Open Source Summit in Prag

Wer bei Open Source nicht mitmacht, verpasst die digitale Transformation

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von Sandro Köchli, Mitgründer und Verwaltungsrat des IT-Dienstleisters Adfinis Sygroup

Offene Technologien sind aus der Enterprise-IT nicht mehr wegzudenken. Für die Redaktion war das Grund genug, mit Sandro Köchli einen Experten an den Open Source Summit nach Prag zu schicken. Der Mitgründer und Verwaltungsrat des IT-Dienstleisters Adfinis Sygroup sagt: Wer bei Open Source nicht mitmacht, verpasst die digitale Transformation.

Der Open Source Summit der Linux Foundation gilt als eine der wichtigsten Veranstaltungen der Open-Source-Community. Über die Jahre ist sie stark gewachsen und in verschiedene Interessengebiete aufgeteilt worden. Die interessantesten davon sind LinuxCon, ContainerCon und CloudOpen. Alle finden parallel zur gleichen Zeit und am gleichen Ort statt.

Wie viele andere steht auch dieser Event ganz klar im Zeichen der digitalen Transformation. Im Vergleich zu diversen Veranstaltungen von Softwareherstellern sind die allgegenwärtigen Marketing-Buzzwords am Summit der Linux Foundation jedoch nicht anzutreffen. Hier beschäftigt sich noch mindestens jeder zweite Vortrag mit genau den Technologien, die für die digitale Transformation und die moderne IT relevant sind.

Wie Google Kubernetes der Community übergab

Die Hauptthemen sind Automatisierung und Orchestrierung. Und damit verbunden natürlich auch die Cloud. Das grösste Momentum hat zurzeit eine Lösung Namens Kubernetes. Kubernetes ist eine Container-Orchestrierung, die sich im Laufe der letzten zwei Jahre zum Quasi-Standard gemausert hat. In der Open-Source-Welt kristallisieren sich oft einzelne Lösung als Standard heraus. Meistens ausschliesslich basierend auf Nutzerzahlen und der Grösse der Community, die mitentwickelt. Zur Community zählen auch grosse Open-Source-Firmen wie Red Hat oder Suse.

Entstanden ist Kubernetes als Container-Orchestrierung für Google. Unter dem internen Namem "borg" ist sie dort seit Jahren im Einsatz. Es handelt sich also um keine neue Technologie, sondern um eine millionenfach bewährte. An einem gewissen Punkt entschied Google, die Lösung der Öffentlichkeit, also der Community, unter dem Namen "Kubernetes" zur Verfügung zu stellen. Die Übergabe wurde sehr sauber und detailliert geplant, wie Sarah Novotny an ihrer Keynote zum Wechsel von "Company Driven" zu "Community Driven" erklärte.

Einer der grössten Unterstützer von Kubernetes ist Microsoft. Das Unternehmen finanziert heute einige sehr wichtige Leute in der Kubernetes-Community. Vor ein paar Jahren war das noch undenkbar. Microsoft-Mitarbeiter hielten am Summit in Prag rund ein Drittel aller Vorträge zu Kubernetes. Obwohl Red Hat, das grösste Open-Source-Unternehmen der Welt, Kubernetes im strategisch wichtigen OpenShift einsetzt. Und Suse mit der hauseigenen CaaS-Plattform ebenfalls ein Kubernetes-Produkt anbietet.

Die Bezeichnung Microsoft-Mitarbeiter mag in diesem Zusammenhang irreführend sein. Diese Personen sind zwar bei Microsoft angestellt und erhalten auch von Microsoft ihr Einkommen. Unabhängig davon sind sie aber Open-Source-Entwickler wie jene bei Red Hat.

Die Übergänge sind inzwischen sowieso fliessend. Man spricht von DevOps Engineers oder auch Automation Engineers. Die Plattformen und Workflows verschmelzen. Der Quellcode von Kubernetes wird zum Beispiel auf Github gepflegt – und Github selbst betreibt sein Angebot auf Kubernetes.

Der neue Stern am Himmel – Cloud Native Computing Foundation

Spannend ist auch die Tatsache, dass die vor zwei Jahren rund um Kubernetes neu gegründete Cloud Native Computing Foundation inzwischen massiv gewachsen ist. Die Stiftung ist heute das Zuhause einer ganzen Reihe wichtiger Projekte. Jedes einzelne davon ist ein Treiber der digitalen Transformation.

Doch die digitale Transformation setzt weit mehr voraus als Kubernetes. Es kommt eine ganze Kette von neuen Werkzeugen zum Einsatz. Entwickler und Operations-Team arbeiten Hand in Hand. Applikationen werden von Beginn an als "Cloud Native Applications" entwickelt. Man setzt auf die MicroService-Architekturen, die in der Regel auf Docker basieren, und baut eine Continuous Deployment Pipeline. Die Workloads landen letztlich auf einer Container-Orchestrierung, meistens auf Kubernetes. Diese wiederum kann in der Cloud sein oder "on prem", je nach Präferenz und Anwendungsfall.

