Live-Interview

"Der grosse Übergang in die Cloud steht in der Finanzbranche noch aus"

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von Coen Kaat

Nach sieben Jahren war für ihn Schluss: Peter Van Camp legte 2007 sein Amt als CEO von ­Equinix nieder und amtet seitdem als Executive Chairman des US-amerikanischen Rechen­zentrumsbetreibers. Van Camp spricht im Interview über Interconnection, die Bedeutung des Schweizer ­Finanzmarktes für Equinix und warum es ihm nicht genügt, bloss ein Rechenzentrum mit Servern zu füllen.

Peter Van Camp, Executive Chairman, Equinix. (Source: Netzmedien)
Peter Van Camp, Executive Chairman, Equinix. (Source: Netzmedien)

Wie sieht Ihre Strategie für die Schweiz aus?

Peter Van Camp: In der Schweiz fokussieren wir uns auf multinationale Grossunternehmen, die hierzulande Nutzer erreichen wollen. Für diese Unternehmen ist es sehr wichtig, eine Tochter­gesellschaft in der Schweiz aufzubauen. Diese stellen ihre In­frastruktur in die Rechenzentren (RZs) von Equinix und müssen anschliessend wieder mit anderen Metros verbunden werden.

 

Wie steht die Schweiz im internationalen Vergleich da?

Was den Umsatz betrifft, liegt die Schweiz im europäischen Vergleich etwa im Mittelfeld. In London und Frankfurt haben wir sehr starke Finanzmärkte. Amsterdam ist ein digitaler Hub für Europa. In Frankreich sind wir ebenfalls gut aufgestellt. Und darauf folgt die Schweiz. Zudem sind unsere Schweizer RZs sehr stark vernetzt. Das macht sie sehr interessant für Cloud- und SaaS-Anbieter.

 

Ist die Schweiz nur aus geografischer Sicht interessant für Equinix, weil sie mitten in Europa liegt?

Die Geografie ist schon auch ein Grund. Wir haben hier aber auch eine starke, dynamische Wirtschaft, die sich mitten in der digitalen Transformation befindet. Für Equinix ist die Schweiz daher ein Wachstumsmarkt. Es geht aber nicht darum, einfach einen grossen Kunden zu finden, der bloss das RZ füllt. In dem Fall findet keine Interconnection statt. Das ist nur ein ausgelagertes RZ. Eine Insel, sozusagen, weil der Kunde selbst kein RZ bauen möchte. Ich will aber Kunden, die voraussehen und den Mehrwert dieser Interconnection zwischen verschiedenen Unternehmen und Services erkennen.

Sie sprechen von Interconnection. Was genau ­meinen Sie ­damit?

Der Mehrwert unserer Dienstleistung besteht nicht im Housing der Netzwerkkomponenten, sondern darin, dass wir unsere Kunden auch untereinander vernetzen. Wir nennen das Interconnection. Unsere Mission war es schon immer, Ökosysteme zu finden. Also Unternehmen, die davon profitieren, wenn sie in einem Rechenzentrum nebeneinanderstehen und so direkt verbunden sind. Diese Vision hatten schon die beiden Gründer von Equinix.

 

Wie sah diese Vision aus?

Sie wollten die Hubs kreieren, wo sich die Netzwerke treffen. Jede Information, die für ein anderes Netzwerk innerhalb des Internets gedacht war, kann über diese Hubs zu dem anderen Netzwerk überführt werden. Als ein neutrales Unternehmen konnten wir RZs aufbauen, in denen der Datenverkehr aller Netzwerkunternehmen zusammenfliesst. Nur so konnte das Internet wachsen. Da alle Netzwerke bei uns zusammenkamen, wurden wir auch attraktiv für die Endpunkte im Internet: Google und Amazon gehören alle schon seit den ersten Tagen zu unseren Kunden.

 

Was sind die Vorteile von Interconnection für die Kunden?

Geschwindigkeit, Effizienz, aber auch Sicherheit. Wer seine Infrastruktur in einem Equinix-RZ aufbaut, kann etwa eine private Verbindung zu einem Cloud-Dienstleister im selben RZ aufbauen. Oder wenn zwei Unternehmen, die beide bei uns im RZ sind, regelmässig grosse Datenmengen austauschen, ist es sinnvoll, eine Glasfaserleitung durchs RZ zu ziehen. Das ist die sicherste Lösung, die man haben kann, denn diese Leitung kann niemand kompromittieren. Zudem bieten sie die tiefste Latenz, die beste Leistung und den höchsten Datendurchsatz.

