(K)Eine KI-Revolution für Web Accessibility
Von Coding-Richtlinien über Schnittstellen bis hin zu Entwickler-Tools und Communities: Es mangelt wahrlich nicht an den Grundlagen für ein barrierefreies Web. Doch nach wie vor stossen Menschen mit Behinderungen beim Surfen im Internet auf Barrieren. In der Schweiz sind immerhin – und in erster Linie aufgrund gesetzlicher Vorgaben – diverse Behördenwebsites barrierefrei umgesetzt. Für die Privatwirtschaft gelten diese Gesetze nicht – noch nicht. Allerdings treten in der Europäischen Union schon bald verschärfte Gesetze für digitale Barrierefreiheit in Kraft. Auch Schweizer Unternehmen sind davon betroffen, wie Andreas Uebelbacher, Leiter Dienstleistungen der Stiftung «Zugang für alle», erklärt. Im Interview sagt Uebelbacher auch, inwiefern künstliche Intelligenz (KI) seiner Meinung nach zu mehr digitaler Barrierefreiheit beitragen wird.
Vom Potenzial der KI überzeugt zeigt sich Patrick Schilling, AI Customer Activation Lead und Accessibility Evangelist bei Google Schweiz. Die Technologie könne etwa den Zugang zu visuellen Inhalten verbessern oder umgekehrt akustische Inhalte mit passenden Untertiteln versehen, schreibt er im Fachbeitrag. Doch neue Lösungen sollten stets in Zusammenarbeit mit jenen entwickelt werden, die sie dereinst anwenden sollen, und er merkt an: «So ist es umso wichtiger, dass Inklusion, Gleichberechtigung und ein barrierefreies Arbeitsumfeld gerade auch in Tech-Unternehmen selbst stark gewichtet
werden.»
Sarah Ebling kennt nicht nur das Potenzial, sondern auch die Grenzen generativer KI-Modelle im Zusammenhang mit Web Accessibility. Die ordentliche Professorin für Sprache, Technologie und Barrierefreiheit an der Universität Zürich leitet das Forschungsprojekt «Inclusive Information and Communication Technologies» (IICT). Darin wird etwa untersucht, inwiefern sich Texte automatisiert in Gebärdensprache übersetzen lassen können. «Der Stand der Technologie erlaubt hier nur die Übersetzung von Texten, die bezüglich ihres Wortschatzes und ihrer Grammatik sehr eng gefasst sind», merkt Ebling in ihrem Beitrag an. Für statische Inhalte empfiehlt die Forscherin dagegen den Einsatz menschlicher Übersetzerinnen und Übersetzer.
Wie wichtig die Rolle des Menschen bei barrierefreien Web-Projekten ist, zeigt der Fachbeitrag der Schweizerischen Bundesbahnen. Das Konstrukt einer Website werde von mehreren Akteurinnen und Akteuren zusammengehalten, schreiben Fujane Shahin, Fachverantwortung Channel Management, sowie Joice Silva Loureiro, Verantwortliche für Barrierefreiheit sbb.ch. «Sie alle sind gefordert, ihre Arbeitsweise anzupassen – sie zu transformieren für eine inklusivere Zukunft.» Und dabei handelt es sich nicht um eine einmal auszuführende Aufgabe, denn «die letzte und vielleicht auch grösste Hürde ist die Phase nach dem Projektabschluss». Um längerfristig die Accessibility einer Website zu erhalten, empfehlen die Expertinnen, die Tests durch Menschen mit Behinderungen durch automatisiertes Monitoring zu ergänzen.