Freie Fahrt dank ICT
Wie könnte der Verkehr der Zukunft mit Hilfe der ICT in der Schweiz aussehen? Was sollte der Staat hierfür tun und wovon sollte er besser die Finger lassen? Darüber haben Vertreter aus Wirtschaft und Politik in Bern diskutiert.
Tesla, Uber oder das Google-Auto: Neue Player mischen derzeit die Automobil- und Verkehrsbranche auf. Die Revolution der Mobilität mag zwar aktuell in Kalifornien stattfinden und in Deutschland verschlafen werden. Dennoch dürften die Entwicklungen in der Mobiltät auch für die Schweiz gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen haben. Zeit also, die Weichen zu stellen.
In Bern haben sich deshalb Vertreter der Branchenverbände Asut und die Verkehrstelematik-Plattform (ITS-CH) getroffen und über die Zukunft des Verkehrs in der Schweiz diskutiert. "ICT hat ein enormes Potenzial für die Zukunft des Strassenverkehrs", sagte Peter Grütter, Präsident des Telekommunikationsverbands Asut, in seiner Eröffnungsrede im Kursaal.
Die Art und Weise, wie sich Schweizer Bürger in einigen Jahren fortbewegen werden, hängt auch von der Weichenstellung der Politik ab. Jürg Röthlisberger vom Bundesamt für Strassen (Astra) betonte in seiner Rede, dass sich die Schweiz in der Anfangsphase der vernetzten Mobilität befinde. Eine Entwicklung, die nicht aufzuhalten sei. Dies scheint man in der Politik erkannt zu haben. Das Astra habe den Freiraum erhalten, um die Zukunft des Schweizer Verkehrs zu gestalten, sehr zur Freude von Röthlisberger: "Danke an Frau Bundesrätin Leuthard, dass das Astra nicht nur vorwärts gehen darf, sondern muss." Er prophezeite, dass kein Stein auf dem anderen bleiben und manche Veränderung auch weh tun werde. Am stärksten würden die Änderungen den Strassenverkehr treffen. Die heutige Trennung zwischen privatem und öffentlichem Verkehr werde verschwinden.
Für den Amtsvorsteher des Astra können die Konzepte der selbstfahrenden Autos nur dann aufgehen, wenn die Fahrzeuge miteinander kommunizieren können. Hierfür würden Smartphones wichtig, sagte Röthlisberger und spannte damit den Bogen zur ICT. Bei den autonomen Fahrzeugen fielen Daten an, die heute noch in Silos vorgehalten werden. Morgen liessen sich die Daten gemeinsam nutzen. Für die Zukunft des Verkehrs sei aber auch die Industrie gefragt. Es brauche Investitionen in geeignetes Personal, Forschung und Infrastruktur. "Das kann Industrie besser als die Verwaltung", sagte Röthlisberger.
Bürger werden nicht mehr alles bezahlen
Die staatliche Situation beleuchtete Matthias Michel, Volkwirtschaftsdirektor des Kantons Zug. Seit den 1950er Jahren habe sich der Verkehr auf den Strassen verzehnfacht und der ÖV verdoppelt. In den kommenden Jahren werde der Verkehr um 20 bis 30 Prozent wachsen. Verkehr kostet. Das Problem hierbei sei, dass die weniger immer weniger bereit seien diese Investitionen zu unterstützen. Michel stützte seine These auf ein aktuelles Beispiel aus seinem Kanton, wo die Bürger der Stadt Zug ein Tunnelprojekt für 890 Millionen Franken klar ablehnten. Der Volkswirtschaftsdirektor zog den Schluss: "Die Bürgerlichen wollen freie Fahrt, aber sie ist ihnen keine 900 Millionen Franken wert." Ausserdem würden Infrastrukturen vor allem wegen der Belastungsspitzen gebaut. Die Lösung müsse daher sein, intelligenter mit dem Verkehrswachstum umzugehen.
Statt nur zu mäkeln und Forderungen an Wirtschaft und Politik zu stellen, lieferte Michel mehrere Lösungsvorschläge. Zum Beispiel könnte bei Staus die Gegenrichtung genutzt werden. So liesse sich die Kapazität rasch steigern. Im Kanton Zug gebe es bereits eine elektronische Busspur. Während des morgendlichen Staus wird der Gegenverkehr über Lichtsignale für die Überholmanöver des Busses gestoppt. So kann der Bus den Stau überholen und seine Fahrzeiten einhalten.
Industrie ist gefordert
Der Staat solle sich darauf konzentrieren, die Hürden für die Entwicklung von ICT-Lösungen im Verkehr abzubauen. So wird beispielsweise der Traum vom automatisierten Fahren nur dann möglich sein, "wenn der Gesetzgeber auch erlaubt, im Auto etwas anderes zu tun, als am Lenkrad zu sitzen", wie Rinspeed CEO Frank Rinderknecht anmerkte. Um die Regeln aufzubrechen, müsse die Industrie daher Druck machen, empfahl Michel. In Genf habe das bereits funktioniert. Dort habe die Regierung auf Druck von Uber nachgegeben und die Regeln des Taxigeschäfts gelockert.