AI & Robotics

Wo Unternehmen bei der Einführung von KI-Robotern auf Schwierigkeiten stossen

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Kompakter, günstiger, einfacher – die Welt der Roboter verändert sich rasant. Ganz praktisch erlebt das Michael Rusterholz. Im Interview sagt der Head of AI & Robotics bei Supercomputing Systems (SCS), wie generative KI die Robotik heute schon prägt und warum manche Unternehmen bei deren Implementierung straucheln.

Michael Rusterholz, Head of AI & Robotics, Supercomputing Systems (SCS). (Source: zVg)
Michael Rusterholz, Head of AI & Robotics, Supercomputing Systems (SCS). (Source: zVg)

Sie leiten die Abteilung AI & Robotics bei Supercomputing Systems. Wie viele Roboter haben Sie bei sich zuhause im Einsatz?

Michael Rusterholz: Ich habe einen Putzroboter, der nicht nur den Staub saugt, sondern auch den Boden feucht wischt. Der ist wirklich super. Aber das ist nicht das einzige automatische System, das mein Leben vereinfacht. Ich sehe auch meinen Geschirrspüler oder die KI, die mein Aktienportfolio verwaltet, im weitesten Sinne als Roboter an. Die Grenze wird zunehmend verschwimmen.

Auf Ihrer Website schreiben Sie von der rasanten Entwicklung der letzten Jahre im Bereich KI und Robotik. Nennen Sie mir ein Beispiel: Welche Art von Anwendungen ist heute realisierbar, die vor fünf Jahren noch nicht möglich war?

Mit Foundational Models wie GPT, Stable Diffusion oder Segment Anything können heute komplexe Aufgaben mit deutlich weniger Trainingsdaten gelöst werden. Gleichzeitig wurde die Hardware kompakter und günstiger, was KI-Anwendungen wie Objekterkennung und Segmentierung auf kleinen Robotern ohne Internetzugang ermöglicht. Putzroboter erkennen Socken, die sie nicht aufsaugen sollen. Oder wir entwickelten eine KI-Pipeline für ein Embedded System, das in einer Drohne der Rega mitfliegt und auf Infrarotbildern vermisste Personen findet.

Inwiefern beeinflusst die aktuell sehr gehypte generative KI die Robotik? Wie wirkt sich der Aufstieg der GenAI konkret auf Robotik aus? 

Bisher waren Roboter stark spezialisiert, beispielsweise um eine Metallkugel zu fassen und aufzuheben. Die generative KI führt dazu, dass derselbe Roboter künftig auch ein Ei fassen oder vielleicht sogar die Wäsche zusammenlegen kann. Es ist erstaunlich, was mit Vision-Language-Action-Modellen bereits möglich ist. Es werden auch zunehmend vortrainierte, multimodale Modelle eingesetzt anstelle von klassischen Machine-Learning-Algorithmen. Letztere trainiert man spezifisch auf einen Task – beispielsweise, um anhand eines Bildes den Weg zu finden. Ein multimodales Modell muss nicht spezifisch dafür trainiert werden: Es kann Bilder beschreiben und akzeptiert Textanweisungen, womit man sich den Weg beschreiben lassen kann. 

Regelmässig lese ich Warnungen, zu viel Hoffnung in KI zu haben; und Gartner prophezeit der KI den Abstieg ins "Tal der Enttäuschungen". Wie erleben Sie das? Erfüllt KI in Kombination mit Robotern die Erwartungen? 

Bei gut definierten Aufgaben mit genügend Trainingsdaten erreicht man mit KI erstaunliche Dinge. Es ist jedoch schwierig, alle erdenklichen Randfälle in den Daten abzudecken. Sollten diese Situationen auftreten, ist unklar, wie die KI reagiert. Das kann gefährlich sein. Zudem können Dinge, die uns Menschen trivial erscheinen – beispielsweise ein Ei statt einer Metallkugel zu fassen – für den Roboter mit KI zwei komplett verschiedene Aufgaben darstellen. Dies könnte sich in Zukunft dank Foundational Models verbessern, jedoch befinden sich diese noch in einer frühen Forschungsphase und sind noch nicht wirklich reif für die Industrie. ­

Was müssen Unternehmen tun, damit ihre KI- und Robotik-­Projekte nicht enttäuschen? 

