Die Stadt von morgen ist smart, offen und partizipativ
Die Berner Fachhochschule hat zum eGov Fokus nach Bern geladen. Der Event zeigte, dass Smart-City-Konzepte nur funktionieren, wenn Städte ihre Bevölkerung aktivieren. Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Industrie müssen zudem eng zusammenarbeiten.
Die Berner Fachhochschule hat am 10. Mai einen eGov Fokus im Berner Generationenhaus veranstaltet. Der Event drehte sich um Smart Citys und darum, wie offene Daten, Open Source und das Internet der Dinge unser Zusammenleben beeinflussen.
Wie die Digitalisierung Städte verändert
Zur Begrüssung sprach Ingrid Kissling-Näf, Direktorin des Departement Wirschaft der Berner Fachhochschule. Ihr zufolge bieten Städte eine gute Ausgangslage für Transformationsprozesse. "Bern hat aber sicher noch Nachholbedarf", sagte Kissling-Näf. Das Eröffnungsreferat hielt Reinhard Riedl, Leiter des Zentrum Digital Society, ebenfalls an der Berner Fachhochschule.
Das Smartphone habe die Wahrnehmung der Stadt verändert, sagte Riedl. Es sei zum Beispiel nicht mehr wichtig, sich orientieren zu können - dafür gebe es ja GPS-Sensoren und digitale Karten. Von der Vorstellung der mittelalterlichen Stadt sei wenig übrig geblieben. Früher sei die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zentral gewesen, heute stünden Kreativität, Partizipation und Zusammenarbeit im Vordergrund.
Städte hätten aber immer noch viele Funktionen. Sie würden Raum für Trends wie Crowdworking, Sharing Hubs und Blockchain bieten. Es gebe allerdings auch Gefahren. Städte können die Privatsphäre ihrer Bürger verletzen oder sie diskriminieren. "Stadtentwicklung heisst Ordnung schaffen und Anarchie fördern", sagte Riedl. Es brauche Konflikte und Reibungen, um Städte vorwärts zu bringen.
Ohne Kooperationen keine smarten Städte
Nach Riedl referierte Ilkka Lakaniemi, Director of Business Development bei Combient und Research Director beim Center for Knowledge and Innovation Research der Handelshochschule Helsinki. Er sagte, dass Städte mit Wirtschaft und Industrie kooperieren sollten. Dabei gebe es zwar ein Problem: Die Businesspläne von Start-ups ändern sich schnell. Die Stadt habe dafür andere Vorteile, etwa bei den Themen Vertrauen und Community. Da könne die Privatwirtschaft nicht mit den Städten konkurrieren.
"Gemeinsam in die Zukunft" laute das Motto der Smart City Basel, sagte Nadine Grüninger, Projektleiterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kantons- und Stadtentwicklung Basel-Stadt. Smart City heise, Daten kreativ zu nutzen und die Chancen der Digitalisierung zu packen. Diese sei stark von Firmen wie Google und Facebook getrieben, was für Städte eine Herausforderung sei.
Basel habe 2018 eine Smart-City-Strategie kommuniziert und dabei bewusst auf einen langen Strategieprozess und einen Massnahmenkatalog verzichtet. Die Stadt setze Technologien ein, um die Lebensqualität der Bürger zu sichern, Innovationen zu ermöglichen und ressourcenschonend eine nachhältige Entwicklung zu fördern. Die Kantonsverwaltung müsse sich dafür stärker vernetzen. "Das Arbeiten in Silos funktioniert nicht mehr, wir müssen über Systemgrenzen hinweg kooperieren", sagte Grüninger.
Entscheidend für eine Smart City sei die Zusammenarbeit zwischen Bevölkerung, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft. In Basel kooperiere zum Beispiel das Tiefbauamt Basel-Stadt mit dem Energieunternehmen IWB. Sensoren sollen künftig melden, wenn am Rheinufer Rettungsringe fehlen.
Das Gesundheitsdepartement und das Justiz- und Sicherheitsdepartement Basel-Stadt bauten zudem ein First-Responder-System im Kanton auf. Es soll mit einer App die die Überlebenschance Betroffener im Fall eines Herz-Kreislauf-Stillstandes steigern.
Und der Basler Güterbahnhof Wolf soll zum "smartesten Areal der Schweiz" werden. Die SBB und der Stadtkanton unterzeichneten dafür eine Planungsvereinbarung. Grüninger empfiehlt Städten, Pilotprojekte im kleinen Rahmen durchzuführen, wie das auch Basel mache.
