Wie die Stadt Zürich heute die Zusatzleistungen abwickelt
Mit der Fachanwendung ZLPro bewirtschaften rund 140 Mitarbeitende des Amts für Zusatzleistungen der Stadt Zürich die Berechnung und Auszahlung von Zusatzleistungen zu den AHV-/IV-Renten. Die Entwicklung dieser Lösung hat rund drei Jahre gedauert und 16 Millionen Franken gekostet. OIZ-Direktor Andreas Németh erklärt die wichtigsten Erfolgsfaktoren und die Marschrichtung der IT in der Zürcher Stadtverwaltung.
Warum investiert die Stadt Zürich so viel Zeit und Geld in die Entwicklung einer Software?
Andreas Németh: Diese Frage ist natürlich berechtigt. Man muss allerdings das Gesamtbild sehen. Bisher wurden die Zusatzleistungen zur AHV/IV mit der Anwendung ZUSO abgewickelt, die auf der AS/400-Plattform lief. Als es beim Bund eine Gesetzesänderung gab, hätte das grössere Anpassungen nach sich gezogen und auch beträchtliche Kosten verursacht. Zumal sich die AS/400-Plattform bei uns aber sowieso in Ablösung befindet, mussten wir eine nachhaltigere Lösung suchen.
Warum haben Sie nicht einfach eine Software eingekauft?
Das ist natürlich immer unser erster Gedanke. Wenn es irgendwie möglich ist, machen wir das auch. Allerdings ist die Berechnung und Auszahlung von Zusatzleistungen eine sehr spezielle Anwendung, für die es keinen grossen Markt oder viele Anbieter gibt. Nach einer gründlichen Prüfung der wenigen verfügbaren Optionen haben wir uns deshalb dazu entschieden, eine auf unsere spezifischen Bedürfnisse massgeschneiderte Lösung selbst zu entwickeln.
Worum geht es bei den Zusatzleistungen überhaupt?
Viele ältere Menschen kommen mit ihrer Rente nicht über die Runden. Vor allem bei einem Heimeintritt gibt es oft finanzielle Engpässe. Für solche Fälle sieht die Bundesverfassung «existenzsichernde Ergänzungsleistungen» zu den normalen AHV- und IV-Renten vor. Der Kanton und die Stadt Zürich richten zusätzlich noch weitere Leistungen für die Bezüger von Ergänzungsleistungen aus. Die Gesamtheit dieser Leistungen wird als Zusatzleistungen zur AHV/IV bezeichnet. Allein in der Stadt Zürich werden davon jedes Jahr über 520 Millionen Franken ausbezahlt. Bei solchen Beträgen ist es essenziell, dass keine Fehler passieren. Und weil die Versicherten auf die Leistungen angewiesen sind, muss auch die Auszahlung reibungslos ablaufen.
Wie berechnen sich diese Leistungen?
Man kann sich das vorstellen wie eine umgekehrte Steuererklärung. Das Einkommen und das Vermögen fliessen in die Berechnung ein. Dann wird die Differenz zu einem bestimmten Mindestbetrag als Ergänzungsleistung festgelegt und monatlich ausbezahlt. In der Praxis besteht die Schwierigkeit darin, dass sich die Vermögensverhältnisse der Versicherten häufig ändern – etwa im Fall einer Erbschaft. Für jede Periode mit gleichbleibenden Rahmenbedingungen müssen dann aber auch die Zusatzleistungen neu berechnet werden.
Wie gingen Sie im Projekt ZLPro konkret vor?
In einer ersten Phase haben wir die Berechnungs-Engine konzipiert und alle relevanten Daten migriert. Die Engine ist so aufgebaut, dass spätere Gesetzesänderungen etwa im Bundesgesetz für Ergänzungsleistungen ohne grössere Anpassungen abgebildet werden können. In einer zweiten Phase wurden alle Teilprojekte umgesetzt und mit der Einführung begonnen. Seit einem Monat läuft die Lösung in Winterthur. Die Einführung in der Stadt Zürich ist für Oktober geplant.
Wodurch zeichnet sich ZLPro aus?