 

Wie entwickelt sich das Interconnection-Geschäft derzeit?

Wir verwalten aktuell über 240 000 Interconnection-Verbindungen – bei mehr als 9500 Kunden. Das zeigt, wie vernetzt unsere Kundschaft ist. Sie verbinden sich mit dem Netzwerk, mit Cloud-Anbietern oder mit anderen Unternehmen im Ökosystem. Es wächst also viel schneller als unser Collocation-Geschäft. Insbesondere die Bandbreite wächst exponentiell – deutlich schneller als beim traditionellen Internet. Man sollte beides aber auch nicht zu stark voneinander trennen. Gut 90 Prozent des Internet-Traffics findet bei Equinix statt.

 

Diese privaten Verbindungen zwischen zwei ­Unternehmen klingen jedoch wie etwas Separates. Bauen Sie ein Internet neben dem Internet auf?

Das ist zwar ein netter Gedanke, aber das liegt ausserhalb unserer Möglichkeiten. Interconnection ist nicht losgelöst vom Internet, sondern eine Komponente davon. Ein grosser Teil des Internets besteht aus Interconnection-Traffic, der von einem Netzwerk zum anderen fliesst.

 

Geht damit nicht ein Stück Flexibilität verloren? Was macht ein Unternehmen mit einer privaten ­Verbindung zu einem anderen Unternehmen, wenn diese Verbindung nicht mehr erwünscht ist.

Das ist ganz simpel: Wir schalten die Verbindung einfach ab.

 

Sie sprechen viel über Grossunternehmen …

Im Enterprise-Bereich registrieren wir das deutlichste Wachstum. 40 Prozent der Fortune-500-Unternehmen sind bereits Kunden von Equinix – und es werden immer mehr. Das zeigt, dass Grossunternehmen sich zunehmend für die digitalen Möglichkeiten interessieren. Schon jetzt kommen aber 60 Prozent des Umsatzes von Unternehmen, die in allen drei Regionen weltweit Infrastrukturen in unseren RZs stehen haben: EMEA, Nord- und Südamerika und Asien. In der Regel sind diese Kunden gleich in mehreren RZs in jeder Region. So wollen diese Unternehmen ihre Applikationen so nah wie möglich an den Endkunden bringen.

 

Die Schweiz ist aber ein KMU-Land.

Das Direktgeschäft mit Grosskunden macht zwar einen grossen Teil unseres Geschäfts aus. Wir finden aber auch immer mehr Channelpartner, um das mittlere Segment zu erreichen. Dazu zählen unter anderem Cloud-Anbieter und Systemintegratoren. Microsoft etwa verweist oft seine Kunden an uns, wenn sie Azure nutzen wollen. Allerdings sind Unternehmen in diesem mittleren Segment noch sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, Workloads in die Cloud zu verschieben. Mit der Zeit wird sich aber auch da ein Markt für Equinix etablieren.

 

Wie gehen Sie mit Unternehmen um, die noch kein Vertrauen haben in die Cloud?

Dieses Vertrauen bauen wir oft nicht allein auf, sondern zusammen mit den Cloud-Dienstleistern.

 

Welche Rolle spielt die Cloud in Ihrer Strategie?

Die Kunden profitieren davon, dass wir sie in unseren RZs direkt mit verschiedenen Cloud-Anbietern verknüpfen können. Vielleicht nutzt ein Kunde derzeit AWS für seine Workloads, braucht aber ein bestimmtes Feature eines anderen Anbieters. Kein Problem! Dann installieren wir einfach eine virtuelle Verknüpfung für ihn zu dem anderen Anbieter. Aus meiner Sicht ist die Hybrid-Cloud aber noch immer das bevorzugte Cloud-Modell.

Weshalb?

Auf diese Weise können Kunden ihre Applikationen auf der eigenen Infrastruktur laufen lassen und haben trotzdem die Möglichkeit, auf Wunsch in einer Cloud-Umgebung hineinzuskalieren. Im Equinix-Ökosystem hat man auch gleich den Storage-Anbieter nur eine Interconnection-Verbindung entfernt.

