Green-IT ist eine Frage der Strategie
Green-IT ist eine gute Sache. Darin sind sich alle einig. Aber wenn es darum geht, etwas dafür zu tun, nimmt das Interesse ab. Vor allem kleinere Unternehmen tun sich schwer mit grüner Firmenpolitik. Ausser sie müssen dafür nicht viel investieren und können damit Geld sparen.
Green-IT macht sich gut, kann als Verkaufsargument dienen und wird immer wichtiger. Nur kosten darf es nichts. Dies beschreibt, kurz zusammengefasst, die Bedeutung von Green-IT in der Schweiz.
Wie sehr die finanziellen Aspekte bei der Entscheidung für oder gegen eine grüne Firmenpolitik eine Rolle spielen, bestätigt Franz Grüter, CEO des Rechenzentrumsbetreibers Green Datacenter. "Solange Unternehmen mit Green-IT Energie sparen können, ohne zusätzlich investieren zu müssen, sind sie dabei", sagt er. Das Problem bei Green-IT aber sei, dass oftmals Initialkosten anfielen. Umso wichtiger sei es, dass sich Investitionen durch tiefere Energiekosten rasch amortisierten. "Massnahmen bezüglich Green-IT müssen ökologisch und ökonomisch ein Erfolg sein, sonst funktionieren sie nicht. Denn die meisten Unternehmen sind nicht bereit, für Green-IT mehr Geld auszugeben", sagt Grüter. Unternehmen mit kostensparenden Green-IT-Angeboten hätten jedoch einen klaren Marktvorteil, davon ist er überzeugt.
Green Datacenter hat für sein neues Rechenzentrum in Lupfig bisher rund 50 Millionen Schweizer Franken auf den Tisch gelegt. Ziel war es, ein modernes und "grünes" Rechenzentrum zu bauen, das neuen Industrie- und Energiestandards entspricht. Noch ist das Rechenzentrum aber nicht fertig. Das erste Modul ist seit zwei Jahren in Betrieb, zwei weitere sollen folgen, beide werden rund 30 Millionen Franken kosten. Hinzu kommen 20 Millionen Franken für den neuen Innovation Tower, ein Bürogebäude, das mit der Abwärme aus dem Rechenzentrum geheizt werden soll.
"Wir hatten das Huhn-Ei-Problem beim ersten Modul des Rechenzentrums", sagt Grüter. "Die Kunden sagten uns, wir sollten das Rechenzentrum doch einfach mal bauen, dann könnten sie entscheiden, ob sie einziehen wollen." Aber bevor er nicht wusste, ob er Kunden haben wird, konnte er logischerweise nicht mit gutem Gewissen grosse Investitionen tätigen. Er musste folglich ein gewisses Risiko eingehen. Das hat sich aber laut Grüter gelohnt. Das Rechenzentrum in Lupfig gilt inzwischen als globales Vorzeigeprojekt für den energieeffizienten Betrieb. Anfang des Jahres erhielt es vom Bundesamt für Energie sogar den Prix Watt d’Or. Zudem hat Grüter nach eigenen Angaben jeden Tag Interessenten, die das Rechenzentrum besuchen wollen.
Grund für den Ansturm ist primär ein von ABB entwickeltes und installiertes Gleichstromverteilungssystem, das neben der Schweiz nur noch in Singapur und in den USA eingesetzt wird. Der angelieferte Wechselstrom wird im Rechenzentrum zentral in 380 Volt Gleichstrom umgewandelt und ohne weitere Transformation bis zu den Servern geführt. Das Gleichstromnetzteil am Server nimmt dann lediglich noch die Spannungsanpassung auf Serverbetriebsspannung vor. Mehrfache Transformationen, wie sie in Wechselstrom-Rechenzentren üblich sind, entfallen so. Dadurch werden Umwandlungsverluste minimiert und weniger Wärme erzeugt. Nicht zuletzt wird so weniger Energie benötigt, um die Räume zu kühlen. Dies alles ergibt Einsparungen an Stromverbrauch von rund 20 Prozent, meint Grüter.
Green bietet derzeit ein Hybridsystem an, also die Versorgung wahlweise mit Gleich- oder Wechselstrom, denn noch sind nicht alle Kunden auf die Gleichstromversorgung umgestiegen. Momentan erhalte Green aber viele Anfragen, und Rollouts seien im Gange, so Grüter. Ein idealer Zeitpunkt, um auf die Gleichstromschiene aufzuspringen, ist für Kunden von Green dann, wenn sie ihre Serverlandschaft ersetzen müssen. Dies ist etwa alle drei, vier Jahre der Fall. Statt herkömmliche Server zu kaufen, können sie seit letzten September Server mit einem Gleichstromnetzteil anschaffen. Abgesehen vom Anschluss funktionieren diese wie andere Server auch.
