Comerge – vom Forschungsprojekt zur Softwareschmiede
Promovierter Informatiker, Entwickler und Patron – Till Bay kennt die Arbeitswelt aus verschiedenen Blickwinkeln. Entsprechend viele Facetten hat seine Firma Comerge. Sie lebt von einem Team mit einem gemeinsamen Ziel: Software zu bauen, die Freude macht.
Informatikern hängt ein verstaubtes Image an. Die Vorstellung vom sozial unbeholfenen Nerd, der nur am Rechner brilliert, ist jedoch falsch. "Ein guter Entwickler muss gut mit Menschen umgehen können", sagt Till Bay, Gründer und CEO des Zürcher Softwareherstellers Comerge. Denn, so sagt er: "Wer technische Lösungen finden will, braucht ein Gespür für gesellschaftliche Probleme und Freude an der Zusammenarbeit – mit Kunden, Kollegen und Studenten."
Bay sitzt an seinem Schreibtisch. Hinter ihm hängen bunte Bilder im Street-Art-Stil. Wer durch die Glaswände guckt, sieht die gesamte Büroetage. 30 Programmierer tüfteln an Projekten. Manche von ihnen hantieren mit Augmented-Reality-Brillen.
Wer forscht, kämpft gegen Krisen
Ursprünglich zog es Bay in die Forschung. 2003 begann er an der ETH Zürich mit seiner Dissertation. Er stellte eine Entwicklerplattform namens Origo auf die Beine. Mit ihr konnten Entwickler gemeinsam an Source Code arbeiten – ähnlich wie heute mit Github. "Unsere Studenten entwickelten zusammen Games und ich untersuchte, wie Kollaboration in der Softwareentwicklung funktioniert."
Wie die meisten Doktoranden habe er mehrere Krisen durchgemacht. "Am Ende dachte ich mir: Jetzt will ich fertig schreiben und raus aus der ETH." Also fing er nach seiner Promotion an, sich zu bewerben. Etliche Unternehmen unterbreiteten ihm Jobangebote, die er allesamt ablehnte. "Nichts klang besonders aufregend", sagt er. Doch die Personaler liessen nicht locker. "Könnten Sie vielleicht trotzdem etwas für uns programmieren?", habe es mehrmals geheissen. So trudelten drei, vier Projektanfragen ein. Und da lag es auf der Hand, eine Firma zu gründen.
Nach dem Start an Fahrt gewonnen
2008 kam die erste grosse Chance. Mobility lud zum Pitch. "Wir brachten einen Prototyp mit, der mehr konnte als das, was der vorherige Auftragnehmer in drei Jahren zustande gebracht hatte", sagt Bay. Comerge gewann den Auftrag und setzte die Carsharing-Plattform um.
Eine ähnliche Plattform baut das Team für den Veloverleiher Publibike. Es liefen derzeit auch ganz andere, ebenso spannende Projekte, sagt Bay. Seine Mitarbeiter entwickeln etwa Software für Biotech-, Robotik- und Logistikunternehmen, eine Messaging-Lösung à la Slack sowie eine Mobile-App, mit der sich elektronische Türschlösser öffnen lassen.
Weiterwachsen, solange es sinnvoll ist
"Wer in der Schweiz massgeschneiderte Software bestellt, tut dies nur, wenn der Return on Investment sonnenklar ist", sagt Bay. Für ihn gehe es aber nicht ums Geld. Es seien die Projekte und seine Mitarbeiter, die ihm am Herzen lägen. "Ich will ihnen das Gefühl geben, dass sie am richtigen Ort sind, um Karriere zu machen und zu wachsen."
Auch die Firma wächst. Im Juli eröffnete Comerge eine Niederlassung in Kuala Lumpur. Derzeit bedienen acht Mitarbeiter dort ansässige Kunden. Warum Malaysia? In der Gymi-Zeit habe Bay dort ein Austauschjahr gemacht, die Kontakte gepflegt und so ein Netzwerk aufgebaut.
Läuft alles nach Plan, könnte Comerge zu einem 50-köpfigen Team heranwachsen. "Alles, was grösser ist, kann ich mir noch nicht vorstellen", sagt Bay. Schliesslich müsse man miteinander kommunizieren können. "Nur so entsteht spannende und sinnvolle Software, die Freude macht."