Swiss Fintech Day 2017

Schneider-Ammann auf Tuchfühlung mit Fintech-Szene

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In Schlieren hat der zweite Swiss Fintech Day stattgefunden. Stargast war Bundesrat Johann Schneider-Ammann. Er sieht in der Digitalisierung eine riesige Chance für die Schweiz - aber nur dann, wenn sie ihre Vollbeschäftigung aufrechterhalten kann.

Bundesrat Johann Schneider-Ammann im Gespräch mit Christina Kehl, Geschäftsführerin von Swiss Finance Startups (Source: Swiss Finance Startups)
Bundesrat Johann Schneider-Ammann im Gespräch mit Christina Kehl, Geschäftsführerin von Swiss Finance Startups (Source: Swiss Finance Startups)

Swiss Finance Startups (SFS) hat den zweiten Swiss Fintech Day veranstaltet. Er lockte über 200 Gäste in den "Startup Space" nach Schlieren. Durch den Tag moderierte Manuel Nappo, Leiter der Fachstelle Social Media an der HWZ.

Hoher Besuch aus Bern

Stargast war Bundesrat Johann Schneider-Ammann. Er traf sich bereits vor dem offiziellen Programm mit Start-ups und Innovatoren. Dabei testete er laut Mitteilung der Veranstalter unter anderem einen Bitcoin-Bankomaten und die Bezahl-App Twint. Er sei zudem per Virtual-Reality-Brille durch die Anlagen des Start-ups Climeworks gelaufen, das CO2 aus der Atmosphäre filtern und so Energiequellen gewinnen will.

"Die Digitalisierung ist für die Schweiz eine riesige Chance", sagte Schneider-Ammann, der sehr bodenständig auftrat und die Gäste mehrmals laut zum Lachen brachte. "Aber die Digitalisierung stellt Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft auch vor neue Herausforderungen." Es sei die Aufgabe der Politik, gute Rahmenbedingungen zu schaffen, dass sich Start-ups in der Schweiz positiv entwickeln können. So werde die Schweiz ein Innovationsmotor bleiben.

Loanboox erhofft sich mehr Start-up-Förderung

Bevor Schneider-Ammann am Event auftrat, durften drei Start-ups in Kurzreferaten ihre Wünsche an den Bundesrat formulieren. Zuerst trat Loanboox-CEO Stefan Mühlemann auf die Bühne. Das Jungunternehmen startete Ende 2016 eine Onlineplattform für die Vermittlung von Fremdkapital, für Kantone, Gemeinden, Banken und institutionelle Kapitalgeber. Es gebe bereits 120 Kapitalgeber auf der Plattform, 30 davon seien Banken, sagte Mühlemann.

Mühlemann forderte Schneider-Ammann dazu auf, sich für eine stärkere Förderung von Start-ups in der Schweiz einzusetzen. Die Regulierung dürfe keine Bankenabschottung sein, sagte der Loanboox-CEO.

Lykke fordert mehr Experimente

Das zweite Start-up auf der Bühne war Lykke. Das Unternehmen aus Baar startete einen Onlinemarktplatz, der auf der Blockchain-Technologie basiert. Er soll den Handel mit Währungen oder Bitcoins – und irgendwann vielleicht auch Aktien – stark vereinfachen. Selbstverständlich ohne die Hilfe von Intermediären wie Banken.

CEO Richard Olsen bezeichnete die Blockchain in seinem Vortrag als globales Internet-Notariat. Sie könne jeden Asset und jeden vertraglichen Anspruch verbriefen. Das sei eine riesige Chance. Olsen forderte den Bundesrat dazu auf, mehr kleine Pilotprojekte zu starten. "Einige davon werden vielleicht ein Flop. Aber die Leute, die daran arbeiten, werden unwahrscheinlich viel lernen."

Handeln statt reden sei nun die Devise, sagte Olsen.

Contovista will stärkeres Ökosystem

Das dritte Start-up war Contovista. Es entwickelt E-Banking-Lösungen auf Basis von Data Analytics. Kunden sind mehrere Schweizer Banken. Das Unternehmen kooperiert ausserdem mit dem Lenzburger Unternehmen Finnova und der Softwarefirma Netcetera. Contovista zeigte dem Bundesrat auf, wie Kooperationen von Start-ups mit den etablierten Grössen der Branche funktionieren können.

Auf der Bühne standen Roland Zwyssig, CMO der Aduno-Gruppe, und Contovista-CEO Gian Reto à Porta. Sie zeigten dem Publikum auf, wie es zur Mehrheitsbeteiligung von Aduno an Contovista kam. Beide forderten Schneider-Ammann dazu auf, sich für eine stärkere Förderung des Fintech-Ökosystems in der Schweiz einzusetzen.

Schneider-Ammanns Start-up-Erfahrung

Schneider-Ammann reagierte offen auf die Forderungen. "Wir verstehen, dass es eine neue Welt gibt", sagte er. Die Digitalisierung schreite rasend voran – auch in der Finech-Szene. Er selbst habe vor ein paar Monaten noch nicht einmal gewusst, dass es in der Schweiz ein Crypto Valley gebe. Darauf könne Zug stolz sein. "Wir müssen jetzt aktiv werden und nicht erst, wenn es zu spät ist", sagte er.

"Ich habe auch Start-up-Erfahrung. Leider nicht in der Schweiz, sondern in Kalifornien", sagte der Bundesrat. "Ich habe da mal eine Bilanz deponiert. Wer das macht, ist in der Community in Kalifornien angekommen", scherzte der gut gelaunte Bundesrat. Die Schweiz könne von der Mentalität der Start-up-Gründer in den USA lernen. "Es muss auch bei uns eine Kultur entstehen, in der man Fehler machen darf."

Digitalisierung? Ja, aber nur mit Vollbeschäftigung

Wichtig sei, dass die Schweiz ihre Vollbeschäftigung aufrecht erhalten könne. "Dann haben wir unsere Hausaufgaben gemacht." Es dürfe nicht passieren, dass wenige von der Digitalisierung profitieren und der Rest nicht. Dann könne es soziale Probleme geben, Banlieues, Krawalle. Das müsse die Schweiz auf jeden Fall verhindern.

"Es dürfen keine Ängste aufkommen", sagte Schneider-Ammann. Die Schweiz müsse bereit sein, Risiken einzugehen. Auf mögliche Steueroptimierungen für Start-ups angesprochen, sagte der Bundesrat: "Vielleicht kann ich übermorgen noch intervenieren und einen entsprechenden Vermerk in die geplante Steuerreform aufnehmen." Was er damit genau meinte, blieb allerdings unklar.

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