Das Gleichstromverteilungssystem ist nicht die einzige grüne Technik, mit der Green arbeitet. Auch Free Cooling gehört dazu. Dabei wird kalte Umgebungsluft zur Kühlung des Rechenzentrums genutzt. Auch mit Kaltgangeinhausung wird im Rechenzentrum massgeblich Energie gespart. Dabei werden durch Einhausung der Server die Warmluft- und die Kaltluftbereiche strikt getrennt. So kühlt man nur dort, wo es wirklich nötig ist. Green setzt damit verbreitete Massnahmen zur Energieeinsparung in Rechenzentren ein.
Doch streng genommen nützt all diese schönen Technik nichts, solange das Kernproblem, die Abwärme der Server, nicht gelöst ist. "Würden es die Hersteller schaffen, Server zu produzieren, die keine Wärme mehr abgeben, wäre das ein grosser Fortschritt", so Grüter.
Wofür steht der PUE-Wert?
Wie "grün" ein Rechenzentrum ist, lässt sich mit dem Power-Usage-Effectiveness-Wert (PUE) definieren. Dieser ist ein international anerkannter Kennwert für die Energieeffizienz eines Serverraumes oder Rechenzentrums. Er ergibt sich aus dem Verhältnis des gesamten Stromverbrauchs eines Rechenzentrums und dem Stromverbrauch für die eigentliche IT. Der kleinstmögliche PUE-Wert beträgt 1,0. Das würde bedeuten, dass 100 Prozent der vom Rechenzentrum eingesetzten Energie von der IT-Hardware genutzt wird. Dieser Wert ist aber nicht realistisch, da ein Minimum an Infrastruktur wie Stromversorgung, Kühlung und Lüftung unumgänglich ist. Ein Wert gleich oder grösser als 2 wiederum gilt heutzutage als ineffizient, weil nur die Hälfte der eingesetzten Energie in die Hardware fliesst, die andere Hälfte aber in die Infrastruktur. "Weitverbreitet sind Werte um 2,0 oder 1,8", sagt Martin Jakob, Geschäftsführer bei TEP Energy.
Jakob managt zusammen mit dem Programmleiter Adrian Altenburger von Amstein+Waltert (A+W) das Förderprogramm Pueda, das die drei Firmen TEP Energy, A+W und Jobst Willers Engineering ins Leben gerufen haben. Ziel des Förderprogramms ist es, Betreiber und Eigentümer von Rechenzentren durch Fördergelder dazu zu bewegen, ihre Rechenzentren effizienter zu planen und zu betreiben. Pueda unterscheidet dabei zwischen bestehenden und neuen Rechenzentren, wobei bei Letzteren die Planung sowie die Inbetriebnahme eine Rolle spielen.
Wer sich mit einem Rechenzentrum beteiligen will, muss bestimmte Bedingungen erfüllen. So muss das Rechenzentrum beispielsweise eine Leistung von 10 kWIT (Kilowatt für die IT) erreichen, was dem Verbrauch von etwa 25 bis 30 Servern entspricht. Um in den Genuss von Fördergeldern zu kommen, muss der PUE unter den Wert von 1,7 (bestehende Rechenzentren) beziehungsweise unter 1,5 (neue Rechenzentren) gesenkt werden.
Sind die vertraglich vereinbarten Ziele erreicht, erhält der Betreiber oder Besitzer des Rechenzentrums das Fördergeld, das zwischen 50 000 und 150 000 Franken variiert, je nachdem, wie stark der PUE-Wert reduziert wird. Zusätzlich wird auch die Nutzung der Abwärme eines Rechenzentrums zur Heizung honoriert, sagt Jakob.
Derzeit beteiligen sich insgesamt 27 Schweizer Rechenzentren am Programm, 9 davon sind noch nicht gebaut. Von den 18 bestehenden Rechenzentren, die sich am Projekt beteiligen, hat erst eines die Effizienzmassnahmen komplett realisiert und wertet derzeit die Resultate aus. Alle anderen befinden sich noch in der Planungs- oder Umsetzungsphase. Laut Jakob wird es noch etwa ein halbes Jahr dauern, bis die ersten Messergebnisse vorliegen. Die Fördergelder für die neuen Rechenzentren sind bereits zu zwei Drittel, bei den bestehenden zu gut der Hälfte ausgeschöpft, je nach PUE, den die RZ-Betreiber erreichen werden.