Jedes Projekt sollte mit einem sauberen Innovationsprozess starten, der eine Machbarkeitsstudie umfasst. Gibt es einen Use Case? Oder will ich auf Biegen und Brechen KI einsetzen? Oft wird nicht ehrlich kommuniziert, was möglich ist. Es braucht ein Grundverständnis, wo die Stärken und Schwächen von KI liegen. Nicht alles, was machbar ist, ist auch sinnvoll. Und was sehr wichtig ist: Man sollte früh beginnen, Daten zu sammeln.

Welche häufigen Probleme bei der Implementierung eines ­Robotikprojekts treffen Sie bei Ihrer Arbeit an? 

Oft fehlen die Daten für Spezialfälle. Nehmen wir das autonome Fahren: Es gibt viele Bilder bei guter Sicht. Aber bei Regen, Nebel und Schnee? Oder bei tabellarisch strukturierten Daten fehlt plötzlich ein Eintrag. Was macht der Algorithmus dann? Plötzlich zieht die KI andere Schlüsse, nur weil die Daten anders formatiert sind. Oft macht der Kunde auch früh in einem Projekt Restriktionen aus Kostengründen und schränkt die Use Cases oder die erlaubte Hardware ein. Oft sieht man am Schluss eines Projekts besser, wo man sparen kann und welche Use Cases sich einfach abdecken lassen und welche nicht. Auch die mechanische Komplexität sollte so tief wie möglich gehalten werden. Je mehr Arme oder Beine ein Roboter hat, desto aufwändiger wird die Wartung, desto mehr Komponenten können ausfallen.  

Und welche Lösungen schlagen Sie zur Behebung beziehungs­weise Überwindung vor? 

Um beim Beispiel mit den Beinen zu bleiben: Manchmal ist es einfacher, die Umgebung anzupassen: Wenn es keine Treppen oder Stufen gibt, kann sich der Roboter mit Rädern fortbewegen statt mit Beinen. Bringt man QR-Codes an, kann er sich einfacher orientieren. Ob die KI das geeignete Tool ist, sollte man früh abklären. Vielleicht ist der Mensch schneller und besser. Und für den Fall, dass sich die KI zwar eignet, aber zu wenig Trainingsdaten vorhanden sind, funktionieren Simulationen, in denen die Physik abgebildet wird, oft gut, um zusätzliche Trainingsdaten zu generieren. 

Die Schweiz ist ein Innovationsstandort; und die Organisation Greater Zurich Area bewirbt den Kanton Zürich für seine Innova­tionskraft in der Robotik. Teilen Sie diese Einschätzung? 

Mit der ETH und den Fachhochschulen, aber auch vielen Firmen, vom KMU bis zu Google, OpenAI, IBM oder neuestens Anthropic, gibt es in der Region Zürich definitiv grosse Innovationskraft. Im Bereich der Drohnen sogar ein wichtiges Cluster. 

Wo sehen Sie hierzulande noch Nachholbedarf oder Hürden? 

Im Vergleich zu den USA gibt es in der Schweiz weniger Venture Capital, die Risikobereitschaft ist deutlich kleiner. Zudem sind die Gesetze in Europa restriktiver, beispielsweise um autonome Fahrzeuge auf der Strasse zu testen. Das bedeutet aber auch, dass unsere Lösungen oft besser ausgereift sind. Für autonome Roboter ist zudem die Barrierefreiheit ein Thema: Lieferroboter haben in der Altstadt Probleme.

Aus welchem Land kommen die KI- und Robotikkomponenten, mit denen Sie Ihre Lösungen entwickeln? 

Wir setzen entweder Grafikkarten für den PC-Bereich ein oder Embedded Hardware und FPGAs, die typischerweise in den USA entwickelt und in Asien produziert werden. Die Systeme werden dann hier in der Schweiz gefertigt. 

Wie sehen Sie Ihr Arbeitsgebiet in den nächsten fünf Jahren? Wo stehen KI und Robotik? 

Als Werkzeug werden wir KI einsetzen, um einfache und wiederholende Aufgaben zu automatisieren. Die kreativen und strategischen Aspekte, wie die Softwarearchitektur, werden weiterhin unsere Entwickler in Zürich übernehmen. Interessant wird sein, ob die Leute, nun an ChatGPT gewöhnt und für KI sensibilisiert, auch bereit sind, sensible Daten zur Verfügung zu stellen. So könnte man insbesondere im Medizinbereich spannende Zusammenhänge finden. Bei den Robotern wird die KI zunehmend in Bereichen eingesetzt werden, wo sichere und robuste Entscheidungen gefällt werden müssen. Wie das autonome Fahren, auch wenn es wahrscheinlich noch länger als fünf Jahre dauern wird, bis uns das Auto von allein zuhause abholt. 

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