Perspektiven für künstliche Intelligenz im Atemwegsmanagement
Der Erfolg bei der Sicherung der Atemwege von Notfallpatienten ist entscheidend vom Erfahrungsniveau des Anwenders abhängig. Wenn weniger erfahrene Einsatzkräfte die lebensrettenden Massnahmen durchführen müssen, kann künstliche Intelligenz in Kombination mit Roboterassistenz den Erfolg sichern und Leben retten.
In der Akutmedizin ist die Sicherung der Atemwege beim Bewusstlosen ein lebensnotwendiger Teil der Behandlung. Das gilt für die Versorgung von Verletzten, Infarktpatienten oder in der Anästhesie für chirurgische Eingriffe. Die wichtigste Massnahme hierbei ist die tracheale Intubation, die darin besteht, dass ein sogenannter Endotrachealtubus in die Luftröhre platziert wird, über den die Beatmung und die Versorgung mit Sauerstoff erfolgen kann. Die menschliche Anatomie ist allerdings so gestaltet, dass die Intubation nur mit spezieller Ausrüstung möglich ist, und obendrein viel Erfahrung erfordert. Anästhesisten haben diese Erfahrung mit der Intubation, bei anderen Dienstleistern wie Rettungssanitätern, Notärzten und Intensivmedizinern ist dies oft nicht der Fall.
Dem Mangel an Intubationserfahrung kann man mit künstlicher Intelligenz (KI) kombiniert mit roboterassistierter Unterstützung abhelfen. Die Lösung dieses Problems besteht darin, mittels computergestützter Bilderkennung die anatomischen Merkmale zu identifizieren und den Endotrachealtubus automatisch in die richtige Richtung zu lenken. Vor Einführung der KI behalf man sich mit manuell gesteuerten Endoskopen entsprechend der vom Anwender visuell erkannten anatomischen Merkmale. Unerfahrene Anwender waren und sind mit dieser Technik nach wie vor überfordert.
Aktuelle Entwicklungen zur Problemlösung setzen voraus, dass das Instrument die anatomischen Gegebenheiten selbstständig erkennt und auch den Vorgang der Intubation automatisch durchführt. Das bedingt die Kombination von KI mit Roboterunterstützung. Im Detail geht es darum, dass ein flexibles Endoskop die gewonnenen Bilder in Echtzeit vom Mikroprozessor interpretieren lässt und daraus sinnvolle Steuerungsbefehle an die flexible Endoskopspitze ableitet. Das führt dazu, dass die Spitze des Endoskops stets in die jeweils richtige Richtung weist. Damit der auf den Schaft des Endoskops aufgezogene Endotrachealtubus in die Luftröhre vorgeschoben und am richtigen Ort platziert werden kann, muss hierbei der Apparat das Endoskop ausfahren und diesen stets unter Kontrolle seiner Ausrichtung inmitten des Intubationswegs halten. Hierbei muss das Instrument die verschiedenen Biegungen und Abzweigungen der menschlichen Anatomie des Schlundes kennen, Varianten davon erkennen und unerwünschte Kontakte oder gar Verletzungen der Schleimhaut vermeiden.
Wie bei jeder computergestützten medizinischen Technik muss die endgültige Entscheidung vom Benutzer getroffen werden. Somit ist ein manueller Eingriff oder eine komplette manuelle Steuerung des Geräts jederzeit möglich und man ist in der Lage, den Automatikmodus abzuschalten. Diese Vorgehensweise beinhaltet eine Reihe weiterer Entwicklungen, die bisher lediglich theoretisch angedacht wurden. Aufgrund der unmittelbaren Verfügbarkeit der Kamerasicht ist es möglich, weitere Personen (beispielsweise erfahrene Fachkollegen) an der Exploration des Atemweges und am Intubationsvorgang zu beteiligen. Diese helfende Hand muss nicht einmal am Einsatzort zugegen sein. Mittels Onlineverbindung kann sich die kompetente Hilfsperson ganz anderswo befinden: Stichwort "interventionelle Telemedizin". Ausserdem können sämtliche bei Einsätzen generierten Videosequenzen gesammelt und in einer Datenbank abgelegt werden, aus denen Updates des Erkennungsalgorithmus abgeleitet werden. Damit würde das gesamte System eine gewisse "Lernfähigkeit" aufweisen, was ein besonders nützliches und vielversprechendes Merkmal von KI darstellt.