 

Wie wichtig ist der Finanzsektor für Equinix?

Wir haben auf der ganzen Welt einen starken Fokus auf den Finanzmarkt. Ein Grossteil der Börsen weltweit laufen in unseren RZs – auch die Six Swiss Exchange, die Schweizer Wert­papierbörse. Ferner zählen Banken aus dem In- und Ausland zu unseren Kunden. Wir erkannten schon früh, dass sich die Branche hin zu elektronischen Handelssystemen entwickelte. Damit wurde der Sektor für uns zu einem spannenden neuen Markt. Also machten wir zunächst die Trading-Plattformen und durch diese anschliessend auch die Finanzinstitute selbst zu unseren Kunden. So wurde Equinix zu einem Liquiditätszentrum. Jetzt sind wir weltweit in etwa 100 der grössten Finanzmärkte aktiv. Dazu zählen etwa London, New York, Chicago und Tokio. So gesehen fliesst also ein beachtlicher Teil der globalen Wirtschaft durch Equinix.

 

Wie schätzen Sie das Wachstumspotenzial des ­Finanzmarktes ein?

Der grosse Übergang in die Cloud steht in der Branche noch aus. Ich sehe da also noch viel Wachstumspotenzial. Deshalb bauen wir unser RZ in Zürich gerade massiv aus. Wir investieren etwa 50 Millionen Franken, um es zu einem der grössten RZs des Landes zu machen.

 

Hinken Schweizer Banken, wenn es um die Cloud geht, der ausländischen Konkurrenz hinterher?

Ich sehe es eher als ein noch nicht angezapftes Potenzial. Der Markt wird wachsen, wenn das Vertrauen in die Cloud zunimmt. Aus diesem Grund haben wir auch so ein starkes Team um Roger Semprini, dem Managing Director von Equinix Schweiz. Er wird den Schweizer Unternehmen zeigen, was die Vorteile des Cloud-Modells sind. Das wird zwar noch Zeit brauchen. Aber mit jedem Anwendungsbeispiel und mit jeder Erfolgsgeschichte wird sich diese Entwicklung beschleunigen. In einigen Bereichen nehmen Schweizer Banken schon jetzt eine Vorreiterrolle ein. Etwa wenn es um Kryptowährungen wie Bitcoin geht.

 

Was bieten Sie Finanzinstituten an, um sie in Ihre RZs zu bringen?

Wir bieten unseren Kunden einerseits Collocation-Dienste an. Also die Möglichkeit, ihre Server bei uns unterzubringen. Andererseits bieten wir aber auch einen direkten Zugriff auf die Börse. Wir haben aber nicht nur Banken in unseren RZs, sondern auch sehr viele Finanzdienstleister, die etwa Informationssysteme anbieten. Diese sind auch wieder über Interconnection-Verbindungen in einem geschlossenen Ökosystem verknüpft.

 

Wie arbeitet Equinix mit Schweizer Fintech-Unternehmen zusammen?

Auf dem Schweizer Markt sind Fintech-Unternehmen ein sehr wichtiges Thema. Wir bieten ihnen teilweise an, unsere RZs zu sehr attraktiven Bedingungen zu nutzen. Sie müssen nur die Stromkosten zahlen. So wollen wir diese Unternehmen begleiten, während sie wachsen.

 

Der Finanzsektor ist sehr stark reguliert. Schränkt dies auch Ihre Aktivitäten ein?

Diese Regulierungen betreffen in erster Linie unsere Kunden. Wir sind lediglich eine Plattform, die darunterliegt. Die Einschränkungen halten uns auch nicht davon ab, stark zu wachsen. Und selbstverständlich sind wir in der Schweiz Finma-­zertifiziert.

 

Wie werden die DSGVO und PSD2 den Markt verändern?

Bei der DSGVO zeigt sich wieder der Wert unserer Plattform. Denn wir bieten die Möglichkeit, die Daten im Land zu behalten und dort zu verarbeiten. Die PSD2 zwingt hingegen Banken, eine Schnittstelle zu erstellen, um Informationen mit anderen Banken auszutauschen. Das sind genau die Geschäftsmöglichkeiten, die wir suchen. Die PSD2 könnte unser nächstes Interconnection-Ökosystem schaffen.

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