedienstanbieter sind keine Hilfssheriffs", teilt Asut unmissverständlich mit.

Wenig Beachtung für Onlinepetition

Auch die Piratenpartei rebelliert gegen die BÜPF-Revision. Auf ihrer Website warnt sie vor Bundestrojanern auf Mobiltelefonen und PCs und einer Datenspeicherung auf Vorrat während zwölf Monaten. Gemeinsam mit Openfactory, Jungfreisinnigen, Juso, Swiss Privacy Foundation, Grundrechte.ch, Chaos Computer Club, Digitale Allmend und Digitale Gesellschaft sammeln die Gegner der Revision auf Buepf.ch Unterschriften gegen das Vorhaben.

"Mit der Onlinepetition wollen wir dem Parlament klar aufzeigen, dass ein grosser Teil der Bürger sich nicht permanent überwachen lassen will", sagt Piratenpartei-Vizepräsident Pascal Gloor. Bis jetzt wurde die Petition allerdings erst von knapp 6000 Menschen unterzeichnet.