PARTNER-POST Interview mit Pascal Sieber von Dr. Sieber & Partners

Warum viele Unternehmen Nachhaltigkeit nur oberflächlich umsetzen

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Digitalisierung bedeutet nicht automatisch mehr Nachhaltigkeit. Pascal Sieber, Verwaltungsratspräsident von Dr. Sieber & Partners und Gastgeber des 23. CNO Panels, erklärt im Gespräch, wann das Gegenteil zutrifft und verrät, wie nachhaltig ­hiesige Softwareunternehmen sind.

Pascal Sieber, Verwaltungsratspräsident von Dr. Sieber & Partners. (Source: zVg)
Pascal Sieber, Verwaltungsratspräsident von Dr. Sieber & Partners. (Source: zVg)

Dieses Jahr geht es am CNO Panel um Nachhaltigkeit. Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit?

Pascal Sieber: Wir gehen auf die soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit ein. Die Digitalisierung ist im Grunde in allen drei Aspekten eine Chance, die sich nicht von allein realisiert. Tut man nichts dafür, kann sich die Digitalisierung auch negativ auf die Nachhaltigkeit auswirken. Beispielsweise kann die Anzahl Reisen durch Videokonferenzen reduziert werden, weil aber durch die vereinfachten Kommunikationswege die Globalisierung zunimmt, steigt die Anzahl der Reisen wieder. Dank automatischer Übersetzungen und Sprachausgaben können Nutzungsbarrieren abgebaut werden, was die soziale Nachhaltigkeit stärkt, andererseits bauen wir neue Barrieren auf, weil man sich beispielsweise ohne Smartphone bald nicht mehr durch den Alltag bewegen kann.  

Wie weit ist die hiesige IT-Industrie bezüglich Nachhaltigkeit?

Das Thema steht im Fokus des diesjährigen Swiss Software Industry Survey (SSIS). Die Resultate werden wir am CNO Panel erstmals präsentieren. Ich darf so viel verraten: Die Nachhaltigkeit ist für Softwareunternehmen definitiv ein wichtiges Thema und viele Unternehmen setzen sich mit der Thematik auseinander. Insbesondere in die strategischen Überlegungen wird Nachhaltigkeit bereits heute einbezogen. Softwareunternehmen setzen auch bereits viele Praktiken um, die mit Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht werden, etwa Reusability, Standardisierung oder Automatisierung.

Wo besteht Verbesserungsbedarf?

Luft nach oben gibt es insbesondere, wenn es um die ökologische und soziale Nachhaltigkeit in der Softwareentwicklung geht. Auch die Wartung und die Nachvollziehbarkeit sollten noch verbessert werden. Gefordert sind auch die Kunden und der Gesetzgeber. Nur wenige Unternehmen verspüren von diesen Parteien Druck und werden für ihre Aktivitäten im Bereich der Nachhaltigkeit belohnt.

In letzter Zeit positionieren sich viele Unternehmen im Bereich nachhaltiger Digitalisierung.  Wie viel davon ist Ihrer Meinung nach Green Washing?

Es ist oft Unkenntnis, manchmal Unbeholfenheit, die zu oberflächlicher Umsetzung führen. Der Begriff «Green Washing» suggeriert eine Absicht, die ich in meiner Praxis nicht erlebe. Viele Firmen und auch andere Organisationen sind in Strukturen «gefangen», die der Nachhaltigkeit entgegenwirken. Es werden etwa unnötig komplexe Infrastrukturen aufgebaut, die unnötig viel Energie verbrauchen, weil dadurch vermeintlich der Schutz vor Datenmissbrauch gesteigert werden kann. Ebenso gibt es zwar viele Tools, die helfen, Daten und Dateien zu kreieren und zu versionieren. Dagegen gibt es keine einfach nutzbaren Tools, um Datenredundanzen abzubauen und unnötige Daten und Dateien zu löschen. Dies führt zu einer Verschwendung von Ressourcen. 

Ist KI für Nachhaltigkeit ein Enabler oder ein Hindernis?

Unter künstlicher Intelligenz verstehe ich Systeme, die Probleme mit Hilfe von selbstlernenden Algorithmen lösen. Wenn diese Art von KI nur dort eingesetzt wird, wo es mit anderen Verfahren (z.B. regelbasierten Systemen) viel mehr Ressourcen benötigen würde, dann ist KI eine Chance für die ökologische Nachhaltigkeit. Ob das in der Praxis so gehandhabt wird, wage ich aber zu bezweifeln. Somit wird es auch gegenläufige Effekte geben. In Bezug auf die soziale Nachhaltigkeit ist diese Frage meines Erachtens noch viel schwieriger zu beantworten. KI wird heute z.B. eingesetzt, um die Menschen zu ausgiebigeren Mediennutzung und stark vereinfachtem Einkaufen zu (ver)führen. Beides hat nachweislich negative Auswirkungen auf die soziale Nachhaltigkeit. Menschen können dadurch krank werden. Da dies langfristig aber nicht im Interesse der Anbieter liegen kann, werden sich auch dazu gegenläufige Tendenzen einstellen. Insgesamt lautet die Antwort also: Es kommt darauf an.

Was wünschen Sie sich für Teilnehmende des diesjährigen CNO Panels?

Das diesjährige CNO Panel ist geprägt von kurzen Inputs und Gedanken von sechs faszinierenden Persönlichkeiten. Damit wollen wir der Vielfalt und Ambivalenz des Themas Ausdruck verleihen; und ich wünsche den Gästen, dass sich jeder und jede durch den einen oder anderen Gedanken inspirieren lässt, um wichtige Schritte zu einer noch nachhaltigeren digitalen Transformation zu unternehmen.
 

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