Kritische Überlegungen zur Public Cloud
In unserem Gastkommentar äussert sich IT-Manager Stefan Plogmann kritisch zum Thema Public Cloud Computing. Die zunehmende Fokussierung auf Consumer Computing bereitet ihm Sorgen.
Leiter von mittelgrossen Unternehmen stellen sich ständig die Frage, wie die eigene Firma besser werden kann und welche Technologien den eigenen Kunden und Mitarbeitern einen Mehrwert bieten. Viele IT-Schlagworte der letzten Jahre sind inzwischen ganz normaler Alltag im täglichen Betrieb geworden: Virtualisierung, BYOD, Online Collaboration oder Unified Communication. Zwei grosse IT-Trends stechen dabei besonders hervor: Public Cloud Computing und die zunehmende Fokussierung auf Consumer Computing.
Alles wird zur Wolke
Es gibt kaum einen Softwareanbieter, der nicht auf spezielle Cloud-Anwendungen, Online-Speicher und die Integration mit Sozialen Netzwerken setzt. Für Privatleute und kleinere Unternehmen ohne eigene IT sind diese Fertiglösungen aus dem Internet genial: Man kann nur mal eben die Kreditkarte zücken, ein paar Formulare ausfüllen und schon hat man einen neuen E-Mail-Dienst. Genauso schnell kann man auch eine neue Testumgebung aufsetzen oder Speicherplatz mieten.
Was in der allgemeinen Euphorie über die neue Leichtigkeit gerne vergessen wird: Es gibt Firmen, die Cloud Computing ablehnen. Die Denkweise dahinter lässt sich vielleicht in einer Analogie erläutern. Kein seriöser Forscher würde die geheimen und mühsam erarbeiteten Unterlagen seiner Forschung offen in einem Hotelzimmer rumliegen lassen. Dabei ist das an sich gar nicht so schlimm. Das Hotelzimmer ist doch verschlossen und nur Mitarbeiter des Hotels haben Zugriff. Denen sollte man doch trauen können. Trotzdem würde bei so einem Verhalten ein Rest Zweifel und der Vorwurf der Verantwortungslosigkeit im Raum stehen.
Andere Massstäbe
Wieso verschieben sich bei Cloud Computing dann plötzlich die Massstäbe? In IT-Audits fragen die Prüfer nach Zugriffskontrollmechanismen, Change-Management-Prozessen und langfristigen Backups sowie Archivierung. Wie kann man auf diese Fragen eine verlässliche Antwort liefern, wenn die Daten in einem anonymen Cloud-Rechenzentrum in irgendeinem Land und auf irgendwelchen Systemen lagern?
Firmen sind bereit, Geld zu investieren und eine eigene Infrastruktur aufzubauen. Diese Unternehmen wollen mehr Kontrolle darüber wer, wann und wo Zugriff hat. Das ist nicht unbedingt ein Symptom genereller Paranoia. Diese Haltung entstand auch nicht erst durch die Enthüllungen von Edward Snowden. Es geht um die Verantwortung für eigene und für Kundendaten.
Finanzielle Hürden
Leider kann man immer mehr den Trend beobachten, dass Firmen für diese Investition in eigene Infrastruktur finanziell bestraft werden. Softwarehersteller wie Microsoft oder Adobe subventionieren ihre Cloud-Lösungen im Vergleich zum klassischen Lizenzmodell. Es wäre beispielsweise viel günstiger, alle Exchange-Postfächer in die Cloud zu verschieben. Die jährlichen Lizenzen für die so genannten "On Premise"-Installationen liegen teilweise um ein Mehrfaches über den Cloud-Lizenzen.
