Marianne Janik über die Chancen der Schweizer Cloud und die Zukunft von Windows
Seit einem Jahr bietet Microsoft eine Schweizer Cloud-Infrastruktur an. Marianne Janik ist Schweizer Country Managerin des Techkonzerns. Im Interview spricht sie über die Möglichkeiten der Schweizer Cloud. Ausserdem sagt sie, warum Windows heute nicht mehr das ein und alles ist, was die Innovation der öffentlichen Hand gefährdet und warum Microsoft die KMUs nun auf oberster Ebene betreut.
Vor ziemlich genau 25 Jahren ging Microsoft mit Windows 95 an den Start. Wie wichtig ist das Betriebssystem Windows in Ihrem Ökosystem heute noch?
Marianne Janik: Windows ist eine grosse Erfolgsgeschichte und wir sind glücklich, dass auch Windows 10 von den Kunden sehr gut angenommen wird. Aber natürlich beobachten wir auch, dass sich die Welt verändert und sie immer offener wird. Mit Teams sehen wir eine weitere Erfolgsgeschichte entstehen. Die vergangenen Monate haben dazu sicher ihren Beitrag geleistet. Heute ist die Teams-Community - auch in der Schweiz - sehr aktiv und baut Applikationen und Erweiterungen für die Kollaborationsplattform.
Wie gross ist der Anteil Ihrer Unternehmenskunden, die mit anderen Betriebssystemen wie Mac OS oder Linux arbeiten?
Unser Betriebssystem ist sicher nach wie vor stark verbreitet. Aber darum geht es heute nicht mehr. Unsere Kunden wollen jederzeit und über alle Arten von Sensoren und Geräte auf unsere Cloud-Services zugreifen. Da spielt das Betriebssystem überhaupt keine Rolle mehr. Im Gegenteil: Die Vielfalt in den Betriebssystemen fördert die Innovation und schafft damit neue Anwendungsszenarien für unsere Kunden.
Seit einem Jahr betreibt Microsoft eigene Datacenter in der Schweiz. Was hat das für Auswirkungen auf Ihre Kunden?
Der Grossteil der Unternehmen in diesem Land hat sich intensiv mit der Cloud auseinandergesetzt und erkannt, dass die Cloud die effizienteste und sicherste Form ist, wie man IT-Leistungen bereitstellen und konsumieren kann. Die lokalen Datacenter spielen dabei eine zentrale Rolle, denn sie haben das Vertrauen der Kunden in die Sicherheit und in den Datenschutz gestärkt. Zudem bietet die Microsoft Cloud in der Schweiz den Kunden die Möglichkeit, Mischmodelle zu wählen, in denen sie genau definieren können, wo welche Daten gespeichert werden. Seit dem Start vor 12 Monaten freuen wir uns über eine sehr grosse Nachfrage, natürlich auch für Microsoft 365 aus den Schweizer Rechenzentren. Die Covid-Krise hat dazu geführt, dass nicht nur Grossunternehmen die Cloud nutzen, sondern jetzt auch sehr viele KMUs und Organisationen der öffentlichen Hand bereit sind, den Schritt in die Cloud zu machen. In diesem Sinne wandelt sich die Art und Weise, wie in der Schweiz IT genutzt wird, massiv und dieser Trend wird sich in den kommenden 12 Monaten noch einmal beschleunigen.
Vor zwei Monaten erklärte ein Gericht das Privacy-Shield-Abkommen zwischen der EU und der USA für ungültig. Rechtsexperten übertragen dieses Urteil auch auf das Abkommen zwischen den USA und der Schweiz. Hat dies irgendwelche Konsequenzen für Ihr Angebot oder Ihre Kunden?
Aus Sicht von Microsoft ist Privatsphäre ein Menschenrecht. Wir begrüssen deshalb Gesetze, die den Schutz der Privatsphäre stärken. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs hat keinen Einfluss auf unser Geschäft, denn unsere Geschäftskunden können weiterhin die Dienste von Microsoft in Übereinstimmung mit dem europäischen Recht nutzen. Wir bieten unseren Kunden seit Jahren einen sich überschneidenden Schutz sowohl im Rahmen der Standardvertragsklauseln (SCCs) als auch des Privacy-Shield-Frameworks für Datenübertragungen.
Microsoft hat per Juli einen neuen Bereich auf GL-Stufe geschaffen, der sich auf die Schweizer KMUs fokussiert. Wieso hat man die Bereiche Partner und KMU jetzt getrennt?
Die Mehrheit der Grossunternehmen in der Schweiz nutzt mittlerweile die Cloud. Die Schweizer KMUs haben das Potenzial der Cloud erkannt - insbesondere auch durch ihre Erfahrungen während der Coronakrise -, sind aber noch zurückhaltend in der Nutzung von Cloud-Lösungen. Dieser Markt hat für uns deshalb ein grosses Potenzial, dem wir jetzt mehr Aufmerksamkeit schenken wollen. Unsere 4600 Schweizer Partner spielen dabei aber eine sehr zentrale Rolle, denn wir bearbeiten den KMU-Markt nach wie vor über unser Partner-Ökosystem.
