Forschung an der EPFL

Mit dem Chirurgieroboter die Entwicklung von Embryos erforschen

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von Joël Orizet und msc

Forschende der EPFL haben eine robotergestützte Plattform für die Mikrochirurgie entwickelt. Mit ihrer Hilfe sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Lage, hochpräzise Schnitte durchzuführen und die Forschung zum Wachstum von Embryos voranzubringen. Die Plattform könnte allerdings weit über die Embryologie hinaus bedeutsam sein.

Die von EPFL-Forschenden entwickelte Plattform für robotergestützte Mikrochirurgie lässt sich mit einem X-Box-Controller steuern. (Source: EPFL)
Die von EPFL-Forschenden entwickelte Plattform für robotergestützte Mikrochirurgie lässt sich mit einem X-Box-Controller steuern. (Source: EPFL)

Die Forschung mit Embryonen sucht nach Antworten auf die Frage, wie sich Leben im Anfangsstadium entwickelt – und sie liefert Erkenntnisse, die nicht nur für die Grundlagenforschung, sondern auch für die Medizin nützlich sind. Beispielsweise für die Früherkennung und Behandlung von Krankheiten oder für die Fortpflanzungsmedizin. 

Bis heute fehlt es jedoch an Instrumenten, mit denen man die Embryonalentwicklung systematisch erforschen kann. Ein Forschungsteam der EPFL will dies nun ändern, und zwar mit einer Robotik-Plattform. Ein Chirurgieroboter soll aufzeigen können, wie Embryos wachsen, wie die Hochschule in Lausanne mitteilt. 

Die Grenzen der Mikrochirurgie überwinden

"Der ursprüngliche experimentelle Ansatz in der Embryologie ist die Mikrochirurgie", lässt sich der Biowissenschaftler Andy Oates von der EPFL School of Life Sciences in der Mitteilung zitieren. "Aber sie wurde mit einem sehr einfachen Mikroskop und sehr einfachen Werkzeugen wie Kaktusdornen oder angespitzten Drahtstücken durchgeführt. Ein weiteres Problem ist, dass wir von Natur aus ein Zittern in den Händen haben, was die Mikrochirurgie für manche Menschen schwierig macht. Man braucht jahrelanges Training, und nur einige Leute können es, so dass der Durchsatz sehr gering ist."

Andrew Oates, Professor für Entwicklungsbiologie und Embryologie sowie Dekan der Fakultät für Biowissenschaften an der EPFL. (Source: epfl.ch)

Andrew Oates, Professor für Entwicklungsbiologie und Embryologie sowie Dekan der Fakultät für Biowissenschaften an der EPFL. (Source: epfl.ch)

Mit dem Ziel, die Grenzen der mikrochirurgischen Techniken zu überwinden, spannte Oates mit Selman Sakar von der School of Engineering der EPFL zusammen. Sakar ist Experte für Mikrotechnik und Robotik – in seinem Labor entwickelte er Roboterwerkzeuge für die Mikromanipulation von Gewebe. Gemeinsam mit Oates wollte Sakar einige dieser Werkzeuge nutzen, um die Forschung in der Embryologie zu vereinfachen, sie zuverlässiger zu machen und ihr einen höheren Durchsatz zu verleihen. "Und in diesem Fall speziell, um zu verstehen, wie die Gewebemorphogenese, also die Formung und Strukturierung eines sich entwickelnden Gewebes, im Zebrafisch funktioniert", sagt Sakar. 

Selman Sakar, Assistenzprofessor am Institut für Maschinenbau an der EPFL. (Source: epfl.ch)

Selman Sakar, Assistenzprofessor am Institut für Maschinenbau an der EPFL. (Source: epfl.ch)

Zebrafische sind beliebte Forschungsobjekte in den Grundfragen des Lebens, insbesondere zur Untersuchung von Erkrankungen des Menschen. Denn über 80 Prozent der bislang bekannten Gene, die beim Menschen Krankheiten auslösen können, gibt es auch im Fisch, wie aus einem Beitrag der Max-Planck-Gesellschaft hervorgeht. Hinzu kommt: Die Entwicklungsschritte, für die ein menschlicher Embryo einen Monat braucht, durchläuft ein Zebrafisch-Embryo in einem Tag. Für die Forschenden bedeutet dies einen enormen Zeitgewinn. Zudem sind Zebrafische leichter artgerecht zu halten als Säugetiere wie Ratten oder Mäuse. 

