Interview mit Kurt Ris, CEO von Everyware

Wie ein Cloud-Betreiber gegen AWS und Co. bestehen will

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Der Zürcher IT-Betreiber Everyware setzt auf Wachstum und die Private Cloud. Welche Ziele das Unternehmen verfolgt, wie es im Wettbewerb bestehen will und worauf es heute bei der Cloud-Auswahl ankommt, darüber spricht Gründer und CEO Kurt Ris im Interview.

Kurt Ris, CEO von Everyware
Kurt Ris, CEO von Everyware

Wo steht Everyware heute?

Kurt Ris: Wir haben seit der Gründung im Jahr 1995 die ganze Entwicklung eigenständig gemacht und verschiedene Zeiten durchlebt. Viele Firmen haben sich nach dem ersten Internet-Hype in fremde Hände begeben und keinen eigenen Weg mehr beschritten. Bei uns ist das anders. Wir waren zunächst ein Internet-Service-Provider für Geschäftskunden, haben uns dann aber Ende der 90er-Jahre entschieden, auf Datacenter basierende Services aufzubauen. Heute ist die Cloudisierung im Gang. Viele KMUs kommen davon ab, dedizierte physische Systeme zu betreiben, sondern wollen eine flexible Plattform haben. In welcher Form das geschieht – private, public oder hybrid – spielt gar keine Rolle.

Sie haben vor Kurzem den Cloud-Anbieter Safe Swiss Cloud und den Outsourcing-Dienstleister iSource übernommen. Was erhoffen Sie sich von den Übernahmen?

Wir haben die Firmen übernommen, weil wir ihre jeweiligen Geschäftsfelder ausbauen wollen. Wir sind sonst stärker mit internem Wachstum unterwegs, aber nun ergab sich die Möglichkeit, dies mit externen Zukäufen zu unterstützen. Die Firmen sollen aber eigenständig und nahe bei ihren Kunden bleiben. Synergien suchen wir in der Produktion. Datacenter, Services und Plattformen lassen sich im Hintergrund gemeinsam nutzen.

Wie weit ist die Integration der beiden Firmen fortgeschritten?

In den Bereichen Datacenter und Plattformen sind Projekte im Gang. Diese bringen sowohl den Kunden wie auch den Firmen Vorteile. Sie können nun neue Technologien einsetzen, die bis jetzt nicht in ihrem Portfolio vorhanden waren.

Was ändert sich für die Kunden?

Die Kunden bekommen mehr Stabilität und mittelfristig eine bessere Kombination von Produkt, Service und Qualität.

Wollen Sie weiter expandieren?

Wir wollen sicher noch weiter wachsen, aber mit einer nachhaltigen Rate. Akquisitionen sind eher die Ausnahme. Ich möchte sie aber auch nicht ausschliessen. Es ist nicht unser Ziel, um jeden Preis zu wachsen, sondern nachhaltig und gesund. Wir wollen unsere Position ausbauen und neue Kunden gewinnen, aber die Qualität ist dabei ein wichtiges Element. Wachsen nur durch Zukäufe funktioniert nicht, das zeigen viele Beispiele. Es braucht Zeit, das Know-how aufzubauen.

Wie geht es nach den Übernahmen weiter mit Everyware?

Wir wollen uns mit Fokus auf den DACH-Raum mit unseren vier Geschäftsfeldern eigenständig und nachhaltig weiterentwickeln. Die Hybrid-Variante von eigenen zen­tralen Plattformen in Kombination mit Cloud-Services von Drittanbietern werden wir weiter ausbauen, denn der zukünftige Service ist hybrid. Die Fragen lauten: "Wie führen wir beide Seiten zusammen?" und "Was ist wo?" Am Ende wird man wieder Lösungen finden, die in einem Netzwerk zusammengeschlossen sind. Das braucht sehr viel Know-how.

Everyware ist die Nummer eins im Bilanz-Ranking der Schweizer Datacenter. Wie wollen Sie den Spitzenplatz behaupten?

Mit der Qualität unseres Services und mit der Kundenzufriedenheit. Wir kennen unsere Kunden und wissen, was für sie wichtig ist. Dies insbesondere aus dem Outsourcing-Bereich. Für einen klassischen und reinen Infrastrukturanbieter ist das vergleichsweise schwieriger. Nähe zu den Kunden und Verständnis für den Markt, das wird auch in Zukunft unser Rezept sein.

Schweizer Unternehmen gelten in der Umsetzung von Cloud-­Lösungen als zurückhaltend. Können Sie das bestätigen?

