Nieder mit den Barrieren im Web!
Jedes Jahr überbieten sich am Wettbewerb "Best of Swiss Web" Agenturen, IT-Dienstleister und freie Programmierer mit neuartigen Websites. Diese sind schön anzusehen, technisch raffiniert und brillieren bei der Nutzerführung. Bei allen Nutzern? Nicht ganz, wie die Titelgeschichte dieser Ausgabe zeigt (Seite 28).
Ungefähr 100'000 Personen in der Schweiz gelten Schätzungen des Bundes zufolge als sehbehindert. Diese Menschen können viele Websites nicht oder nur sehr eingeschränkt nutzen, weil diese nicht barrierefrei sind. Für sie werden etwa Onlinebestellungen zur Geduldsprobe, da die einzelnen Elemente zu klein sind oder die Website keine Daten an technische Hilfsmittel für Blinde wie etwa eine Braille-Tastatur sendet, die über Tasten den Nutzern haptische Informationen vermitteln.
Seitdem Facebook in seinem News-Stream Videos bevorzugt, häufen sich Clips mit Untertiteln im Web. Denn oft konsumieren Zuschauer die Videos unterwegs in Zug, Bus oder Tram und stellen den Ton ab. Sind die Videos dann nicht untertitelt, erfährt der Zuschauer nicht, worum es geht und scrollt weiter. Um die Zuschauer nicht zu verlieren, untertiteln immer mehr Videoproduzenten ihre Clips. Von dieser Entwicklung profitieren auch rund 65'000 Menschen in der Schweiz, die hörbehindert sind. Sie sind grundsätzlich auf Untertitel angewiesen. Sie verstehen sonst keine Nachrichten, Interviews oder Erklärvideos im Web.
Das Problem der mangelhaften Barrierefreiheit im Web beginnt bei der Ausbildung. Hochschulen bieten Module für barrierefreies Webdesign entweder nicht an oder als Nebenfach ohne Prüfung. Das ist schade. Denn Ausbildungsstätten könnten auf diese Weise eine wichtige Lücke im Lehrangebot schliessen und sich nebenbei am Ausbildungsmarkt profilieren. Auch die Anbieter von Websites könnten sich durch barrierefreie Angebote von ihren Mitbewerbern abheben. Übrigens bieten einige Webagenturen barrierefreie Websites an. Diese können sogar zertifiziert werden, etwa durch den Verein "Zugang für alle". Dieser verlangt für eine Zertifizierung zwar eine Gebühr. Doch diese kann sich langfristig bezahlt machen. Denn ein barrierefreies Webangebot bietet tausenden eingeschränkten Menschen einen Mehrwert. Und mal ehrlich: Im Jahr 2017 sollte doch eine barrierefreie Website der Standard sein.