Altersdiskriminierung verschärft den Fachkräftemangel in der IT
Schweizer IT-Unternehmen sollten sich um ältere Mitarbeitende bemühen, um den Fachkräftemangel zu entschärfen - zu diesem Schluss kommt Digitalswitzerland in einer Studie. Der Verband geht dem Problem auf den Grund und zeigt mögliche Lösungen auf.
Das Durchschnittsalter in der Schweizer IT ist tief. So tief, dass bereits vor dem Erreichen des Rentenalters wertvolles Arbeitskräftepotenzial verloren geht - dies gilt es angesichts des hohen Fachkräftemangels in der ICT zu verhindern, wie Digitalswitzerland mitteilt. Der Verband stellt im Rahmen einer Studie fest, dass eine mögliche Lösung darin besteht, ältere Arbeitnehmende in der Schweizer IT-Branche zu fördern.
Das Durchschnittsalter der Erwerbstätigen zwischen 58 und 70 Jahren sei in der ICT mit 61,1 Jahren vergleichsweise tief. Zum Vergleich: Bei Architekten und Ingenieuren derselben Alterskohorte sei das Durchschnittsalter mit 62,6 Jahren deutlich höher, heisst es im Ergebnisbericht.
Für das tiefe Durchschnittsalter in der Schweizer IT sieht Digitalswitzerland zwei Gründe: Frühpensionierungen und Altersdikriminierung. Vor allem letzteres wirke sich negativ auf ein langes Erwerbsleben aus, heisst es in der Mitteilung.
Altersdiskriminierung aufgrund steigender Lohnkosten
Ältere Fachkräfte würden bei gleichen Qualifikationen weniger oft zu Bewerbungsgesprächen eingeladen und angestellt - dies, obwohl die Loyalität der Mitarbeitenden im Alter besonders hoch sei und sich Investitionen in die Mitarbeitenden trotz kürzerer Zeit für den Return-on-Investment auszahlen könnten, schreibt Digitalswitzerland. Der Verband fordert die Unternehmen dementsprechend dazu auf, dieses Vorgehen kritisch zu hinterfragen und ältere Arbeitskräfte als Bereicherung zu sehen.
Der Grund für die Altersdiskriminierung könnten die mit dem Alter steigenden Lohnkosten sein. Automatische, altersbedingte Lohnerhöhungen seien daher kritisch zu prüfen - insbesondere, da die steigenden Lohnnebenkosten von den Arbeitgebenden nicht beeinflusst werden können, heisst es vonseiten des Verbands.
Graduelle Pensionierungen und Wertschätzung
Die Unternehmen seien nun gefordert, ihre Bereitschaft zur Weiterbeschäftigung zu erhöhen. Dies, indem sie den Mitarbeitenden eine sinnstiftende Arbeit und mehr Flexibilität bieten - zum Beispiel mit graduellen Pensionierungen und durch die Wertschätzung für das Arbeiten nach der Pension.
Eine schrittweise Reduktion des Arbeitspensums vor dem Erreichen des Pensionsalters sollte nicht als Vorbereitung für Austritt aus dem Erwerbsleben verstanden werden, schreibt Digitalswitzerland weiter. Stattdessen sollte eine schrittweise Reduktion als ein langfristiges Engagement im dritten Lebensabschnitt ausgelegt sein, das sich für beide Seiten lohnen soll.
AHV- und BVG-Revision soll positive Anreize schaffen
"Besonders positiv auf ein langes Erwerbsleben wirken sich ein hoher Grad an Selbstständigkeit und Flexibilität, ein hohes Bildungsniveau und die Erwerbstätigkeit in kleineren Unternehmen aus", sagt Andreas Kaelin, Deputy Managing Director von Digitalswitzerland. Nun brauche es förderliche gesetzliche Voraussetzungen und einen kulturellen Wandel der Arbeitswelt, "um der gestiegenen Lebenserwartung gerecht zu werden und die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Altern zur Norm zu erklären".
Andreas Kaelin, Deputy Managing Director von Digitalswitzerland. (Source: zVg)
Die geforderten gesetzlichen Voraussetzungen betreffen die Reformen von AHV und beruflicher Vorsorge. Diese sollten positive Anreize für flexibles Arbeiten mit reduzierten Pensen über das Pensionsalter hinaus setzen, fordert Digitalswitzerland.
Dringend reformbedürftig seien die im Pensionsalter fälligen AHV-Beiträge, der Steuerfreibetrag sowie Zuschläge und Kürzungen, welche der gestiegenen Lebenserwartung nicht Rechnung tragen würden. Ferner sei die Möglichkeit einer AHV-Teilpensionierung in Betracht zu ziehen, schreibt der Verband.
Die Studie wurde vom Institut für Wirtschaftsstudien Basel (IWSB) im Auftrag von Digitalswitzerland durchgeführt. Die Untersuchung stützt sich auf kantonale Steuerdaten sowie auf Daten des Bundesamtes für Statistik (BFS), der Zentralen Ausgleichsstelle (ZAS) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO). Der Schlussbericht steht online bereit (PDF).
In einer weiteren Studie zum Fachkräftemangel stellte ICT-Berufsbildung Schweiz im Herbst 2020 fest: Die Schweiz braucht bis 2028 insgesamt 117'900 neue ICT-Fachkräfte. Der Verband fordert dementsprechend mehr Ausbildungsplätze, um diesen Bedarf zu decken. Unter aktuellen Bedingungen könnten nur 70 Prozent der benötigten Spezialisten ausgebildet werden. Lesen Sie hier mehr dazu.