Auf der einen Seite sehe ich das auch so, auf der anderen spielen hier aber andere Phänomene eine Rolle. In der Schweiz gibt es viele Industriefirmen, für die eigene Hardwaresysteme von Vorteil sind. Daher ist es nicht erstaunlich, wenn hier die Cloud-Adoption tief ist. Generell bin ich aber skeptisch gegenüber entsprechenden Studien. Es gibt eine ganze Industrie von Analysten und Beratern, die auf dem Einsatz von Public Clouds in Unternehmen he­rumreitet. Was da immer vergessen geht: Der Anteil der Public-Cloud-Projekte an den gesamten IT-Ausgaben ist klein.

Wie hat sich die Nachfrage nach Private, Hybrid und Public Clouds bei Ihnen entwickelt?

Die nimmt natürlich zu. Wir sind hauptsächlich im Private-Cloud-Segment tätig. Dabei handelt es sich häufig um dedizierte Cloud-Plattformen, die bei uns im Datacenter stehen. Der Hybrid-Anteil steigt, aber wir glauben, dass Private-Cloud-Modelle sehr interessant bleiben. Auch von den Kosten her. Public Clouds werden teuer, sobald Firmen ein einigermassen stabiles Sizing beziehen. Hier lassen sich viele von tiefen Kosten pro Zeitperiode blenden.

Worauf sollten Kunden bei der Wahl eines Cloud-Angebots achten?

Im Prinzip ist es eine Entscheidung wie bei Immobilien: kaufen oder mieten? Beides ist mit einem Commitment verbunden. Wenn ich etwas kaufe, verpflichte ich mich zu einer Kapazität, verliere aber an Flexibilität. Beim Mieten habe ich mehr Flexibilität, dafür sind die Kosten pro Periode höher. Zudem überlegt man sich, wie, mit wem und zu welchem Zweck man die Immobile einsetzen möchte und für wie lange. Alles Komponenten, die man unter anderem auch bei einer Cloud-Migration erwägen sollte.

Sie haben hochkarätige Kunden wie Swiss Re und Credit Suisse. Welche Herausforderungen stellen solche Firmen für Sie dar?

Solche Firmen haben durch ihre internationale Ausrichtung sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Ihre Core-Applikationen lagern sie nicht an externe Anbieter aus. Dazu kommen internationale und nationale Plattformen. Wir können uns in jenen Bereichen mit internationalen Konkurrenten messen, wo wir für grosse Firmen ein interessantes und spezifisches Angebot haben.

Wie sieht es im Vergleich dazu bei den KMU-Kunden aus?

Mittelgrosse Betriebe sind unsere wichtigsten Kunden. In ganz kleinen Betrieben kann der Chef die IT-Koordination noch allein übernehmen. Das ist unserer Ansicht nach der Bereich, den Hyperscaler mit standardisierten Angeboten wie Azure recht gut abdecken können. Ab 50 Mitarbeitern funktioniert das aber nicht mehr, sondern es braucht System und Konsequenz. Das sind unsere Kunden. Nach aus­sen mögen diese auf den ersten Blick vielleicht nicht ganz so attraktiv wirken, aber wenn man die Services betrachtet, sind sie sehr interessant. Da läuft mitunter die ganze Produktion in der eigenen IT. Technisch ist dies eine spannende Herausforderung für uns.

Microsoft kündigte vor Kurzem an, seine Cloud-Dienste in der Schweiz selbst anzubieten. Was bedeutet dieser Schritt für Sie?

Wir sind überzeugt, dass man als Schweizer Cloud-Plattform-Betreiber auch international mithalten kann. Es gibt genügend Marktanteile, in denen die Hyperscaler gar nicht so interessant sind, und in anderen sind sie sehr interessant. Wenn Azure jetzt in die Schweiz kommt, fällt hier einfach eine Hürde weg. Im Bereich der grösseren Infrastrukturen muss sich die Qualität dieses Angebots aber erst noch zeigen. Das Unternehmen ist und bleibt ein Amerikaner mit einer unpersönlichen Marketing- und Verkaufsorganisation. Es wird sich das Segment der kleinen, standardisierten Services holen, auch aufgrund der knackigen Lizenzbedingungen. Microsoft will im Moment mit der Cloud unbedingt wachsen und verschiebt deshalb sein Lizenzmodell in den Bereich Services. Über diese Preise diktiert das US-Unternehmen, wie der Markt funktioniert.

Wen betrachten Sie als Ihren grössten Konkurrenten?