Wir verfügen damit über eine Lösung, die auf zukunftsfähigen Technologien wie Java basiert. Ein Highlight ist die Berechnungs-Engine. Sie erlaubt nicht nur eine Fülle von Berechnungen, sondern ist gleichzeitig auch hochgradig parametrisierbar und optimal in die durch die OIZ bereitgestellte Infrastruktur integriert. Wir haben für ZLPro auch umfassende Metriken und Kontrollinstrumente entwickelt. Damit setzen wir neue Massstäbe bezüglich der Qualitätssicherung und Integritätsprüfung in einem verteilten System.
Und was haben die Mitarbeitenden von der neuen Lösung?
ZLPro bildet die komplexe Fachmaterie auf einer logisch strukturierten und intuitiv zu bedienenden Benutzeroberfläche ab. Für die rund 140 Mitarbeitenden, die täglich damit arbeiten, stellt dies eine spürbare Verbesserung dar. Sie werden über den gesamten Prozess der Fallverwaltung optimal unterstützt. Die Definition der verschiedenen Anspruchsperioden ist viel einfacher geworden. Früher erfolgte dieser Schritt manuell. Heute werden die entsprechenden Zeitabschnitte automatisch vom System bestimmt und am Bildschirm visualisiert. Die Mitarbeitenden haben jetzt einen viel besseren Überblick über die Fälle.
Wie funktionierte hier die Rollenverteilung zwischen den Projektpartnern?
Das OIZ ist der IT-Dienstleister für die Stadtverwaltung. Die Dienstabteilungen sind die Benutzer der Fachanwendungen und verfügen über das nötige Branchenwissen. Sie definieren, was sie brauchen. Unsere Aufgabe ist es, ihre Anforderungen mit einer funktionierenden IT-Lösung abzubilden. Neben der OIZ und dem Amt für Zusatzleistungen stellte das Zürcher IT-Unternehmen Emineo, das über eine Ausschreibung zum Projekt stiess, das dritte grosse Team. In Spitzenzeiten haben bis zu 50 Personen gleichzeitig an ZLPro gearbeitet.
Was waren die wichtigsten Erfolgsfaktoren?
Zuallererst muss man die richtigen Leute im Boot haben. Wir konnten uns sowohl bei der OIZ, beim Amt für Zusatzleistungen als auch bei den Lieferanten auf die besten Leute verlassen. Ein zentraler Erfolgsfaktor war aber auch das Projektmanagement. Ganz wichtig sind zudem die permanente Qualitätssicherung, ein regelmässiges Controlling und ein Frühwarnsystem. Nur damit kann man Stolpersteine rechtzeitig erkennen und sicherstellen, dass es später im Projektverlauf nicht zu Verzögerungen oder Qualitätseinbussen kommt.
Gab es denn solche Stolpersteine?
Bei der Entwicklung der grafischen Benutzeroberfläche war es zentral, die Mitarbeitenden so früh wie möglich in den Prozess einzubinden. Der Wechsel von einer AS/400-Oberfläche zu einem modernen GUI ist nicht einfach. Ich bin aber überzeugt, dass sich unsere Investitionen in die Usability gelohnt haben. Die Rückmeldungen nach den ersten Mitarbeiterschulungen sind äusserst positiv.
Sie sind jetzt seit April der neue Direktor bei der OIZ. Wo wollen Sie in den kommenden Jahren Schwerpunkte setzen?
Im letzten Jahr haben wir unsere IT-Strategie überarbeitet und sechs Schwerpunkte definiert. Es sind Digitalisierung, E-Government, Arbeitsplatz der Zukunft, Cloud, Security und Energieeffizienz. Grundsätzlich will ich die Beratungskompetenz in der OIZ weiter stärken. Wir müssen den Dienstabteilungen noch besser aufzeigen, wie sie die Vorteile der Digitalisierung für sich nutzen können. Ich sehe die OIZ als Spinne im Netz. Bei uns laufen die Fäden zusammen – und unsere Aufgabe ist es, die digitale Transformation der Stadtverwaltung zu begleiten und aktiv mitzugestalten.
Was werden die Bürgerinnen und Bürger davon merken?
Wir arbeiten derzeit intensiv daran, alle möglichen Behörden-Dienstleistungen unter «Mein Konto» zusammenzuführen. Nach einer einmaligen Anmeldung lassen sich dort die vielen verschiedenen Online-Services der Stadt nutzen. Der Trend hin zum E-Government ist ungebrochen. Wenn man eine Aufgabe online erledigen kann, spart man sich den Gang ins Kreisbüro oder auf das Amt.