Hinzu kommt, dass jede neue Softwareversion immer mehr voraussetzt, dass man mit der Cloud verbunden ist und im Idealfall auch alle Daten dort speichert. So kommt nach einem Jahrzehnt plötzlich der totgeglaubte Hardware Dongle als elektronische Fussfessel wieder. Als Unternehmen muss man dieses Tor mühsam wieder schliessen und gleichzeitig die User zu Disziplin bei der Speicherung von Daten ermahnen. Selbst gehostete Lösungen wie Microsoft Sharepoint oder Citrix Sharefile scheinen von den Herstellern zu Gunsten eigener Wolken immer mehr ignoriert zu werden.
Geht der Firmenkunde vergessen?
Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass die Bedürfnisse von Firmen immer mehr durch die Softwareherstellern vergessen werden. König Kunde ist nun scheinbar die Privatperson.
Windows 8 kann man hier Beispiel nehmen. Es ist an sich ein gutes Betriebssystem mit vielen Detailverbesserungen unter der Motorhaube. Die grafische Benutzeroberfläche ist jedoch im wahrsten Sinne des Wortes auf das Konsumieren (auf Tablets) ausgelegt, also vor allem das Betrachten oder Weiterleiten von Daten und Medien. An die gleichzeitige Nutzung von mehreren Applikationen auf mehreren Bildschirmen hat man in den Design-Laboren wohl nicht gedacht. Für die Nutzung in Firmen ist dies ein Rückschritt und Microsoft scheint nach einem Aufschrei der Kunden auch im Eiltempo wieder in den Rückwärtsgang zu schalten.
Firmencomputer sind in der Regel für die möglichst effiziente Erzeugung oder Bearbeitung von Daten gedacht. Weitere Aspekte sind unter anderem leichte Wartung und Skalierung. Die durchschnittliche Lebensdauer von IT-Systemen liegt teilweise deutlich über dem von den Herstellern angepeilten Wegwerfzyklus von zwei bis drei Jahren. Man ersetzt keine 250'000 Franken teure Maschine, nur weil der Windows-XP-Support für den Steuerungscomputer abgelaufen ist. Es macht auch keinen Sinn, Hunderte von Mitarbeitern in Schulungen zu schicken, nur weil der Softwarehersteller in der neuen Version die Menüführung verändert hat, ohne wirklich neue sinnvolle Funktionen hinzuzufügen.
Für eine durchschnittliche Firma ist der Austausch der IT alle zwei Jahre faktisch nicht machbar. Bei vielen Business-Applikationen kann man schon froh sein, wenn alle fünf Jahre auf die neueste Technologie migriert wird. Ganz zu schweigen von den finanziellen und organisatorischen Schwierigkeiten eines schnelleren Zyklus.
Den Dialog mit den Softwarefirmen suchen
Firmenkunden müssen den Softwareherstellern klar machen, dass sie nicht mit den Privatkunden gleich gesetzt werden wollen. Die Hersteller wollen durch den Cloudzwang einen konstanten Einkommensstrom erschaffen und gleichzeitig den Anwendern die jeweils letzte Softwareversion aufzwingen. Für Unternehmen bedeutet dies den Verlust der Eigenverantwortung für Daten und Innovationszyklen.
Kritische Elemente der eigenen Infrastruktur werden plötzlich fremdbestimmt und die Hoheit über Unternehmensinterna aufgegeben. Zudem wird die Integration verschiedener Systeme miteinander immer mehr zum Alptraum, da alle Komponenten einem ständigen, unkontrolliertem Wandel unterliegen.
In anderen Branchen würde solch eine einseitige Produktoptimierung auf Bedürfnisse des Herstellers wohl mit einem Aufschrei und Kundenabwanderung beantwortet werden. Die Softwarebranche wird leider von einigen sehr übermächtigen Konzernen dominiert, die mit ihren Vorstellungen Trends kanalisieren. In der Vergangenheit haben sie jedoch ebenfalls reagiert, wenn der Widerstand durch die Kunden stark genug war.
Stefan Plogmann ist ein ist IT-Manager mit langjähriger Erfahrung in Infrastrukturprojekten. Mit diesem Gastkommentar will er auf die Missstände im Geschäftsmodell von Public Cloud Computing hinweisen.