Das ist extrem abhängig vom Servicebereich. Das können Datacenter, andere Cloud-Anbieter oder Outsourcer sein. Der Markt ist so fragmentiert, da gibt es 5000 potenzielle Konkurrenten. Wenn man dann aber genauer hinschaut, gibt es je nach Geschäftsfeld, Region oder Industrie nicht mehr so viele Mitbewerber. Das können dann kleinere Firmen sein oder auch grosse wie Swisscom. Am Ende kochen aber alle mit demselben Wasser. Entscheidend ist die richtige Kombination aus Know-how, Service, Location und Auftreten gegenüber dem Kunden.

Wie wollen Sie sich in einem Umfeld von vielen in- und ausländischen Konkurrenten behaupten?

Unsere Philosophie heisst erstens "stetige Innovation" und zweitens "Kundennähe". Wir fokussieren uns auf die Anforderungen von mittleren Unternehmen in der Schweiz und möchten ihnen Infrastruktur und Services anbieten, die ihren Bedürfnissen gerecht werden. Dazu wollen wir ein durchgängiges und überschaubares Produktionsmodell auf die Beine stellen, das viele Vorteile hat. Probleme gibt es immer, aber wir können sie mit einer geschlossenen Lösung schnell erkennen und beheben.

Zielen Sie auch auf den ausländischen Markt?

Unser Zielmarkt ist der deutschsprachige Raum. Es ist nicht so, dass wir mit Schwerpunkt in Deutschland wachsen wollen, aber wir können dortige Kunden sehr gut bedienen. Gleiche Sprache, gleiche Zeitzone, gleiches Denken – das funktioniert gut. Der Markt in der lateinischen Schweiz ist dagegen klein.

Haben Schweizer Cloud-Anbieter in Deutschland einen Vorteil?

Ich vermute, das wird mit dem stärkeren Euro wieder interessanter. Vor allem für Anbieter, die global aktiv sind. Aber generell kann man das so nicht sagen. Ich glaube nicht, dass die Schweiz zum Data Hub werden kann. Das kommunizieren andere gern politisch, aber es findet nicht statt. Es gibt keine internationalen Firmen, die ihre Datacenter im grossen Stil in die Schweiz verschieben.

Warum nicht?

Es ist nicht nachvollziehbar, wieso das stattfinden soll. Es entsteht ein beträchtliches rechtliches Risiko für eine Firma, wenn sie Hauptsitz und Rechenzentrum nicht am gleichen Ort hat. Das macht niemand.

Im kommenden Mai treten mit der EU-DSGVO neue Datenschutz-Regeln der EU in Kraft, die für Cloud-Anbieter relevant sind. Wie weit sind Sie auf diese vorbereitet?

Die Verordnung ist für uns relevant, weil wir Kunden haben, die im EU-Raum tätig sind. Aber es gibt hier einen wichtigen Punkt. Wir verarbeiten aus Prinzip keine Daten von Kunden. Sämtliche Eigentums- und Verfügungsrechte gehören dem Kunden. Da haben wir ganz strenge Bestimmungen. Wir haben mit Spezialisten die Anforderungen der EU-DSGVO so umgesetzt, dass der Kunde diese erfüllen kann. Wir müssen darauf achten, dass unsere Services so gestaltet sind, dass unsere Kunden die EU-DSGVO einhalten können. Das ist nichts grundsätzlich Neues, aber man muss es machen.

Wollen Sie Ihre Infrastruktur ausbauen?

Die Kapazitäten werden laufend ausgebaut. Im Moment spricht man immer nur von Public Clouds und den grossen Anbietern wie AWS oder Azure. Diese spielen eine wichtige Rolle, sie dominieren aber nur gewisse Marktsegmente. Es gibt daneben ein enormes Potenzial für Anbieter wie Everyware, die über lokale Nähe, die technische Expertise sowie das richtige Know-how für die Umsetzung von Managed Services verfügen.

Wer sind Ihre wichtigsten Partner?

Wir wollen unsere Partnerschaften nicht in den Vordergrund stellen. Wir sind ein Serviceprovider. Mit wem wir dabei zusammenarbeiten, würden wir gerne eigenständig entscheiden und allenfalls auch wechseln können. Auch im Interesse des Kunden. Auf Technologieseite sind wir beispielsweise Partner von HPE, VMware, Veeam und Netapp. Im Open-Source-Umfeld arbeiten wir mit Open-Stack und Cloud-Stack. Wir vertrauen hier auf unsere Erfahrung, denn Technologien und ihre Hersteller sind – mit wenigen Ausnahmen – über die Zeit hinweg wenig stabil. Und deshalb ist das für uns auch nicht so wichtig, denn wir sind kein Händler von Lizenzen und Produkten, sondern erbringen IT-Services.

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