Fachbeitrag

Die Crypto-Nation Schweiz will erwachsen werden

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von Nicola Schlup, Managing Director, Nexum Schweiz

Die Schweiz macht vorwärts in Sachen Blockchain und der notwendigen Regulierung. Am 26. April überreichte die Schweizer Blockchain Taskforce feierlich das Whitepaper mit ihren Regulierungsempfehlungen an Bundesrat Johann Schneider-Ammann. Fast zeitgleich eröffnet in Zürich an zentralster Finanzlage der Blockchain-Hub "Trust Square", und Bitfinex, eine der weltweit grössten Crypto-Exchanges, plant einen Umzug in die Schweiz. Ein kleiner Überblick über die aktuellen Geschehnisse in der Crypto-Nation Schweiz.

Die von Furrerhugi und Lakeside Partners lancierte Schweizer Blockchain Taskforce hat in den vergangenen Monaten ein Whitepaper mit Empfehlungen zur Regulierung der Blockchain als Finanzinstrument erarbeitet. Ehrenamtlich daran mitgearbeitet haben rund 50 Experten aus Parlament, Start-ups, Universitäten und etablierten Unternehmen. Mit dem 24-seitigen Dokument wollen die Initianten den Blockchain-Standort Schweiz stärken. Ende April wurde es am Blockchain Summit feierlich an Bundesrat Johann Schneider-Ammann übergeben, der in seiner Rede das Potenzial der Blockchain für die Schweizer Wirtschaft hervorhob.

 

Das willkommene Mass an Regulierung

Dass eine ganze Branche so intensiv nach Regulierung ruft, hat seinen guten Grund. Die rechtlichen Unsicherheiten sind, abgesehen von der noch fehlenden Maturität der Technologie, einer der Gründe, weshalb viele der grös­seren Wirtschaftsakteure von einer aktiveren Rolle beim Blockchain-Einsatz absehen. Die Blockchain Taskforce hat somit auch die grössten Unsicherheitsfaktoren herausgearbeitet. Zudem schuf sie vier Arbeitsgruppen, die sich mit den Themen ICO/Token, Banking, Cybersecurity sowie weiteren Anwendungsgebieten befassten und diese Aktivitäten im neu zu gründenden Swiss Blockchain Institute fortführen werden.

Lorenz Furrer, Managing Partner von Furrerhugi, sagt dazu: "In Anbetracht der noch ausstehenden inhaltlichen Arbeiten, der nötigen politischen Aktionen und mit der Unterstützung sämtlicher Mitglieder der Taskforce haben wir uns entschieden, das Projekt unter dem Titel ‹Swiss Blockchain Institute› weiterzuführen." Für die Finanzierung der künftigen Tätigkeiten soll ein Initial Coin Offering (ICO) durchgeführt werden.

 

Die zu beseitigenden Unsicherheiten

Die Blockchain wird als fehlendes Glied für ein Internet bezeichnet, das ausser dem bekannten Informationsaustausch auch den Austausch von Werten ermöglicht. Ist die sichere Übertragung von Vermögenswerten an sich eine der Kernleistungen der Blockchain, so steht diese aktuell noch in Konflikt zum Schweizer Recht. Dieses bedingt zur Gültigkeit einer Wertübertragung die schriftliche Form. Die Schweizer Blockchain Taskforce liefert Ansätze, um diese Unsicherheit mit oder ohne Gesetzesänderung zu beseitigen. In einer Reihe von Arbeitssitzungen werden diese Ansätze, zum Beispiel eine Artikelrevision im Obligationenrecht, nun im Bundeshaus gemeinsam mit der Taskforce vertieft, damit den guten Absichten möglichst zeitnah Taten folgen.

Sind Taskforce und Regierung erfolgreich, öffnen sich spannende Ansätze, um beispielsweise Tokens wie Unternehmensanteile zu behandeln, was die Kapitalbeschaffung gerade für KMUs einfacher und kostengünstiger gestalten kann. Vereinzelte Blockchain-Start-ups gehen bereits diesen Weg und versprechen ihren Token-Besitzern Dividenden, basierend auf ihren realwirtschaftlichen Gewinnen und unabhängig vom stark schwankenden Kryptokurs. Ohne rechtliche Grundlagen bleibt jedoch die Unsicherheit für die Investoren.

