Eine neue Industrie: Scanner für histologische Schnittpräparate
In der Histologie befunden Pathologen Schnittpräparate heutzutage nicht mehr nur unter dem klassischen Mikroskop. Präparate werden auch unter virtuellen Mikroskopen untersucht. Für den Erfolg dieser Methode ist die Wahl des richtigen Scanners zentral.
Die Pathologie (Krankheitslehre) beschäftigt sich mit krankhaften und abnormalen Vorgängen sowie Zuständen im menschlichen Körper. Das Gebiet wird in verschiedene Teilgebiete unterschieden wie Histologie, Zytologie, Elektronenmikroskopie und Molekularpathologie. Die Haupttätigkeit eines Pathologen ist die pathologische Diagnostik, was in erster Linie die makroskopische und mikroskopische Beurteilung von Gewebeproben primär von Menschen bedeutet. Nur ein kleiner Teil der Tätigkeit besteht aus klinischen Obduktionen. In der Histologie werden operativ entfernte Gewebeproben in einem komplexen Verfahren aufgearbeitet, mittels eines Mikrotoms in hauchdünne Scheiben geschnitten und in mehreren chemischen Prozessen zu verschiedensten analyserelevanten Färbungen präpariert. Das Endprodukt der Histologie, die Schnittpräparate, werden dem Pathologen konventionell oder digital zur diagnostischen Befundung übergeben. In der konventionellen Pathologie befunden die Pathologinnen die physisch vorliegenden Schnittpräparate mit einem Mikro-skop. In der digitalen Pathologie werden die Schnittpräparate vorgängig eingescannt und der Befund mit einem virtuellen Mikroskop gemacht. Ein virtuelles Mikroskop ist nicht mit einem konventionellen Mikroskop zu vergleichen, sondern eher mit einer komplexen Bildvorschau am Computerarbeitsplatz.
Das Scannen von histologischen Schnittpräparaten ist keine neue Disziplin. Die ersten Scanverfahren wurden bereits 1999 durch Wetzel eingeführt. Dabei wurde eine Flächenkamera, gepaart mit einer Blitzbeleuchtung, verwendet. Im Jahr 2001 wurde diese Erfindung zum Patent angemeldet und im Jahr 2004 patentiert: Der Grundstein für die digitale Pathologie wurde gelegt und seitdem stetig weiterentwickelt. Bis vor wenigen Jahren war der Einsatz von Scannern in der Routine eines Histologie-Labors beinahe undenkbar, der primäre Einsatzzweck der Digitalisierung lag überwiegend in der Forschung und Lehre. Eine komplette Digitalisierung eines Routinelabors war aus verschiedenen Gründen nicht möglich: Die Scanner waren zu langsam, zu teuer oder generell zu unflexibel für den individuellen Laboralltag. Damit ein Betrieb vollständig digitalisiert werden kann, sind mehrere Aspekte zu beachten. In diesem Artikel wird hauptsächlich auf die histologischen Schnittpräparate eingegangen, obwohl zytologische Ausstriche ebenfalls einen wichtigen Stellenwert in der digitalen Pathologie darstellen.
Allzu oft wird die digitale Pathologie gleichgesetzt mit der Beschaffung der dafür notwendigen Hardware: einem Scanner für Schnittpräparate. Mit der Beschaffung eines Scanners ist die Pathologie den Weg der digitalen Transformation aber noch lange nicht gegangen und somit noch weit davon entfernt. Hardware, Software und die Abläufe in der Pathologie wie auch die richtige Ausbildung und Schulung der Mitarbeitenden müssen aufeinander abgestimmt sein. Es bedarf einer genauen Prüfung der Anforderungen an die zu beschaffenden Scanner, damit diese effektiv und effizient genutzt werden können. Unzureichend genutzte Scanner im "Stand-by-Modus" sind mit einem Flugzeug am Boden zu vergleichen. Es steht nur da, kostet viel, erbringt aber nicht den eigentlichen Zweck. Damit das Flugzeug abheben kann, müssen die richtigen Voraussetzungen gegeben sein.
Die Wahl des richtigen Scanners
Die Wahl des richtigen Scanners für das Routinelabor ist zentral für den Erfolg der digitalen Pathologie und der damit verbundenen neuen Prozesse. Jede Pathologie hat individuelle Arbeitsabläufe, andere Handhabungen von Färbungen oder Gerätschaften. Je nach Grösse der Pathologie, der Auftragslage und Anzahl Scanner ist mit einem Dauerbetrieb der Scanner zu rechnen, was die Auswahl des Geräts beeinflusst. Die Rahmenbedingungen und Ziele der Digitalisierung müssen im Vorfeld klar definiert werden. Dazu wird bestimmt, welche Teilbereiche digitalisiert, wie viele Schnitte über welchen Zeitraum gescannt werden müssen und ob mehrere Standorte für die Scanner vorgesehen sind. Das zeitliche Mengengerüst des Scanvolumens und der finanzielle Rahmen sind ebenfalls vorgängig abzuklären. Auch muss geklärt werden, ob der Fokus der Digitalisierung beim Befunden oder bei der Archivierung der Schnittpräparate liegen soll.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit führt zum Erfolg
Die Entscheidung über die Wahl des Scanners sollte durch ein interdisziplinäres Team erfolgen. Es reicht nicht aus sicherzustellen, dass das produzierte Datenformat verarbeitet und gespeichert werden kann und die Qualität der digitalen Schnittpräparate den Anforderungen für die Befundung erfüllt. Damit die digitalen Schnittpräparate zeitgerecht bereitgestellt werden können, müssen die Laborprozesse des Teilbereichs berücksichtigt und bei Bedarf optimiert werden.