Für Aussenstehende scheint das Microsoft-Ökosystem mitunter etwas kompliziert. So ist etwa häufig von drei verschiedenen Microsoft-Clouds die Rede. Worum handelt es sich hierbei genau?
Wir betreiben drei Cloud-Plattformen: Microsoft Azure, Microsoft 365 und Dynamics 365. Alle drei Clouds bieten eine gewisse Funktionalität, die entweder individuell oder noch besser kombiniert genutzt werden kann. Etwas technischer ausgedrückt stellen wir Infrastrukturen (IaaS), Plattformen (PaaS) und Anwendungen (SaaS) zur Verfügung. Die zentralen Elemente unseres Ökosystems sind aber die 4600 Schweizer Partnerunternehmen, die basierend auf unseren drei Cloud-Plattformen eigene Produkte und Dienstleistungen entwickeln und anbieten, unsere Kunden, mit denen wir Co-Creation betreiben und neue Businessmodelle erarbeiten sowie die Start-ups, die wir in einem speziellen Programm begleiten.
Wie findet ein Unternehmen den richtigen Microsoft-Partner?
Unser Partner-Ökosystem ist so heterogen wie die KMU-Landschaft der Schweiz. Viele unserer Partner haben sich auf Themengebiete, Industrien oder Technologien spezialisiert. Für eine langjährige Kundenbeziehung ganz entscheidende Faktoren sind auch die regionale Verankerung und örtliche Nähe. Und zu guter Letzt ist natürlich auch die gemeinsame Sprache wichtig. Deshalb freuen wir uns, dass wir in unserem Partner-Ökosystem alle vier Landessprachen abdecken.
In einem Interview mit der "Netzwoche" wünschte sich Marc Holitscher, National Technology Officer von Microsoft Schweiz, etwas mehr Cloud-Nutzung durch die öffentliche Hand. Konnten Sie inzwischen mehr Verwaltungen zum Wechsel in die Public Cloud bewegen?
Die letzten Monate haben deutlich gezeigt, was digitale Technologien zur Krisenbewältigung leisten können. Viele Gemeinden und Behörden haben die Chance gepackt und Cloud-Services wie Microsoft 365 mit Teams eingeführt, um ihre tragenden Geschäftsabläufe aufrechtzuerhalten. Dieser Erneuerungsprozess darf jetzt nicht abgewürgt werden. Die Gefahr besteht leider, denn viele Gesetze und regulatorische Anforderungen der Schweiz stammen aus der Zeit vor dem Internet und wurden bisher eher restriktiv ausgelegt. Die öffentliche Hand benötigt jetzt Handlungsspielraum, die technologischen Möglichkeiten zur Optimierung von Prozessen und für zukunftsgerichtete Innovationen zu nutzen. Dies soll verantwortungsvoll und keinesfalls auf Kosten von nicht verhandelbaren Werten wie Transparenz, Sicherheit oder dem Schutz der Privatsphäre geschehen.
Eher neu ist Ihr Dynamics-365-Angebot. Wie gross ist das Interesse für Dynamics seitens Schweizer Kunden?
Das Interesse ist sehr gross, denn die vergangenen Monate haben das Bewusstsein für die Relevanz der Datenwirtschaft deutlich geschärft. Daten sind nicht mehr das Nebenprodukt von einzelnen Geschäftsprozessen, sondern Erfolgsfaktor und zentraler Vermögenswert des vernetzten Unternehmens. Die Erhebung, Verknüpfung, Analyse und Visualisierung von Daten schafft Transparenz und steigert die Handlungsfähigkeit, macht Effizienzsteigerungspotenziale sichtbar und ermöglicht ganz neue datenbasierte Geschäftsmodelle. Seit Juni bieten wir mit Power BI Datenauswertung und -visualisierung in Echtzeit aus den Schweizer Rechenzentren an. Die weiteren Module der Power Platform sowie erste Dynamics-365-Services werden voraussichtlich Ende des Jahres aus der Schweiz verfügbar sein.
Wie gross ist der Anteil Ihrer Unternehmenskunden, die zwar Ihr Ökosystem, nicht aber Ihre Cloud nutzen?
Wir sehen natürlich immer noch beide Welten, befinden uns aber mitten in der Transformation. Die meisten Unternehmen leben heute in einer Mischform, was natürlich je nach Unternehmen auch durchaus Sinn macht. Ich gehe davon aus, dass wir noch einige Zeit in einer hybriden Welt leben werden.
Gibt es Unternehmenskunden, denen Sie gezielt von der Cloud abraten würden?
Natürlich gibt es Kunden, die zum Beispiel gerade ein eigenes Datacenter gebaut haben. Da ergibt ein unmittelbarer Wechsel in die Cloud wenig Sinn. Ein anderes Beispiel sind Unternehmen aus dem Trading-Geschäft, die sicherstellen müssen, dass ihre Daten in den eigenen vier Wänden bleiben.