Cindy Eggs zerpflückt Mythen zur Agilität
Ist Agilität die richtige Antwort auf die digitale Transformation? Oder führt sie ins Chaos? Und macht Scrum wirklich agil? Cindy Eggs von der Fernfachhochschule Schweiz referierte am 62. Lunch-Forum von Asut über Agilität - und widerlegte dabei einige hartnäckige Mythen.
Asut hat das 62. Lunch-Forum im Restaurant Zum Äusseren Stand in Bern abgehalten. Als Referentin lud der Schweizerische Verband der Telekommunikation Cindy Eggs ein. Sie leitet den Studiengang "MAS Arbeit 4.0" der Fernfachhochschule Schweiz und ist "Product Owner Collaboration and Social Learning" bei Swisscom. Eggs sprach über die Themen Agilität, Holacracy und Scrum.
Agilität ist eine Reaktion auf unsere Umwelt
"Es gibt keine allgemeingültige Definition von Agilität", sagte die Referentin. Agil sei etwa eine Organisation, die sich kontinuierlich an die Umwelt anpasse, reaktiv oder proaktiv auf Marktveränderungen reagiere und dabei den Fokus auf die Kundenzufriedenheit lege. Agilität habe aber auch viel mit Kultur, Leadership und Führung zu tun. Wer agil sei, schaffe ein "digitales Kundenerlebnis" und dieses bestehe aus einer digitalen Strategie, dem Geschäftsmodell, digitalen Prozessen, der Organisation, der Infrastruktur und den Produkten und Dienstleistungen.
Einer der Treiber für Agilität ist die neue Realität auf dem Arbeitsmarkt, wie eine Studie von McKinsey zeigt. Laut dem Marktforscher werden 5 Prozent aller Jobs komplett verschwinden, und 65 Prozent der Kinder im Schulalter sollen später Jobs haben, die es heute noch gar nicht gibt. Trends wie "Hiring per Click" und das Arbeiten in Netzwerken befeuern die Agilität zusätzlich.
Agilität ist kein Selbstzweck
Eggs prüfte in ihrem Vortrag folgende Statements auf ihre Richtigkeit:
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Agilität ist die richtige Antwort auf die digitale Transformation
Diese Aussage sei so falsch, sagte Eggs. Agilität sei kein Allheilmittel und auch nie ein Selbstzweck. Firmen sollten sich darum nicht zum Ziel setzen, um jeden Preis agil zu sein. Agilität sei vor allem dann anzustreben, wenn es viel Flexibilität und Anpassungsfähigkeit brauche, um wettbewerbsfähig zu bleiben und die hohe Komplexität einer Herausforderung zu meistern.
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Agil ist chaotisch und anarchistisch
Das ist laut Eggs ein Mythos. Wer agil arbeite, brauche transparente Spielregeln und eine klare Verteilung der Rollen, wie das bei Holacracy und Scrum der Fall sei. Auf Holacracy setzt unter anderem die Webagentur Liip, wie Sie hier lesen können. Dabei könne ein Mitarbeiter mehrere Rollen einnehmen, und auch die Autorität sei auf mehrere Personen verteilt. Anstatt grosse Reorganisationen, die mehrere Jahre dauern können, gebe es viele kleine Entwicklungsschritte. Auch bei Scrum müsse die Rollenverteilung stets klar und transparent sein, sagte Eggs.
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Ich arbeite nach Scrum, also bin ich agil
"Von Softwareunternehmen höre ich oft, dass man nur agil sein könne, wenn man Scrum oder Holacracy einsetzt", sagte Eggs. Das stimme so nicht, denn Agilität sei auch ohne diese Arbeitsformen möglich. Und es gebe Unternehmen, die Scrum einsetzen und trotzdem nicht sehr agil seien. Ausserdem sei die Basis für Agilität immer die gleiche: Vertrauen, Wertschätzung und Respekt.
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Agilität bringt Geschwindigkeit
Das stimme - aber nicht am Anfang. Wer auf agile Organisationsformen setze, brauche Zeit und Geduld. Bis sich zum Beispiel bei Holacracy alles einpendle, dauere es meist rund ein Jahr. "Man muss es leben lassen", sagte Eggs. Langfristig biete eine agile Organisation aber einige Vorteile. Einer davon sei, dass die Time-to-market meist stark verkürzt werden könne.
Das nächste Lunch-Forum von Asut findet am 13. Dezember statt.