Vom Assemblierer zum Service-Provider
Es gibt sie, die IT-Firmen, die mehr als die Hälfte ihres Umsatzes mit der Cloud machen. Dino Fioris Firma zählt zu dieser Gruppe. Fiori hatte sehr früh den richtigen Riecher und klare Vorstellungen über die Zukunft.
Dino Fiori steht an seinem Schreibtisch. Er ist höhenverstellbar, der Tisch. Das Büro, in dem er steht, ist von raumhohen Fenstern umgeben. Zwei geben den Blick frei auf Horgen, den Zürichsee und ganz in der Ferne auf die Silhouette der Stadt Zürich. Zumindest wenn die Luft klar ist.
Die zwei anderen Glaswände grenzen das Büro vom Rest des Raumes ab. Die Tür des Büros, sie ist auch aus Glas, steht offen. Auch wenn Fiori jetzt gerade Besuch hat.
Leise Geräusche dringen durch die offene Tür. Einzelne Stimmen und Gesprächsfetzen, Tastaturen klappern, Telefone klingeln. Würde Fiori ein Fenster öffnen, würde nach kurzer Zeit der Geruch von Benzin durch die Luft wabern. Zwei Stockwerke weiter unten füllen Autofahrer die blechernen Mägen ihrer Fahrzeuge.
Das gläserne Büro über der Tankstelle direkt an der A3 bei Horgen ist seit sieben Jahren Fioris Arbeitsplatz. Von hier leitet er die Geschicke seines "Babys", wie er seine Firma nennt. Fiori strahlt, wenn er über sie spricht. Sein Stolz ist fast greifbar. Das Baby ist heute aber eigentlich ein junger Erwachsener. 1996 gründete Fiori die Firma. Er war damals 21 Jahre alt und schon lange angefixt.
Die Uni hinkte der Gegenwart hinterher
Fiori bekam seinen ersten PC, als er 12 Jahre alt war. "Ich glaube es gab noch nicht mal Windows." Mit 16 Jahren assemblierte und verkaufte er Rechner. "Damals konnte man damit noch richtig Geld verdienen." Ein paar Jahre später schrieb sich Fiori an der Universität Zürich für Wirtschaftsinformatik ein. Überzeugt, das richtige Studium gewählt zu haben.
Die Uni zeigte Fiori eine andere Welt, als er in der Frühphase des Internets erwartet hatte. "In den Vorlesungen habe ich mich gelangweilt", sagt er. Er sollte programmieren lernen, in Turbo Pascal. "Das war nichts für mich." Er brach das Studium ab und gründete seine Firma. Dinotronic.
Der erste grosse Kunde liess nicht lange auf sich warten: die Zürcher Kantonalbank. Acht, neun Jahre später beschäftigte Fiori schon über zehn Mitarbeiter. Gemeinsam boten sie Netzwerk- und Systemtechnik für KMUs an.
Wenn er heute davon erzählt, klingt es, als wäre alles sehr einfach für ihn gewesen. Doch das war es nicht. "Am Anfang musste ich auf vieles verzichten", sagt Fiori. Er kämpfte sich durch einige harte Jahre.
Der Markt veränderte sich, Fiori erkannte das
Trotzdem verstand Fiori ziemlich schnell, welchen Weg er einschlagen musste: Sichere Kommunikation, Push-E-Mail, E-Mail-Synchronisation. Dienste, die damals ausser Blackberry noch niemand so richtig anbot, erinnert sich Fiori. Also entwickelten Fiori und sein Team eine eigene Lösung. Ihren ersten gehosteten Service. "Damit hatten wir ziemlich grossen Erfolg", sagt Fiori. Von diesem Erfolg beflügelt investierte er in eine eigene Infrastruktur und stellte sie in die Rechenzentren von Interxion.
Einige Jahre später, etwa 2008, erkannte Fiori, dass im Markt etwas passierte. Das Geschäft, wie er es kannte, veränderte sich. Der IT-Dienstleister, der vom Projektgeschäft lebte, entwickelte sich zum Managed-Service-Provider. "Ich habe das sehr früh realisiert und umgesetzt", sagt Fiori.
