"Verlage sollten gemeinsam eine unabhängige Bezahllösung für Onlineinhalte finden"
Mit Zukäufen von Onlineanzeigen- und Rubrikenmärkten versuchen Verlage, sinkende Print-Inserat-Umsätze zu kompensieren. Währenddessen haben sie noch keinen wirklich gangbaren Weg für Bezahlinhalte gefunden. Tamedia-Digital-Chef Christoph Tonini nimmt im Interview mit der Netzwoche Stellung.
Herr Tonini, die Schlüsselfrage, die man einem Digital-Chef eines Verlags stellen muss, lautet: Wie kann man Leser dazu bringen, für Onlineinhalte zu bezahlen?
Das Wichtigste ist meiner Ansicht nach, dass wir unseren Lesern einen Mehrwert gegenüber Gratisangeboten bieten. Ich bezweifle, dass das ausschliesslich über Inhalte möglich sein wird. Im Netz wird es immer einen Weg geben, kostenlos an Inhalte zu kommen. Erst wenn es attraktiv wird, Onlineinhalte über unseren Service zu beziehen, wird ein Teil der Nutzerschaft auch bereit sein, dafür zu bezahlen. So wie beim Zeitungsabo, das garantiert, dass jeden Morgen eine Zeitung im Briefkasten liegt.
Der Medienmogul Rupert Murdoch versucht derzeit ja auch mit aller Macht, mit Onlineinhalten Geld zu verdienen.
Das beeindruckende an Murdoch ist, dass er seine Pläne mit aller Konsequenz durchzieht und so vermutlich für die ganze Branche wichtige Erkenntnisse gewinnen wird.
Eine Möglichkeit für Verlage, online Geld zu verdienen, sind Rubriken- und Anzeigenplattformen. Damit konkurrieren Sie doch auch mit dem Anzeigenmarkt Ihrer Printmedien?
Das ist unbestritten so. Wir haben mit der Gratiszeitung 20 Minuten jedoch ein ähnliches Szenario erlebt, indem wir etwa mit dem Tages-Anzeiger konkurriert haben. Doch für uns ist klar: Wenn sich ein erfolgversprechender Trend aufzeigt, auch wenn er uns wehtut, machen wir lieber selbst mit, als der Konkurrenz das Feld zu überlassen.
Was bedeutet das jetzt konkret für den Anzeigenmarkt?
Anzeigen für Gebrauchtwagen oder Immobilien sind fast gänzlich aus den Printmedien verschwunden. Aber auf der anderen Seite dringen wir mit den Onlineplattformen in neue Märkte vor. Heute können wir dank der Rubrikenplattformen auch im Bündnerland oder Wallis Immobilien-Anzeigen holen, was mit dem Tages-Anzeiger nicht möglich war.
Wie gut konnte Tamedia mit den Plattformen die Umsatzrückgänge in den klassischen Medien kompensieren?
Die Verluste beim Umsatz konnten wir nicht kompensieren. Die Lage im Onlinebereich ist auch nicht mehr so komfortabel wie früher, als die Zeitungsverlage quasi ein lokales Monopol hatten. Wer Inserate schalten wollte, hatte fast keine andere Wahl, als dies in der Regionalzeitung zu tun. Auf der anderen Seite sind die Rubrikenportale heute für den Benutzer viel kundenfreundlicher und effizienter. Für die Betreiber der Rubrikenplattform wiederum gibt es enorme Skaleneffekte, weshalb führende Portale sehr hohe Ergebnismarken erreichen können.
Wenn Sie viele Portale besitzen, können Sie je länger desto mehr doch auch die Preise bestimmen?
Die Preismacht ist im Netz deutlich geringer. Im Unterschied zum Print gibt es Online immer Ausweichmöglichkeiten.
Sie sind seit Anfang Mai neuer Leiter Digital bei Tamedia. Warum hat Tamedia gerade jetzt diesen Bereich geschaffen?
Dass wir das neue Segment Digital geschaffen haben, heisst nicht, dass wir uns nicht schon länger intensiv mit den Onlinemedien auseinandergesetzt haben. Die jetzige Aufteilung des 2008 geschaffenen Bereichs Medien Schweiz wurde nötig, weil hier auch die stark wachsenden digitalen Medien angesiedelt waren. Mit der neuen Digital-Abteilung wollen wir zusätzliches Know-how aufbauen und den Wachstumskurs fortsetzen.
Wie sehen Sie Tamedia im Vergleich zur nationalen Konkurrenz aufgestellt?
Ich bin überzeugt, dass wir insgesamt im Online- und gerade auch im News-Bereich sehr gut aufgestellt sind. Doch die Gefahr droht dort nicht in erster Linie von anderen Verlagen, sondern etwa auch von der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG. Wenn diese ihr Onlineangebot noch stärker ausbaut und uns Werbekunden streitig macht, gefährdet das den weiteren Ausbau der privaten Newsportale.
Und Apple?
Apple ist für die Kommerzialisierung unserer Inhalte ein wesentlicher Faktor. Das Beispiel zeigt, dass es eine Gefahr sein kann, wenn eine Firma alleine den Markt diktiert. Ich bedaure, dass wir das Projekt «Codex» (Anm. der Red.: Onlinekiosk gemeinsam mit Ringier und NZZ) für den Moment auf Eis legen mussten. Langfristig müssen die Verlage gemeinsam eine unabhängige Bezahllösung finden, über die sie ihre Inhalte monetarisieren können.
Weshalb ist das Projekt gescheitert?
Die technische Lösung war einiges komplexer, als wir uns am Anfang gedacht haben. Dann kamen auch die neuen Abo-Richtlinien von Apple sehr ungelegen. Dadurch wurde es unmöglich, eine Abolösung ausserhalb von iTunes zu verkaufen.
Was ziehen Sie für Lehren daraus?
Beim Aufbau neuer digitaler Angebote kommt man nicht darum herum, immer wieder Neues auszuprobieren und auch ein Scheitern in Kauf zu nehmen. Glücklicherweise können wir uns das als grösseres Unternehmen leisten.