Wie Apps von der Bildfläche verschwinden
Smama, der Schweizer Verband für Mobile-Wirtschaft, hat den Event "Mobile Day 1" veranstaltet. Rund 80 Teilnehmer kamen zum GDI nach Rüschlikon, um Trends im Bereich digitale Technologien kritisch zu diskutieren.
Apps werden von der Benutzeroberfläche verschwinden. Plattformen wie Google, Amazon und Facebook verdrängen die Programme, die das Smartphone smart werden liessen. Indessen konkurrieren solche Plattformen zunehmend um die Aufmerksamkeit ihrer Nutzer. Aus der Konkurrenz zwischen den Anbietern könnte sogar ein Monopol entstehen. Dies prognostizierte Jakub Samochowiec, Senior Researcher am Gottlieb Duttweiler Institut (GDI). Er skizzierte dieses Szenario am Event "Mobile Day 1", den der Schweizer Verband für Mobile-Wirtschaft Smama am GDI in Rüschlikon organisiert hat.
Die Besucher der Veranstaltung erörterten Trends im Bereich digitale Technologien und Mobile-Business. Die Referenten gaben breit gefächerte Denkanstösse, die von den Teilnehmern kritisch diskutiert wurden.
Apps werden aus dem Alltag verschwinden
Jakub Samochowiec vom GDI erklärte, was die digitale Transformation mit den Medien anstellt. Jene Organisationen, die Inhalte produzieren, verlören allmählich an Bedeutung. Plattformen werden hingegen mächtiger, sagte der Forscher. Sie könnten Inhalte koordinieren und auf diese Weise beeinflussen, wie die Nutzer ihre mediale Welt wahrnehmen. "Jede dieser Plattformen versucht, ein Betriebssystem für das Internet zu werden", sagte Samochowiec.
Am Beispiel von Sprach-Interfaces wie Alexa und Siri zeigte Samochowiec auf, wie einzelne Applikationen aus dem Alltag verschwinden. "Der Nutzer interessiert sich nicht für Apps, sondern für Informationen", sagte der Referent. Statt einen Sprachassistenten dazu aufzufordern, eine bestimmte Wetter-App zu öffnen, würden Nutzer vielmehr direkt nach dem Wetter fragen. Die Plattform hinter dem Sprach-Interface bündle die einzelnen Apps zu Containern und bringe die Inhalte direkt zum Nutzer. Die Apps würden aus dem Sichtfeld des Nutzers verschwinden, meinte Samochowiec.
Auch die Entwicklung im Bereich Augmented Reality könnte das Geschäft mit den Apps untergraben. "Wer eine Datenbrille trägt, wird kaum einzelne Apps öffnen", sagte Samochowiec. Nutzer werden die Auswahl an Informationen, welche die Brillen anzeigen, nicht anhand von Apps sondern aufgrund persönlicher Interessen anpassen, wie der Forscher zu verstehen gab.
"Mobile First" weicht dem Trend zum maschinellen Lernen
Der Trend in Richtung "Mobile First" ist vorbei. Wir leben bereits an der Schwelle zu einer "post-mobilen" Welt, meinte Ajit Jaokar, Professor für Data Science an der Universität Oxford und Gründer von Futuretext. Smartphones seien zwar allgegenwärtig und sicherlich wichtige Kanäle für Menschen und Unternehmen. Aus wissenschaftlicher und ökonomischer Sicht werden Technologien, die hinter solchen und weiteren Kanälen stehen, jedoch wesentlich wichtiger, wie Jaokar bemerkte.
Der Datenwissenschaftler erklärte, wie die Algorithmen im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) immer schwierigere Probleme lösen können. Auf solche Fähigkeiten würden viele Unternehmen schon bald angewiesen sein. Die Telekommunikationsbranche muss mit der Verbreitung des Internet der Dinge (IoT) auf KI zurückgreifen, sagte Jaokar. Die Grösse der Netzwerke würden mit der Zunahme an IoT-Geräten mindestens um den Faktor 10'000 zunehmen. Auch die Anzahl Endpunkte nehme drastisch zu. Menschen können diese Herausforderung nur mit der Hilfe von softwaredefinierten Netzen und maschinellem Lernen bewältigen, erklärte Jaokar.
Social Media entzaubern
Peter Metzinger, Inhaber und Geschäftsführer der Agentur Business Campaigning, klärte die Zuhörer über Mythen im Bereich Social Media auf. Der gelernte Physiker und ehemalige Greenpeace-Aktivist erwähnte die Big-Data-Firma Cambridge Analytica, die mittels Micro-Targeting Donald Trump zum Wahlsieg verholfen haben soll. Die Firma soll aufgrund dessen, was Nutzer auf Facebook äusserten, Profile erstellt und gezielt bestimmte Wählergruppen mobilisiert haben.
"Das Ganze war eine Luftblase", relativierte Metzinger. Anhand weniger "Likes" könne man Personen nicht präzise einordnen. Die Wirkung solcher Massnahmen sei höchst umstritten. Ausserdem seien die Strategien hinter solchen Methoden wie Microtargeting uralt. "Neu ist, dass die Kosten gesunken sind, um Communities aufzubauen", sagte Metzinger. Aus diesem Grund würden heute mehr und mehr Organisationen solche Methoden anwenden, um Botschaften passgenau an bestimmte Zielgruppen zu transportieren.
"Die Zukunft liegt in Relevanz und Authentizität"
Organisationen werden sich mit solchen Marketingstrategien kaum noch voneinander abheben können, bemerkte ein Teilnehmer der Veranstaltung. Bei der heutigen Flut von Newslettern würde kaum noch jemand in der Lage sein, die Inhalte aufzunehmen. Die Identität des Absenders wird daher immer wichtiger wird, wie Metzinger sagte. Ob eine Botschaft beim Empfänger ankommt, hänge davon ab, dass der Absender authentisch kommunizieren kann. Die Botschaft müsse zudem für die Zielgruppe relevant sein.
Die grundlegenden Werte, die ein Absender vermittelt, werden für erfolgreiche Kommunikation immer wichtiger. "Diese Werte machen es letztlich aus", sagte Metzinger. Sie müssten allerdings auf die Corporate Identity der Organisation passen. Manche Unternehmen hätten auf diese Weise sogar bewirkt, dass bestimmte Markennamen wie etwa Tempo oder Tip-Ex zum Synonym für Gebrauchsgegenstände werden.
Für solche Zwecke müssten Organisationen unverwechselbar sein. Dies könnten sie jedoch nicht allein durch Marketing erzielen. Verwenden sie etwa Social Media zu häufig für Werbung, prallen die Botschaften an den Nutzern ab, bemerkte Metzinger.