Swico will mehr Start-up-Spirit
Der Swico soll zu einer Community werden und mehr Agilität lernen. Das sind die Pläne der neuen Geschäftsführerin Judith Bellaiche, die an der gestrigen Generalversammlung des Branchenverbands offiziell das Ruder von Jean-Marc Hensch übernahm. Gastreferent Christof Zogg berichtete von Best und Worst Practices der Digitalisierung.
Rund 150 Swico-Mitglieder haben sich im Zürcher Kaufleuten zur 30. Generalversammlung getroffen. Judith Bellaiche trat zum ersten Mal als Geschäftsführerin des ICT-Anbieterverbands auf. Anfang Mai hatte sie offiziell das Ruder von Jean-Marc Hensch übernommen. Dieser stand zum letzten Mal als Teil der Verbandsspitze auf der Bühne. "Er hat dem Swico wahnsinnig gut getan", sagte Swico-Präsident Andreas Knöpfli. Hensch hinterlasse ein "aufgeräumtes Haus" und er bleibe dem Verband als engagiertes Mitglied erhalten. "Zum Glück" und "hoffentlich auch", hörte man aus dem Publikum.
Hensch blickte in seiner Dankesrede auf das Jahr 2012 zurück. Damals, als er die Geschäftsführung übernahm, habe der Verband noch anders funktioniert. Es gab noch keine Spezialisten für Public Affairs, kein Issue Management, keine mehrsprachige Homepage, keine Frauen im Vorstand und keine Start-ups unter den Mitgliedern, wie er sagte. "Wir hatten auch noch keine 600 wie heute, sondern erst 380 Mitglieder, wobei diese Zahl sogar noch geschönt war."
Jean-Marc Hensch (r.) hat die Geschäftsführung des Swico an Judith Bellaiche (l.) abgegeben. (Source: Netzmedien)
Inzwischen habe der Verband aber eine lange Wegstrecke zurückgelegt. Hensch bedankte sich bei den Mitgliedern und insbesondere beim Führungsteam – "für die Unterstützung auch in schwierigen Zeiten und dafür, dass Ihr meine Fehler ausgebügelt habt".
Mehr Schwung, mehr Community
Seine Nachfolgerin werde mehr Schwung in den Verband bringen, sagte Hensch. Die neue Geschäftsführerin stellte sich mit einer Prise Selbstironie gleich selbst vor. "Nebenamtlich bin ich Politikerin und zwar eine von der übelsten Sorte, nämlich eine Überzeugungstäterin." Als neue Swico-Chefin lautet ihr Credo Nummer eins: Der Swico soll eine Community werden. Man stehe beim Community-Management zwar erst am Anfang. Doch das Ziel sei klar: mehr Austausch, mehr Vernetzung, mehr gemeinsame Lösungen.
Mit dem Ausblick sei es so eine Sache, fuhr sie fort. Vor allem wenn es um die Digitalisierung gehe, seien Fehlprognosen vorprogrammiert. Deswegen sei es wichtig, Lerninhalte laufend anzupassen. Auch der Swico müsse als Organisation schneller dazulernen können. Dementsprechend lautet Bellaiches erster Programmpunkt für die Zukunft des Verbands: "Wir müssen Agilität lernen."
Fehler als solche anerkennen, vorausschauen und schnell lernen: Diese Devise müsste auch in den Verwaltungen gelten. Insbesondere in der Schweizer Netzpolitik sei dies jedoch kaum der Fall, merkte Bellaiche an. "Politik ist die Kunst, Probleme zu lösen, ohne neue zu schaffen – da müssen wir noch viel besser werden."
Die anwesenden Mitglieder winkten die statutarischen Traktanden anstandslos durch. Anschliessend referierte Starticket-CEO Christof Zogg über Best und Worst Practices, die er in seiner früheren Rolle als Director Digital Business bei den SBB erlebt hatte.
Weniger Maulesel, mehr Zebras
Die meisten Schweizer Unternehmen, insbesondere die ganz grossen, seien längst nicht so digital, wie sie sich geben. "Alle finden die Digitalisierung wichtig, aber fast niemand hat konkrete Pläne", sagte Zogg. Das zeige sich etwa daran, dass die Digitalisierungsprojekte ausschliesslich vom CEO und vom CIO getrieben würden. "Digitalisierung ist nicht Business plus IT", sagte Zogg.
Scherzhaft fuhr er fort: "Das wäre so, wie wenn man einen Esel und ein Pferd in einen Raum sperrt – am Schluss kommt ein Maulesel dabei heraus." Der sei nicht nur stur, sondern unter Umständen auch unfruchtbar. "Ich bin überzeugt: Digitalisierung braucht keine Maulesel, sondern Zebras." Worauf er anspielte: CEOs müssten erstens mehr digitales Know-how aufbauen und zweitens mehr Entscheider ins Boot holen, die sich mit beiden Welten auskennen, mit dem Business und der ICT. Im Idealfall sollten mehrere Digital-Entscheider am selben Strang ziehen. Es braucht also nicht nur den CIO, sondern auch einen CTO und einen CDO.
Starticket-CEO Christof Zogg hat über Best und Worst Practices der Digitalisierung referiert. (Source: Netzmedien)
Start-up-Groove statt Corporate IT
Ein weiteres Manko der Digitalwirtschaft: "Grosse Unternehmen beauftragen typischerweise grosse IT-Dienstleister." Diese Art von "Corporate IT" sei ein Bremsklotz für Innovationen. Denn die Crux von Digitalisierungsprojekten bestehe darin, mit möglichst wenig Geld in möglichst kurzer Zeit einen Prototyp auf die Beine zu stellen. Ein Schritt, mit dem Grosskonzerne aufgrund ihrer Komplexität hadern würden.
Deswegen forderte Zogg mehr Mut. "Wenn Sie damit leben können, dass Sie nicht zum Essen eingeladen werden: Engagieren Sie Start-ups!" Er selbst habe damals für die Front-end-Entwicklung der SBB-App vier Jungunternehmen beauftragt: Fairtiq, Ubique, Spitch und Axon Vibe. Alles Firmen, die damals weniger als 20 Mitarbeiter beschäftigten.
Wer mit einem Digitalisierungsprojekt etwas bewegen will, muss auch etwas aufs Spiel setzen. "No risk, no digital reward", lautet das Motto, das Zogg seinen Zuhörern mit auf den Weg gab. "Es braucht mehr Risikobereitschaft, an allen Ecken und Kanten." Allerdings darf man Risiko nicht mit Leichtsinn verwechseln. "Wer etwas riskiert, muss auch bereit sein, Verantwortung zu übernehmen", sagte Zogg.
Swico-Geschäftsführerin Bellaiche will sich übrigens auch dafür einsetzen, dass sich Start-ups häufiger an die grossen Tische setzen können, wie sie im Interview sagte. Was sie im Verband sonst noch bewegen will, können Sie hier nachlesen.