Data Literacy

So wollen Experten die Datenkompetenz der Schweizer fördern

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von Yannick Chavanne und Übersetzung: Joël Orizet

Die Coronakrise hat gezeigt, wie wichtig Daten als Grundlage für Entscheidungen sind. Die kantonalen Ärztegesellschaften haben gemeinsam mit verschiedenen Vereinen und Experten einen Aufruf gestartet, der Massnahmen für einen besseren Umgang mit Daten fordert. Über die Ziele und Beweggründe der Initiative spricht Diego Kuonen, Professor für Datenwissenschaft an der Universität Genf.

Diego Kuonen, Professor für Datenwissenschaft an der Universität Genf. (Souce: zVg)
Diego Kuonen, Professor für Datenwissenschaft an der Universität Genf. (Souce: zVg)

Zahlen und Statistiken gewinnen mehr und mehr an Bedeutung – in der Medizin aber auch im Alltag der Bürgerinnen und Bürger. Die Coronakrise hat diesen Trend verschärft: Täglich erscheinen neue Kennzahlen und Grafiken aus unterschiedlichen Quellen – umso wichtiger wird es, die Datengrundlage solcher Informationen richtig zu interpretieren, auszuwerten und in einen Kontext zu stellen. Aus diesem Grund hat die Konferenz der Kantonalen Ärztegesellschaften eine nationale Kampagne für mehr Datenkompetenz gestartet – zusammen mit der Stiftung Patientensicherheit, dem Verein Digitale Gesellschaft und Experten aus der Medizin und der Informatik.

Der Aufruf richtet sich in erster Linie an Politiker. Sie sollen sich dafür einsetzen, eine solide Grundlage für die Entwicklung einer nachhaltigen nationalen Datenkultur zu schaffen. Gefordert sind aber auch die Medien, das Bildungswesen und Statistikexperten. Das Ziel: mehr Know-how im Umgang mit Daten zu vermitteln, und zwar insbesondere in den Schulen.

Die Kampagne verfolgt drei Stossrichtungen. Erstens geht es darum, die Öffentlichkeit besser über das Thema Datenkompetenz zu informieren. Zusammen mit den Medien ist eine breit angelegte Informationskampagne geplant, die zur kritischen Auseinandersetzung mit Daten beitragen und Grundwissen vermitteln soll. Zweitens wollen die Träger des Aufrufs Schulungsmaterialien und Ausbildungsprogramme starten und fördern, um Datenkompetenz "lebenslang, bestenfalls ab dem Kindergarten" zu vermitteln. Und drittens ist geplant, unabhängige, interdisziplinäre und zertifizierte Kompetenzstellen einzurichten, um Best Practices in puncto Data Literacy zu gewährleisten.

Diego Kuonen, Professor für Datenwissenschaften an der Universität Genf, ist einer der Experten hinter der Initiative. Er spricht darüber, warum die Vermittlung von Datenkompetenz heute so wichtig ist – und wie das funktionieren kann.

Ist das Schweizer Bildungswesen heute in der Lage, die nötigen Fähigkeiten für einen richtigen Umgang mit Daten zu vermitteln?

Diego Kuonen: Nein. Datenkompetenz wird im heutigen Bildungssystem zu wenig berücksichtigt. Das ist gefährlich, denn im digitalen Zeitalter hat jeder Mensch Zugang zu Werkzeugen, mit denen sich Daten herstellen und verwalten lassen. Das betrifft Staatsbürger ebenso wie Journalisten und Verwaltungs-Mitarbeiter. In diesem Zusammenhang erscheint es uns dringend geboten, eine echte Datenkultur im Bildungssystem und in der Schweizer Gesellschaft zu verankern. Wir sprechen hier nicht von der Vermittlung von Kenntnissen im Bereich Data Science, sondern von Datenkompetenz, also der Fähigkeit, kritisch und mit einer nötigen Distanz über Daten nachzudenken.

Wie lässt sich so ein kritischer Blick auf Daten vermitteln?

Wer mit Daten konfrontiert wird, sollte in der Lage sein, drei Schlüsselfragen zu beantworten. Ergeben diese Informationen einen Sinn oder widersprechen sie meiner Intuition? Kennen wir den Kontext? Was ist die Quelle? Es geht also nicht um eine tiefgehende Analyse, sondern darum, dass man einen Schritt zurücktreten und sich fragen kann, ob man es mit guten, verlässlichen Daten zu tun hat. Zusätzlich zu diesem kritischen Denken als Konsument von Daten müssen wir das Bewusstsein für die Herausforderungen schärfen, die uns alle als Datenproduzenten betreffen: Was passiert, wenn ich ein Smartphone benutze? Warum sind bestimmte Apps kostenlos? Diese Grundkonzepte können wir uns bereits in sehr jungen Jahren aneignen. Kinder fragen immer nach dem "Warum" – wenn es um Daten geht, muss man diese Haltung sein Leben lang beibehalten.

Ist Ihr Aufruf bei den Politikern angekommen?

Ja. Wir haben ein ausgezeichnetes Feedback erhalten. Darüber hinaus haben wir die Unterstützung eines Ständerats, der das Thema in der kommenden Herbstsession ins Parlament tragen will.

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