E-Health

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen gelingt, wenn die Akteure mitziehen

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von Nassima Wyss-Mehira, Vizedirektorin, Mitglied der Geschäftsleitung, Bundesamt für ­Gesundheit (BAG) / ml

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen dient allen: der Bevölkerung, Ärzteschaft und Pflege, den Spitälern und ­Laboren sowie der Lehre und Forschung. Dafür braucht es aber eine bessere Vernetzung der Systeme und gemeinsame Standards auf technischer Ebene. Genau da setzt das Programm Digisanté an.

Nassima Wyss-Mehira, Vizedirektorin, Mitglied der Geschäftsleitung, Bundesamt für ­Gesundheit (BAG). (Source: zVg)
Nassima Wyss-Mehira, Vizedirektorin, Mitglied der Geschäftsleitung, Bundesamt für ­Gesundheit (BAG). (Source: zVg)

Gibt es überhaupt eine Alternative zur Digitalisierung im Gesundheitswesen? Die Antwort darauf ist: Nein. Die Digitalisierung ist schon da, schreitet rasch voran und wir müssen auf den Zug aufspringen. In einer zunehmend mobilen Gesellschaft brauchen wir unsere Gesundheitsdaten dort, wo wir gerade sind: die Laborwerte im Spital, den Austrittsbericht des Spitals beim Hausarzt und das Rezept in der Apotheke. Obwohl die meisten Ärztinnen und Ärzte wie auch alle Spitäler schon heute digital arbeiten, sind die Informationen der verschiedenen Gesundheitsfachpersonen nicht verknüpft und Patientinnen und Patienten müssen sie selbst sammeln.

Unterschiedliche digitale Systeme sprechen nicht dieselbe Sprache

Da die Systeme der Gesundheitsversorger oft nicht dieselbe Sprache sprechen, können sie sich untereinander gar nicht verständigen. Dieselben Informationen müssen immer wieder von Neuem erfasst werden. Das ist nicht nur umständlich und arbeitsintensiv. Es birgt auch die Gefahr von Übertragungsfehlern und stellt damit ein Sicherheitsrisiko für die Patientinnen und Patienten dar. Für einen nahtlosen Datenaustauch fehlen bislang die nötigen gemeinsamen technischen Standards. So könnten mit einem einheitlichen Standard für die Unterscheidung von «männlich» und «weiblich», der in allen Systemen immer ein «x» und ein «y» ist, alle Systeme das Geschlecht gleichermassen korrekt lesen und verstehen. Genau hier setzt das nationale Programm Digisanté zur Förderung der digitalen Transforma­tion im Gesundheitswesen an.

Digisanté fördert die übergreifende Koordination zwischen den Akteuren

Digisanté schafft die Voraussetzungen für die digitale Transformation im Gesundheitswesen und damit für mehr Qualität, mehr Effizienz, mehr Transparenz und eine erhöhte Patientensicherheit. Diese Wirkung kann sich jedoch nur entfalten, wenn alle wesentlichen Akteurinnen und Akteure aufeinander abgestimmte, gemeinsame Ziele verfolgen. Im föderalistisch organisierten Gesundheitswesen der Schweiz ist dies eine grosse Herausforderung. Aber ein koordiniertes Vorgehen wird eine höhere Effizienz bringen, indem beispielsweise einmal erfasste Daten für verschiedene Zwecke genutzt werden können. Eine solche übergreifende Koordination kann über ein nationales Programm wie Digisanté erfolgen.

Auch der Bund digitalisiert

Die digitale Transformation umfasst alle, die im schweizerischen Gesundheitswesen aktiv mitwirken. Auch der Bund steht in der Pflicht, zu digitalisieren. Er baut keine Praxis- oder Klinikinformationssysteme für Spitäler, aber er stellt Standardschnittstellen oder zentrale Register zur Verfügung. Oder einen Terminologieserver, von dem die verbindlichen, gemeinsamen Standards heruntergeladen werden können, um die Einmal-Eingabe von Daten (Once-Only-Prinzip) zu ermöglichen. Auch digitalisiert der Bund Behördenleistungen, zum Beispiel bei Bewilligungen oder im Rahmen seiner Aufsichtspflicht. Meldungen, Bewilligungen und Gesuche müssen einfach und effizient abgewickelt werden können. Die Plattform für die Überwachung und Meldung übertragbarer Krankheiten ist ein konkretes Umsetzungsbeispiel. Ein Teil der dort erhobenen Daten fliesst anschliessend direkt ins Infoportal übertragbare Krankheiten, auf dem sich alle Interessierten darüber informieren können, wie viele Grippefälle oder auch Zeckeninfektionen aktuell gemeldet wurden. Oder das Radiation Portal Switzerland für alle Bewilligungen im Bereich Strahlenschutz, auf dem Röntgen-Geräte digital registriert werden können.

Daten für Lehre und Forschung nutzbar ­machen

Standardisierte Datenstrukturen und -inhalte dienen sowohl der individuellen optimalen Behandlung und der öffentlichen Gesundheit. Aber auch die akademische und industrielle medizinische Forschung benötigt geeignete Daten. Eine neue gesetzliche Grundlage soll die Zugriffsrechte und die Nutzung sensibler Gesundheitsdaten für die Forschung regeln. Forschende müssen den Zugang beantragen. Nur mit entsprechender Bewilligung gibt es einen Zugriff auf eine künftige nationale Dateninfrastruktur.

Spürbarer Nutzen für Patientinnen und Patienten

Digitale Transformation geschieht nicht von heute auf morgen. Es ist ein Prozess, der harte Arbeit erfordert, Zeit und Geld kostet. Wenn es aber gelingt, einzelne Prozessschritte so zu gestalten, dass Gesundheitsfachpersonen weniger Zeit damit verbringen, Daten von einem System ins andere zu übertragen, profitieren auch Patientinnen und Patienten: es bleibt mehr Zeit für das Gespräch und die Behandlung.

Das elektronische Patientendossier zeigt diesen Nutzen jetzt schon auf. Es ist Digitalisierung für Patientinnen und Patienten: Jede und jeder kann so wichtige Gesundheitsinforma­tionen an einem einzigen Ort gebündelt digital ablegen, hat zu jedem Zeitpunkt die volle Übersicht, kann die Informationen jederzeit abrufen und bestimmt selbst, mit wem sie geteilt werden sollen. Nicht zuletzt: Je besser informiert die Patientinnen und Patienten und die behandelnden Personen sind, desto kompetenter sind ihre Entscheide zur Gesundheit.

Einheitliche Standards für Gesundheitsdaten tragen zur Patientensicherheit bei. Zum Beispiel dank einer eindeutigen Patientenidentifikation: Vergleichbar mit einer AHV-­Nummer wird pro Person eine Nummer zugeteilt. So kann beim Spitalaufenthalt sichergestellt werden, dass die Laborwerte von Anna Meier aus Zimmer 106 nicht fälschlicherweise Anna Müller aus Zimmer 327 zugewiesen werden. Die eindeutige Identifikation stellt also sicher, dass die richtigen medizinischen Daten mit der richtigen Person verknüpft werden. Das erleichtert den nahtlosen Datenaustausch zwischen den Systemen. Und ist essenziell für die Qualitätssicherung, Forschung und individuelle Behandlung entlang des Patientenpfades.

Die Frage ist also nicht, ob digitalisiert wird, sondern wie gut und wie schnell uns dies gelingt. Grundvoraussetzung ist, dass die Akteure in der Digitalisierung zusammenarbeiten und mitziehen. Dafür schafft Digisanté einen geeigneten Rahmen. 
 

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