Smart-City-Projekte brauchen Überzeugungsarbeit
"Digitalisierung muss immer einen Mehrwert für die Bürger bringen", sagte Gerhard Hartmann, Chief Data Officer und Magistrat der Stadt Wien. Innovationen in Städten könne man zwar nicht erzwingen. Aber man könne eine Raum schaffen, der Veränderungen und auch den Mut zum Scheitern zulasse.
Wien fahre mehrere Smart-City-Projekte, etwa den WienBot, ein digitaler Assistent für die Stadt, oder die App "Sag's Wien", bei der Bürger zum Beispiel defekte Strassenbeleuchtungen melden können. Die Website mein.wien bilde alle Amtswege auf einer Plattform ab und smartdata.wien und digitales.wien würden Opendata über die Stadt zur Verfügung stellen.
"Es braucht viel Überzeugungsarbeit, um die Verwaltungen zur Mitarbeit an Smart-City-Projekten zu überreden", sagte Hartmann. Man müsse aufzeigen, dass die Projekte mehr Vorteile als Mehrarbeit generieren würden. Man dürfe zudem nicht erwarten, dass die Hälfte der Bevölkerung bei digitalen Initiativen mitmache. "Aber man muss ihnen zumindest die Möglichkeit geben."
Daten als Entscheidungsgrundlage
Alessia Neuroni, Leiterin des Institut Public Sector Transformation der Berner Fachhochschule Wirtschaft, sprach über die Stadt von morgen. Sie werde offen, partizipativ und resilient sein. Die schlaue Stadt vernetze Menschen, Maschinen und Ideen. "Sensoren sind wichtig, aber am Ende des Tages geht es nicht darum", sagte Neuroni. "Es geht um den Nutzen, um Standortattraktivität, um Lebensqualität."
2030 würden wohl rund 60 Prozent der Menschen in der Schweiz in Städten leben und 75 Prozent der Ressourcen konsumieren. Daten sollten darum die Grundlage für Entscheidungen bieten, um Mensch, Maschine und Ideen sinnvoll zu vernetzen. "Die Stadt der Zukunft muss heute darüber nachdenken, welche Aufgaben sie auch noch in 100 Jahren erfüllen möchte", sagte Neuroni.
Vor der Mittagspause sprach der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried. "Die Digitalisierung macht mir keine Angst, sie spornt mich an." Laut ihm wollen die Stadt und ihre Verwaltungen smart sein und im gleichen Rhythmus leben wie die Bevölkerung.
"Die Stadt Bern war schon immer eine Stadt der Beteiligung", sagte von Graffenried. Sie müsse die Basis aktivieren und Kooperationen eingehen. "Es wäre ein Fehler, unsere Digitalorganisation ganz alleine weiterzuentwickeln." Bern spanne darum unter anderem mit der Bahngesellschaft BLS und der Biotechfirma CSL Behring zusammen, um neue digitale Angebote zu schaffen.
Open Data und digitale Nachhaltigkeit
Nach der Pause trat der Berner Stadtrat Matthias Stürmer auf die Bühne. Der Leiter der Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit am Institut für Informatik der Universität Bern sprach über das Potenzial von offenen Daten für die Stadtentwicklung. "Städte müssen digital nachhaltig agieren", sagte Stürmer. "In Bern sind wir bei Open Data noch am Anfang, Basel und Zürich sind weiter."
Digital nachhaltig heisse, die Digitalisierung als Mittel zum Zweck für eine nachhaltige Entwicklung einzusetzen, und das Potenzial der Digitalisierung zu nutzen, um Ressourcen zu sparen. Städte könnten dafür zum Beispiel die Infrastruktur bereitstellen, etwa für E-Voting, oder offen Daten liefern, zum Beispiel für Kartendienste, sagte Stürmer.
Weitere Referenten am Event waren Rudolf Mumenthaler, Direktor der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern und Vorstand von Bibliosuisse. Er sprach über die Rolle von Bibliotheken in Smart Citys. Das Abschlussreferat hielt Tom van Arman, der einen Einblick in die Smart-City-Projekte von Amsterdam gab. Am Nachmittag gab es zudem mehrere Themencafés, die parallel stattfanden und einzelne Punkte in kleinen Workshops mit den Teilnehmern vertieften.