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass Microsoft auf Azure eine ganze Reihe Services rund um das Thema und auf Basis von Kubernetes anbieten. Der strategische Fokus von Microsoft auf genau diese Dienste ist unverkennbar. Sie zielen wie auch die ganze Industrie darauf ab, dass künftig alle Applikationen in Containern verpackt und auf einer Orchestrierung ausgerollt werden.

Von Mitchell Hashimoto bis zu Linus Tovalds

Neben spannenden Vorträgen mit kreativen Titeln wie "Dude, Where's My Microservice?" gab es eine Reihe von guten Keynote Talks. Zwei davon sind besonders erwähnenswert. Derjenige von Mitchel Hashimoto, einer Ikone der Open-Source-Welt. Und der Auftritt von Linux-Initiator Linus Torvalds.

Hashimoto entwickelt mit seiner Firma Hashicorp diverse enorm beliebte Lösungen. Dazu zählen unter anderem vagrant, vault und consul. Er zeigte in seinem Vortrag auf, nach welchen Prinzipien Hashicorp Software entwickelt und wieso diese Tools so erfolgreich sind. In erster Linie geht es um Workflows. Wie fühlt sich das Werkzeug an? Würde man das gerne jeden Tag benutzen? Um das herauszufinden, wird vorerst ein reiner Dummy erstellt, der im Prinzip nichts macht, aber den Workflow abbildet. Fühlt es sich gut an, wird darauf basierend die Entwicklung gestartet.

Er schilderte ausserdem, wie er seine Programmier-Karriere gestartet hatte – im zarten Alter von 10 Jahren. Internet gab es damals noch keines, weshalb er sich damit begnügen musste, in der Bibliothek Bücher über das Programmieren zu lesen. Weil er diese nicht ausleihen durfte, las er jeweils 5 Seiten so oft, bis er sich die Quellcode-Beispiele merken und später zu Hause ausprobieren konnte. Das ist selbstverständlich keine sehr effiziente Methode, um Programmieren zu lernen. Bei Hashimoto funktionierte sie aber offensichtlich hervorragend.

Ein weiteres überaus unterhaltsames Gespräch fand zwischen Linus Torvalds und Dirk Hohndel statt. Torvalds erklärte gleich zu Beginn, dass er äusserst ungern auf Bühnen stehe und deshalb auch keine Vorträge halte. Ein offenes Gespräch, für das er nichts vorzubereiten brauche und nicht mal die Fragen kenne, sei alles, was man von ihm erwarten könne.

Die beiden sprachen über verschiedene Themen rund um den Linux-Kernel. Es ging unter anderem um die Tatsache, dass die Kernel-Maintainer immer älter würden und eine Nachfolgeregelung notwendig sei. Torvalds ist der Überzeugung, dass sich das von alleine ergeben wird. Als Kernel-Maintainer werde man nicht von einem Komitee ernannt, sondern man mache halt die Arbeit und auf einmal sei man es dann einfach. Die Kernel-Maintainer gehören zu den wenigen Leuten, von denen Torvalds direkt Patches (Source-Code-Anpassungen) akzeptiert.

Eine der Fragen zielte auf das nächste grössere Release ab, die Kernel Version 5. Torvalds erklärte, dass die Versionsnummern keinerlei Bedeutung hätten. Er definiere diese nach Lust und Laune. Einen Versionssprung von 4 zu 5 sei beim Linux-Kernel keinesfalls gleichbedeutend mit einer Menge neuer Funktionen oder einer grösseren Überarbeitung. So ein Versionssprung bedeute schlicht und einfach gar nichts. Dirk Hohndel schlug ihm vor, die 5 doch einfach zu überspringen und gleich zur 6 zu wechseln, um damit die Leute ein wenig zu verwirren. Torvalds fand die Idee ausgezeichnet, was er aber wohl eher als Scherz meinte.

Wer nicht mitmacht, bleibt auf der Strecke

Dieser Summit zeigt einmal mehr: Wer sich Open Source entzieht, verpasst gleichzeitig auch die digitale Transformation. Das kann sich auf Dauer kein Unternehmen leisten.

Bereits heute gibt es Softwarehersteller, die ihre Produkt nur noch in Containern ausliefern oder für traditionelle Deployments einen Aufpreis kalkulieren. Einheitliche Deployment-Strukturen ermöglichen extrem hohe Zuverlässigkeit und wenig Probleme im Betrieb. Durch die Container-Orchestrierungen haben Entwickler, Tester und Endkunden exakt die gleiche Basis. Software wird nicht mehr installiert, sondern als unveränderbarer Container ausgerollt, auf einem einheitlichen Abstraktionslayer. Ein Update ersetzt einfach den bestehen Container beziehungsweise eine bestehende Gruppe von Containern.

Das Konzept ist denkbar einfach, bedingt aber von allen involvierten Parteien, sich einen neuen Mindset anzupassen. Traditionell denkende IT-Leute haben oft Schwierigkeiten, die neuen Prinzipien zu verstehen und bestehen auf den alten Strukturen. Das mag noch eine Weile funktionieren. Unternehmen geraten aber spätestens dann unter Druck, wenn das Management erkennt, dass man gegenüber der Konkurrenz bei der Transformation der IT im Rückstand ist und bezüglich Produktivität und Entwicklungstempo nicht mehr mithalten kann.

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