Finanziert wird das Förderprogramm indirekt aus den Einnahmen der Stromabgaben, die Unternehmen und Private zahlen müssen. Aus dem damit gespeisten Fonds werden nebst Projekten für erneuerbare Stromerzeugung auch Förderprogramme wie Pueda finanziert, die der Umwelt zugute kommen. Dies geschieht über die wettbewerblichen Ausschreibungen des Bundesamts für Energie. 2010 erhielt Pueda den Zuschlag für das Förderprogramm für bestehende Rechenzentren, 2011 denjenigen für neue Rechenzentren. Der Name "Pueda" nimmt übrigens Bezug auf die Formel, die als Grundlage zur Berechnung der Förderbeiträge gilt.
Unternehmen sensibilisieren
Doch nicht nur Rechenzentren können effizienter werden, auch Unternehmen können Massnahmen ergreifen, um CO2 einzusparen. Die Berner Klimaplattform der Wirtschaft (KdW), die 2007 im Rahmen der Klimakampagne "Bern atmet durch" entstanden ist, will Unternehmen für den Umweltgedanken sensibilisieren. Sie untersteht dem Berner Amt für Umweltschutz, bietet Beratungen an und will Unternehmen dazu animieren, ihren CO2-Ausstoss zu senken, sei es durch Green-IT oder andere Massnahmen. So sollen jedes Jahr 2000 Tonnen CO2 eingespart werden, wie Projektleiterin Brigitta Stillhardt sagt.
Dieses Ziel wurde seit 2008 immer erreicht beziehungsweise übertroffen. Derzeit beteiligen sich 55 Unternehmen aus verschiedenen Branchen bei der KdW. Unter den Unternehmen aus der Telekom- und der IT-Branche, die in den letzten Jahren ihren CO2-Ausstoss verringert haben, findet man beispielsweise IBM Schweiz und Swisscom. IBM Schweiz hat 2010 eines seiner Rechenzentren modernisiert und vermehrt virtualisiert. Auch Swisscom hat verschiedene Massnahmen umgesetzt, unter anderem durch die Nutzung von Videokonferenzsystemen oder der Kühlung technischer Gebäude mit Aussenluft.
Motivation für Green-IT?
So weit so gut, doch was motiviert Unternehmen dazu, sich für die Umwelt einzusetzen? "Wir haben die ganze Bandbreite: Manche Unternehmen agieren aus Überzeugung, für andere spielen ökonomische Faktoren eine wichtige Rolle und manche wollen ein Zeichen setzen", sagt Stillhardt. Auch der Chef eines Unternehmens könne einen grossen Einfluss ausüben, ergänzt Stefan Bolliger, der für die koordinativen Arbeiten der Klimaplattform zuständig ist.
Die Frage zur Motivation hat sich Swisscom ebenfalls gestellt und hat dazu letztes Jahr eine Studie mit dem Titel "Umwelt und Green ICT in Schweizer Unternehmen" erstellt. An der Umfrage haben sich 463 Unternehmen aller Branchen beteiligt. 9 von 10 Studienteilnehmern sind CEOs oder CIOs, rund 10 Prozent kommen aus der mittleren Führungsebene. 90 Prozent der Befragten stammen aus kleinen Unternehmen. Je 5 Prozent gehören grossen und mittleren Unternehmen an.
Bernhard Kalkbrenner, Absolvent der Universität St. Gallen, hat die Daten zusammen mit Swisscom IT Services erfasst und sie für seine Masterarbeit genutzt. Dabei hat er einige grundsätzliche Erkenntnisse gewonnen: So wird Green-IT immer wichtiger, je grösser ein Unternehmen ist. Von den grossen Unternehmen, die Swisscom befragte, setzen rund 80 Prozent Green-IT-Lösungen ein. Bei den kleinen Unternehmen sind es hingegen nur etwas über 20 Prozent. "Kleine Unternehmen haben wenig Interesse und Erfahrung und setzen sich nicht wirklich mit diesem Thema auseinander", erklärt Kalkbrenner dieses Ergebnis. Vor allem hätten sie keine Übersicht über die Produkte und nicht das Know-how und die Zeit, sich damit intensiver auseinanderzusetzen. Nicht zuletzt sind hohe Investitionen ein Problem. "Ich meine, dass der spätere Nutzen zu wenig beachtet wird", sagt er.
