S wie Skeuomorphismus
Theorie: Es gibt Wörter, die faszinieren schon ihres sibyllinischen Klangs wegen – eines davon ist Skeuomorphismus. Dabei steht das Wort für ein Konzept, das jeder kennt und das viel mit Nostalgie gemein hat. Das geht so: Man gestaltet neue Dinge so, dass sie aussehen wie alte und nimmt ihnen damit den Schrecken des Unbekannten. In der Ergonomie bedient man sich dieses Tricks, um den Menschen die Bedienung von Software oder Websites zu erleichtern.
Realität: Seit etwa Mitte der 1980er-Jahre dürfen wir uns an digitalen GUIs erfreuen, die so tun, als seien sie analog. Liebevoll geformte Knöpfe und Regler hat uns das beschert, alle waren sie dreidimensional und viele gaben vor, aus poliertem Metall zu bestehen. Sogar Formulare erhielten eine räumliche Dimension und sahen teils aus, als seien sie Wachstafeln mit hölzernen Rähmchen darum herum. Besonders eindrücklich sind auch jene Texteditoren, die sich als spiralgebundene Notizblöcke ausgeben und beim Umblättern dezent rascheln.
Das war (und ist) wohl gut gemeint und teilweise auch liebevoll umgesetzt. Genützt hat es allerdings wenig. Wie wir heute wissen, waren die ergonomischen Probleme früherer Bedienkonzepte viel grundsätzlicherer Natur, als dass man sie mit noch so hübsch gestalteten Bedienelementen hätte lösen können. Das hat sich inzwischen herumgesprochen, und deshalb kommen moderne Betriebssysteme seit Windows 8 und iOS 7 wieder ohne pseudoräumlichen Firlefanz aus.
Fazit: Sich an Bekanntem zu orientieren, um den Menschen den Umgang mit Neuem zu erleichtern, ist aus Sicht der Ergonomie keineswegs falsch. Schliesslich gehört es zu ihren wichtigen Grundsätzen, dass sich Bedienkonzepte auch an den Erwartungen der Nutzer orientieren sollen. Aber das lässt sich mit ein bisschen 3-D auf dem Bildschirm alleine nicht erreichen. Gescheiter wäre, die Nutzer beim Entwickeln stärker einzubinden und zu testen, testen, testen, bevor man sein Produkt in die freie Wildbahn entlässt.