Die richtige Bildqualität ist eine zwingende Voraussetzung für die Befundung durch die Pathologinnen. Zeichnet sich die hohe Bildqualität nur durch mehrere Rescans aus, wofür erheblich mehr Zeit benötigt wird, ist der Scanner für die Routine nicht geeignet. Für die Informatik spielt es eine grosse Rolle, welches Dateiformat gegeben ist. Wenn möglich sollte der DICOM-Standard eingehalten werden ("IT for Health 01/2020": "Kommunikationsstandards in der digitalen Pathologie"). Welche Dateigrösse das digitale Schnittpräparat hat, kann grosse Auswirkungen auf das Netzwerk oder auch auf das Datacenter haben.
Der Scanprozess beginnt nicht erst beim Starten der Scanner, sondern bereits in den vorangehenden Labortätigkeiten. Gehen wir auf den Teilbereich Histologie ein, beginnt der Digitalisierungsprozess bereits bei der Mikrotomie (Herstellung von Schnittpräparaten). Die Gewebeproben sollen mittig auf den Objektträger aufgezogen werden. Entscheidend ist zudem das möglichst faltenfreie Schneiden der Gewebeproben. Kleinste Unebenheiten des Schnittes können zu unscharfen Arealen im Scanprozess führen. Durch neue Aufgaben werden auch neue Rollen geschaffen. Super User für die Scanner-Bedienung sowie -Wartung müssen definiert werden. Die Qualitätssicherung muss nicht wie üblich direkt nach der Färbung, sondern zusätzlich nach dem Scanvorgang durchgeführt werden. Dies sind nur einige der zahlreichen Voraussetzungen, die vor der Beschaffung beachtet und umgesetzt werden müssen, damit die Einführung und damit die Transformation zur digitalen Pathologie ein Erfolg wird.
Grosse Unterschiede bei den verfügbaren Scannern
Bevor es mit dem eigentlichen Scanvorgang losgehen kann, muss der Scanner gestartet, kalibriert und beladen werden. Auch hierbei haben die Autoren grosse Unterschiede zwischen verschiedenen Scanner-Herstellern und deren Modellen festgestellt. Das Aufwärmen und die Kalibrierung kann mehrere Minuten in Anspruch nehmen und teilweise sind die Geräte fehleranfällig und der Startvorgang muss erneut initiiert und eine weitere Zeitverzögerung hingenommen werden. Je nach Hersteller müssen die Schnittpräparate nach der Einfärbung in die für den Scanner kompatiblen Racks umgeladen werden. Dies bedeutet ein enormer Zeitaufwand, insbesondere wenn man den gesamten Tagesumsatz an Schnittpräparaten digitalisieren will. Deshalb bieten Scanner mit bereits kompatiblen Racks ohne Umladearbeit einen zeitlichen Mehrwert.
Wir freuen uns auf die kommenden Entwicklungen
Die stetige Weiterentwicklung in der Branche führt zu besserer Qualität und grösserem Funktionsumfang. Ebenfalls nimmt die Scan- und Internetgeschwindigkeit laufend zu, was zu Performanceverbesserungen führt und einen erfreulichen Ausblick in die Zukunft verheisst. Neue Konzepte und Firmen entstehen, die mit innovativen Ideen Marktanteile gewinnen möchten. Beispielsweise neue Scanner-Modelle, die noch besser auf die Laborprozesse eingehen und/oder die automatische Archivierung der Schnittpräparate ermöglichen. Aber auch die Entwicklung von Algorithmen und intelligenter Software, welche die Nutzung der Scanner optimiert und Routineaufgaben, wie beispielsweise die Qualitätskontrolle, übernehmen.
Fazit
Eine optimale Infrastruktur und die Festlegung der Digitalisierungsziele unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse sind massgebend für den Projekterfolg. Eine Transformation von Teilbereichen in der Pathologie ist effizienter, da der Fokus gezielt auf die einzelnen Bedürfnisse der Anwendergruppen gesetzt werden kann. Nur durch optimierte Prozesse und einer gut eingebundenen Hardware kann eine effiziente digitale Pathologie realisiert werden, welche die Vorteile der Digitalisierung sichtbar macht und somit die notwendige Akzeptanz schafft.