Twint will Portemonnaie ersetzen
Das Zahlen revolutionieren, das Portemonnaie durch das Smartphone ersetzen, Payment mit Shopping verbinden. Das alles will Twint. Bis Schweizer allerdings an der Ladenkasse instinktiv zum Smartphone statt zur Geldbörse greifen, dürfte es noch eine Weile dauern.
Gestern hat die Twint AG, eine Tochterfirma von Postfinance, im Kino Riff-Raff in Zürich seine mobile Payment-App Twint lanciert. Mit Twint will CEO Thierry Kneissler nichts Geringeres als das Zahlverhalten der Schweizer Bevölkerung revolutionieren. Die Nutzer sollen statt zu Portemonnaie und Bargeld bzw. Kreditkarte zu Smartphone und Twint-App greifen, um an der Ladenkasse zu bezahlen. Ob das gelingt wird sich zeigen. Denn die Liste von Fails rund um Payment-Lösungen egal ob von Banken, Kreditkartenfirmen oder Finance-fremden Unternehmen ist lang. Man denke etwa an die Cash-Funktion der EC-Karte, die niemand wollte, oder V-Pay von Visa, die nicht so richtig aus den Startlöchern kommt.
Dennoch: Das Timing für den Twint-Launch hätte nicht besser sein können: Tags zuvor hatte Swisscom bekannt gegeben, die eigene Paymentlösung Tapit bis Sommer 2016 einzustellen. Der Telko will künftig mit dem Bankeninfrastrukturdienstleister Six zusammen die Paymit-App unterstützen, die Six im Mai gemeinsam mit den Banken UBS und Zürcher Kantonalbank lanciert hatte. Paymit ist allerdings vom Funktionsumfang her (noch) keine vollwertige Payment-App, sondern beschränkt sich auf P2P-Zahlungen, also das Verschicken von Geld zwischen zwei Smartphones.
Bluetooth statt NFC...
Twint hingegen beherrscht zum Marktstart P2P-Zahlungen (noch) nicht. Diese Option soll aber "in den nächsten Wochen" folgen. Auch in den nächsten Wochen soll dann in rund 50 Shops, Restaurants und Bars in acht Schweizer Städten mit Twint bezahlt werden können. Zum Launch ist Twint allerdings erst in wenigen Geschäften in Zürich und Bern verfügbar.
Im Gegensatz zum glücklosen Tapit-System von Swisscom setzt Twint bei der Übertragungstechnologie auf Bluetooth statt auf NFC. Dafür braucht es allerdings an der Kasse ein spezielles Twint-Terminal, das die Händler für 100 Franken kaufen müssen. Eine moderne Kassensoftware oder ein Tablet mit der Twint-App sind ebenfalls Voraussetzung für die Verwendung von Twint.
...wegen Apple
Twint verwendet auch deshalb Bluetooth, weil die Schweiz ein Apple-Land ist. "60 Prozent der Smartphones in der Schweiz sind iPhones", sagte Thierry Kneissler am Anlass. Apple gab bislang die NFC-Schnittstelle aber nicht für App-Entwickler frei, weil Apple seine NFC-Schnittstelle zumindest vorerst ausschliesslich für sein Apple-Pay reserviert.
"Und wenn von vornherein 60 Prozent des Marktes ausgeschlossen sind, wird es schwierig", sagte Kneissler weiter. Twint lasse sich zudem auch an Automaten und im Webshop nutzen oder in eine eigene App integrieren. In Kürze sollen die Handelspartner zudem mittels Online-Tool ihre mobilen Marketingkampagnen selbst kreieren, bestehende Kundenkarten hinterlegen sowie Angebote gestalten können.
Schweizweiter Rollout im Oktober
Im Oktober will Twint schweizweit an den Start gehen. Ausser der Schweizerischen Post und diversen Online-Shops, die das digitale Portemonnaie aus dem Hause Postfinance akzeptieren, testen derzeit auch Coop und die SBB diese Zahlungsoption, wie es an der gestrigen Veranstaltung hiess.
Die weiteren Ausbauschritte der Twint-App nannte Kneissler auch. So sollen auch Kundenkarten, Treuekarten, Stempelkarten, Coupons etc. mit der Twint-App virtualisiert werden können.
Im Unterschied zu bisher bekannten elektronischen Portemonnaie-Lösungen benötige Twint keine Kredit- oder Debitkarten und funktioniere mit jedem beliebigen Post- oder Bankkonto sowie unabhängig vom Telekomanbieter – und zwar so wie das Bezahlen mit Bargeld im traditionellen Portemonnaie: zuerst Geld laden, dann ausgeben. Twint ist seit gestern in den App-Stores von Google und Apple verfügbar.