In der "Old Economy" sind es insbesondere die Banken (deren Produkte von auf Blockchain basierenden Lösungen verändert werden dürften), die sich gegenüber der Technologie zurückhaltend zeigen und ihre millionenschweren Investitionen eher in anderen Technologiefeldern wie den Kernsystemen tätigen. Auch was das Eingehen von Kundenbeziehungen mit Blockchain-Unternehmen anbelangt, hält sich die Bankenwelt zurück. So ist es derzeit für Unternehmen, die Kryptowährungen herausgeben, nicht möglich, ein Geschäftskundenkonto bei einer Schweizer Bank zu eröffnen. Dabei geht es um offene Fragen zur Anwendung des Geldwäschereigesetzes. Stattdessen vertrauen besagte Unternehmen ihre Gelder oftmals den Liechtensteiner Banken an. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung der Schweizerischen Bankiervereinigung versucht nun, die nötigen Grundlagen zu schaffen, sodass Schweizer Blockchain-Unternehmen Zugriff auf die Finanzmarktinstrumente der Schweiz erhalten.

Weitere Themen, die von der Schweizer Blockchain Taskforce bearbeitet wurden oder weiterverfolgt werden, drehen sich beispielsweise um die Anwendung des Geldwäschereigesetzes, Standards zur sicheren Aufbewahrung digitaler Schlüssel sowie der Wissensvermittlung an Universitäten und Fachhochschulen.

 

Das Ökosystem wächst und gedeiht

Abseits von Regulierungsthemen entsteht in der Schweiz ein immer grösseres Blockchain-Ökosystem, auch aus­serhalb der Start-up-Szene. Immer mehr etablierte Unternehmen positionieren sich rund um Themen wie Beratung oder Entwicklung und gründen eigene Abteilungen oder Firmen, wie etwa das auf Blockchain-PR fokussierte Unternehmen Narwal, entstanden als Joint Venture von Furrerhugi und Lakeside Partners, die notabene auch die Schweizer Blockchain Taskforce ins Leben gerufen haben.

Die Cryptovalley Directory verzeichnet unterdessen bereits über 400 Unternehmen, die sich in der Schweiz mit der Weiterentwicklung des Blockchain-Universums beschäftigen. Der geografische Fokus hat sich dabei von Zug auf Zürich ausgedehnt, während andere Schweizer Städte noch Aufholbedarf haben.

Der weltweite Konkurrenzkampf um Blockchain-Unternehmen nimmt exponentiell zu. Während Hongkong und Japan teils grössere Kryptobörsen und -Unternehmen verlieren, profitieren ausser der Schweiz Akteure wie Malta, Shanghai und Lichtenstein. Die wachsende Konkurrenz geht auch an der Schweiz nicht spurlos vorbei. So ist vergangenes Jahr Vitalik Buterin, Gründer des Ethereum-­Projekts und Aushängeschild des Crypto Valleys, von Zug nach Shanghai abgezogen. Umso wichtiger ist das Signal für den Blockchain-Standort Schweiz, dass eine der weltweit grössten Kryptobörsen, Bitfinex, einen Umzug in die Schweiz plant. Vergangenen Dezember, kurz vor dem Absinken der Kurse, erreichte die Bitfinex annähernd so viel Umsatz wie die London Stock Exchange.

 

Zwei Welten treffen aufeinander

Wenn wie bei Blockchain die Themen Technologie und Geld zusammenkommen, lockt dies gleich mehrere Gruppierungen an. So ergibt sich an Blockchain-Konferenzen ein bereicherndes Bild von Investoren in Anzügen und Hoodie tragenden Entwicklern. Beide Gruppen benötigen das jeweilige Gegenüber, um ihre gemeinsam initiierten Blockchain-Vorhaben in die Praxis und zum Fliegen zu bringen. Dazu reichen weder rein von Enthusiasmus und Utopie noch finanziell getriebene Motivation aus. Umso wertvoller für den Wirtschaftsstandort Schweiz ist die Aussicht, dass die hiesigen Blockchain-Akteure die notwendige Klärung offener Fragen vorantreiben und mit der Politik und Finma an einem gemeinsamen Ziel arbeiten: einer starken und sicheren Crypto-Nation Schweiz.

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