Der Zebrabärbling, im Laborjargon besser bekannt als Zebrafisch, ist ein beliebtes Forschungsobjekt. (Source: Oregon State University / commons.wikimedia.org)

Der Zebrabärbling, im Laborjargon besser bekannt als Zebrafisch, ist ein beliebtes Forschungsobjekt. (Source: Oregon State University / commons.wikimedia.org)

Roboter hilft, Gewebe zu manipulieren

Oates und Sakar untersuchten, wie sich die Körperachsen von Zebrafisch-Embryos verlängern. "Unser Labor konzentriert sich darauf, wie sich das Rückgrat bildet, und dazu gehört auch, wie sich der Körper streckt, auswächst und sich segmentiert", sagt Oates. "Wir verwenden den Zebrafisch-Embryo als Modell, und die Idee ist, den Beitrag der verschiedenen Teile des Embryos zum Entwicklungsprozess zu untersuchen. In diesem Fall untersuchen wir, wie sich Embryonen verlängern und wie sie sich segmentieren, und wie diese beiden Prozesse zusammenwirken. Unser Ansatz besteht darin, die Streckung und die Segmentierung durch einen mikrochirurgischen Eingriff physisch zu trennen und zu sehen, wie der eine Prozess funktioniert, wenn der andere nicht vorhanden ist."

Für ebendiesen mikrochirurgischen Eingriff entwickelten Sakar und Oates gemeinsam mit drei weiteren Forschenden der EPFL einen Chirurgieroboter – genauer gesagt: eine Plattform zur "robotergestützten Mikromanipulation von Gewebe". Die Forschenden präsentierten die Ergebnisse ihrer Arbeit im Fachmagazin "Nature".
 

Die Entwicklung eines Zebrafisch-Embryos im Zeitraffer. (Video: EPFL) 

Mit dem X-Box-Controller einen Embryo zerschneiden

Der Chirurgieroboter diente den Forschenden dazu, den Schwanz des Fisch-Embryos zu entfernen und ihn separat wachsen zu lassen. Dieses Verfahren bezeichnet man als Auspflanzung respektive als Explantation und kommt in der embryologischen Forschung häufig zum Einsatz. 

Steuern lässt sich der Roboter mit einem X-Box-Controller. So kann man beispielsweise Mikroscheren und andere Instrumente, die für Operationen an Embryonen zum Einsatz kommen, auf intuitive Art bedienen. In Kombination mit Mikroskop, Kamera und Bildschirm ermögliche es die robotergestützte Plattform, hochpräzise Schnitte mit einer Auflösung im Mikrometerbereich durchzuführen, heisst es in der Mitteilung der EPFL. 

Per X-Box-Controller lässt sich die Plattform zur "robotergestützten Mikromanipulation von Gewebe" bedienen. (Source: EPFL)

Bio-Maschinen wie Mini-Herzen als organische Pumpen

Die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt könnten weit über die Embryologie hinaus bedeutsam sein. "Wir sind auch motiviert, biologische Maschinen zu schaffen, die für bestimmte technische Aufgaben ausgelegt sind", sagt Sakar. "Wir würden zum Beispiel gerne Mini-Herzen entwickeln, die als organische Pumpen dienen und im Vergleich zum echten Herzen viel einfacher aufgebaut sind. Zu diesem Zweck liefert die robotergestützte Mikrochirurgie nicht nur die Konstruktionsprinzipien, sondern auch die Mittel zur Herstellung von Maschinen aus lebender Materie durch mechanisch gesteuerte Selbstmontage."

Dakar geht jedenfalls davon aus, dass die von ihm mitentwickelte Plattform eine breitere Anwendung findet. "Ich stelle mir vor, dass solche robotischen Mikromanipulationswerkzeuge in jedem biowissenschaftlichen Labor zum Einsatz kommen werden", sagt er. "Unabhängig vom gewählten biologischen Modellsystem, das von einzelnen Zellen bis hin zu Organismen reicht, können Robotik und Automatisierung die Wissenschaft unterstützen."

Übrigens: Vor knapp einem Jahr gelang EPFL-Forschenden in Zusammenarbeit mit der Google-Tochter Deepmind ein Durchbruch auf dem Gebiet der Kernfusionsforschung: Ein selbstlernender Algorithmus hilft dabei, den Prozess der Kernfusion besser zu kontrollieren. Lesen Sie hier mehr dazu

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