Doch welche Möglichkeiten haben Unternehmen überhaupt, um Energie in der IT zu sparen (Green-IT) beziehungsweise durch den Einsatz von ICT Energie zu sparen (Green by IT)? "Wir haben festgestellt, dass Homeoffice-Lösungen am häufigsten genutzt werden und an zweiter Stelle das papierlose Büro beziehungsweise der elektronische Datenverkehr", sagt Kalkbrenner. Damit lassen sich Ressourcen wie Papier sparen und Arbeitswege vermeiden. An dritter und vierter Stelle sieht Kalkbrenner den Einsatz energieeffizienter Geräte beziehungsweise virtueller Konferenzlösungen.
Gründe, warum sich Unternehmen für Green-IT entscheiden, hat Kalkbrenner ebenfalls untersucht. Wenn das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt und Unternehmen Geld sparen können, fällt ihnen der Entscheid für Green-IT leichter, sagt er. Weiter haben die Befragten die Unternehmensverantwortung und die Verbesserung des Images als wichtigen Punkt angegeben.
Massnahmenkataloge für Unternehmen
Auch die Schweizer Informatikgesellschaft setzt sich für Green-IT ein. Mit seiner Fachgruppe Green-IT verfolgt der Verein keine wirtschaftlichen Interessen. "Wir sehen uns als Kompetenzzentrum für Politiker, Unternehmen und Betreiber von Rechenzentren", sagt Doris Slezak, die der Fachgruppe angehört. Sie ist Ökologin und hat zusammen mit den beiden Informatikern Beat Koch und Stefan Wingeier im Rahmen einer Diplomarbeit einen Massnahmenkatalog für KMUs erstellt, mit dessen Hilfe diese ihre ICT energieeffizienter und nachhaltiger gestalten können. Die Fachgruppe ergänzte dieses Angebot um Massnahmenkataloge für Grossunternehmen, Rechenzentren und Private, die man auf der Website der Fachgruppe findet. Auf Anfrage führt sie zudem Vorträge und Workshops durch.
Die Gruppe setzt den Fokus nicht nur auf den Energieverbrauch von Rechenzentren, sondern versucht das Thema ganzheitlich abzudecken. Für Slezak fangen die Probleme schon bei der Produktion an und erstrecken sich über den gesamten Lebenszyklus von Computern, Laptops und Co. Die Produktion solcher Geräte erfordere viel Energie und Ressourcen und auch die Entsorgung sei ein Problem, sagt sie. Nicht zuletzt, weil sich in den Geräten spezielle Metalle, sogenannte Seltene Erden, befinden, die irgendwann einmal erschöpft sein werden. Doch der IT-Boom in den Schwellen- und Entwicklungsländern steht erst noch bevor. "Wie wollen wir den Bedarf an ICT-Infrastruktur in Zukunft decken, wenn wir mit Materialien arbeiten, die endlich sind?", fragt sich Slezak. Leider gebe es zu diesen Themen noch keine Lösungen, es wird aber intensiv geforscht.
"Die ICT wird für die Energiewende zentral sein", zeigt sich Slezak überzeugt. Es sei daher wichtig, in diesem Bereich mehr zu tun. Die einfachste Massnahme, um Strom zu sparen, die jeder umsetzen kann, ist bekannt: Geräte, die man nicht braucht, sollte man ausschalten. Zwar verbrauchen sie im Stand-by-Modus nicht viel Strom, aber durch die grosse Anzahl der Geräte summiert sich der Verbrauch auf Dauer trotzdem. "Das ist wie bei einem Wasserhahn, der tropft. Mit dem Unterschied, dass man den Wasserhahn reparieren lässt. Die Geräte hingegen lässt man einfach laufen", so Slezak.
Aus ihrer bisherigen Erfahrung weiss sie, dass die wenigsten Unternehmen primär CO2 einsparen wollen, wenn sie Ressourcen zusammenlegen. Vielmehr gehe es dann darum, Prozesse zu vereinfachen und Kosten zu sparen, wie bei der Virtualisierung beispielsweise. Dennoch profitiert die Umwelt. "Thin Clients müssen zwar auf einen Server zugreifen, aber ein Server ist meist besser ausgelastet als ein Desktop-PC." Bei der Zentralisierung von Druckern wiederum können Support und die Materialbewirtschaftung enorm vereinfacht werden. Und es wird weniger gedruckt. "Wenn die Leute weiter laufen müssen, überlegen sie sich auch eher, ob sie ein Dokument wirklich ausgedruckt benötigen oder nicht."
Neben ihrer Sensibilisierungsarbeit bietet die Fachgruppe Green-IT ab Herbst in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern ein Certificate of Advanced Studies in Green-IT an. Bleibt zu hoffen, dass der Studiengang mehr Menschen für Green-IT zu begeistern vermag.