Editorial

Ich war noch niemals in (New) Arosa

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Yannick Züllig, Redaktor. (Source: Netzmedien)
Yannick Züllig, Redaktor. (Source: Netzmedien)

«Arosa Tourismus: Arosa macht Träume wahr» ist Master of Swiss Web 2024. Herzlichen Glückwunsch! Die Feriendestination erreichte den Gipfel des Schweizer Web-Olymps an der Award Night vom 11. April in «The Hall» in Dübendorf. Es war bereits die 24. Ausgabe von Best of Swiss Web. Für mich – gerade im 24. Lebensjahr – war es die dritte Award Night als Netzwoche-Redaktor. Die eingereichten und ausgezeichneten Projekte spiegeln jeweils die Stimmung, nicht nur in der Schweizer Tech-Branche, sondern auch des ganzen Landes. So gewann etwa 2022 die «Live-Videoberatung der Migros Fachmärkte» den Master-Titel. Ein Projekt, das inmitten der Pandemie aus der Not heraus geboren wurde. Das richtige Projekt zur richtigen Zeit. 

2024 ist in China das Jahr des Drachens und in der Tech-Welt das Jahr der KI. Da ist es wenig überraschend, dass ein KI-Projekt den Master-Titel gewinnt. Arosa Tourismus und Yoveo verwandeln crowd-­generierte Prompts in KI-generierte Bilder und werben damit für das Skigebiet. «Teile mit uns deinen #Bergtraum und werde Teil der Arosa-Kampagne», heisst es auf der Kampagnenwebsite. Doch kann KI diese Träume realisieren? KI war noch nie in Arosa. Und wenn der Algorithmus plötzlich das Matterhorn in die Bündner Bergwelt versetzt, ist das dann noch der Traum, der dem Bot anvertraut wurde? Oder entsteht New Arosa, eine Parallelwelt, die nur in der Logik der KI existiert? 

Dass der Einsatz von KI in Werbekampagnen problematisch sein kann, zeigten schon einige Beispiele, nicht zuletzt der Wahlkampf zur Parlamentswahl 2023. Auf FDP-Werbeplakaten waren Klimakleber abgebildet, die eine Ambulanz blockierten – obschon es diesen Vorfall nie gab. Die Implikationen für eine Tourismuskampagne mögen weniger weitreichend sein, dennoch sollte man sich Gedanken machen, was genau man kreiert, wenn eine Maschine den Traum einer Person in eine Werbung für eine Sache verwandelt, welche die Maschine nicht kennt. «Bis KI die menschliche Exzellenz und Kreativität ersetzen kann, wird es noch einige Zeit dauern», sagt Marco ­Demont, Partner bei Yoveo, der Agentur hinter der Kampagne. Doch braucht eine KI Kreativität, wenn sie einfach die Arbeit von humanoiden Kreativen holzschnittartig reproduzieren kann? Das KI-generierte Bild einer Skifahrerin, die auf der Piste in Arosa ihren «#Bergtraum lebt», speist sich ja aus der erwähnten menschlichen Exzellenz und Kreativität. Das Motiv entsteht gewissermassen als Collage aus Fotos von Touristen, die tatsächlich am Berg waren, aus früheren Werbekampagnen oder aus Gemälden der Alpenlandschaft. Der KI bleibt auch nichts anderes übrig, als sich an menschlichen Kreativleistungen zu bedienen, sie zu verschnipseln und neu anzuordnen. Doch vielleicht weiss es die KI auch besser als ich. Denn ich war auch noch niemals in ­Arosa. Und nach New Arosa möchte ich nicht. 

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