Editorial

Abgehängt bei 40 kbit/s

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Christoph Grau, stellvertretender Chefredaktor, Netzwoche. (Source: Netzmedien)
Christoph Grau, stellvertretender Chefredaktor, Netzwoche. (Source: Netzmedien)

Wie sich das Leben in einer digital abgehängten Region anfühlt, das konnte ich Ende Februar erfahren. Ich war bei meinen Eltern in Mecklenburg zu Besuch. Mein Heimatdorf hat rund 500 Einwohner und zählt zu den grösseren Siedlungen in einer sehr ländlich geprägten Region im nordostdeutschen Tiefland.

Meine Eltern sind Kunden der Deutschen Telekom und haben aus­ser einer Telefon-Flatrate auch noch 50 Mbit/s Internet im Paket. Dafür zahlen sie im Monat rund 40 Euro. Das hört sich zunächst ganz gut an, aber bei der Internetgeschwindigkeit kann der ehemalige Staatskonzern Telekom sein Angebot bei Weitem nicht einhalten. Schon seit Jahren ist das Dorf von der digitalen Entwicklung des ­Internets abgehängt. Nach dem ISDN-Zeitalter blieb die Internet­geschwindigkeit bei rund 40 kbit/s stecken. In der Schweiz ist das kaum noch vorstellbar. Der Aufbau der einfachsten Websites dauert bei der Geschwindigkeit teilweise Minuten. Auch Videos auf Youtube lassen sich praktisch nicht ansehen. Zumindest Voice over IP, etwa mittels Skype oder Whatsapp, funktioniert flüssig.

Für Unternehmen ist die Situation noch viel schlimmer. Alle, die auf eine schnelle Internetleitung angewiesen sind, sind verloren, wenn sie ihren Firmensitz dort auf dem Land haben. Ich versuchte etwa vergeblich, von zuhause aus über unser Redaktionssystem an der Produktion dieser Ausgabe mitzuarbeiten. Bei der langsamen Internetgeschwindigkeit war es nahezu unmöglich, die normalen Arbeitsschritte durchzuführen. Worauf ich sonst höchstens 10 Sekunden warten muss, dauerte mehrere Minuten. Produktives Arbeiten? Fehlanzeige.

Meiner Ansicht nach hat es die Politik verschlafen, der Deutschen Telekom einen ähnlichen Grundversorgungsauftrag aufzuerlegen, wie es Swisscom für die Schweiz als Grundversorgungskonzessionär hat. Die Eidgenössische Kommunikationskommission (Comcom) hat dieses Jahr die Mindestanforderungen für Internet auf 3000 kbit/s angehoben – und dies gilt auch für abgelegene Orte.

Das sind geradezu paradiesische Zustände, im Vergleich zu vielen ländlichen Regionen in Deutschland. Daher, Chapeau Schweiz! Hier wurde vieles richtig gemacht – und Deutschland könnte noch viel ­davon lernen!

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