Es kam zu vielen Veränderungen in seiner Firma. Neue Mitarbeiter, neue Strukturen. "Diese Phase prägt uns noch heute", sagt Fiori. "Wir machen jetzt über 60 Prozent unseres Umsatzes mit eigenen Managed Services und haben deshalb einen hohen Anteil an wiederkehrenden Einnahmen." Er sei heute nicht mehr so sehr auf Projektspitzen angewiesen. "Den Wandel, den viele noch vor sich haben oder gerade mittendrin stecken, haben wir hinter uns", sagt Fiori. "Wir sind heute in einer sehr guten Ausgangslage."
IT-Sicherheit beschäftigt Fiori mehr denn je
Die gute Ausgangslage fusst auf einer weiteren Entscheidung. Die traf Fiori 2010. Damals erkannte er, dass sich auch die IT-Sicherheit veränderte. Traditionell hatte sich die Branche bis dahin auf die Geräte fokussiert. Man habe Geräte geschützt, einzelne Funktionen deaktiviert, USB-Ports gesperrt, Antivirus und Firewalls installiert. "Aus unserer Sicht verpuffte da sehr viel Energie", sagt Fiori. Denn am Ende gehe es ja nur darum, die Daten zu schützen, die Informationen auf den Geräten. Die traditionellen Schutzmechanismen hätten zwar noch immer ihre Daseinsberechtigung. "Aber wir konzentrieren uns seither auf Information Protection", sagt Fiori.
Wie bei den Managed Services war Fiori mit dem Richtungswechsel früh dran. Er und sein Team entschieden sich für Data Loss Prevention, wie er es nennt. IT-Sicherheit entwickelte sich für Fiori zu einem wichtigen Standbein und beschäftigt ihn heute mehr denn je. "Sobald wir von der Cloud sprechen, müssen wir auch von Informationssicherheit sprechen", sagt er. Die Frage sei dabei nicht, wo diese Informationen sind. "Das kann man ohnehin nicht mehr kontrollieren." Die Frage sei, ob und wie man Informationen klassifiziert und trotz zunehmender Mobilität unter Kontrolle behalten könne. "Das ist spannend für uns. Hier investieren wir", sagt er. "Unsere Vision ist: IT so sicher und zuverlässig wie bei den Grossen."
Die Grossen hätten Security Operation Center. Sie würden aus allen Quellen Logs sammeln und gegeneinander abgleichen. So erkenne man leichter einen Zwischenfall. Etwa wenn fünf Mitarbeiter die gleiche E-Mail erhalten und eine halbe Stunde später drei der PCs der fünf mit einem verdächtigen Endpunkt im Internet kommunizieren.
Cloud-Plattformen werden für Fiori zum Türöffner
Ein KMU kann sich so ein Security Operation Center nicht leisten. Fiori will das ändern. "Wir bauen jetzt so ein SOC für Security Intelligence und Analytics auf", sagt er. Ein SOC-as-a-Service für KMUs. "In Kombination mit Cloud-Services ist das super spannend."
Die grösste Herausforderung dabei: "Die meisten Entscheidungsträger in KMUs haben noch nicht verstanden, was die Cloud überhaupt ist", sagt Fiori. Für ihn selbst öffnen sich mit der Cloud vollkommen neue Anwendungsszenarien. Hosted Desktop oder Managed Workplace etwa. Ein Desktop, der in einem Rechenzentrum läuft. Inklusive Legacy-Applikationen, wie Fiori sagt.
Mit Cloud-Plattformen wie Azure könne er so ein Desktop minutengenau abrechnen. Der Kunde zahle am Ende genau das, was er nutze. Wer in Azure einen Desktop 24 Stunden laufen lasse, fahre natürlich unter dem Strich teurer als mit der eigenen Infrastruktur. "Das wird oft falsch gerechnet. Azure ist gar nicht für den Dauerbetrieb gedacht", sagt Fiori. Die eigentlichen Vorteile der Azure Cloud – der hohe Automatisierungsgrad und die Skalierbarkeit würden so nicht vollumfänglich genutzt.
Die Cloud-Lösungen von Microsoft seien für ihn jedenfalls gute Türöffner. "Das setzt sich durch", sagt Fiori. "Das wird unser Lead Offering werden." Alles andere rundherum verändere sich. Früher habe er einen Storage-Spezialisten gebraucht, der Storage verkauft und implementiert habe. "Das machen wir heute nicht mehr. Wir kaufen spezialisiertes Know-how einfach ein."