"Für die ETH Zürich steht viel auf dem Spiel"
Die EU sistiert die Verhandlungen über das Forschungsabkommen "Horizon 2020" vorläufig. Roland Siegwart von der ETH Zürich erklärt, wieso ihn dies beunruhigt.
Nach der knappen Mehrheit zur Masseneinwanderungsinitiative der SVP hat Justizministerin Simonetta Sommaruga letzte Woche bekannt gegeben, dass das Abkommen mit dem EU-Neumitglied Kroatien zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit zurzeit nicht unterschrieben werden kann. Dieser Entscheid hat nun Folgen für den Forschungsstandort Schweiz. Gestern Abend berichtete das Westschweizer Fernsehen, dass die Verhandlungen über das Forschungsabkommen "Horizon 2020" und das Austauschprogramm für Studenten "Erasmus+" vorerst ausgesetzt werden.
Über diese Schritte zeigt sich die ETH Zürich besorgt. Wie die Mediensprecherin des Informatikdepartements Minh Tran der Netzwoche auf Anfrage erklärt, werden zurzeit vier Informatikprofessoren des Departements vom "European Research Council" bezuschusst. Es handelt sich dabei um Bertrand Mayer, Olga Sorkine, Andreas Krause und Adrian Perrig. Eine Aufnahme in Horizon 2020 sei daher wichtig, betont Tran.
Auch Roland Siegwart, Vizepräsident Forschung und Wirtschafsbeziehungen der ETH, äussert sich im Interview besorgt.
Herr Siegwart, beunruhigen Sie die Signale, die die EU zurzeit aussendet?
Die jüngsten Zeichen aus Brüssel verunsichern unsere Forschenden natürlich. Sie fragen sich, wie es mit dem Programm "Horizon 2020" weitergehen soll. Wir glauben aber nach wie vor, dass Politik und Diplomatie eine gangbare Lösung aushandeln können, damit unsere Forschenden auch in Zukunft an europäischen Programmen partizipieren können. Vielleicht wird es eine Übergangslösung brauchen.
Was steht für die ETH Zürich auf dem Spiel?
Viel! Unsere Forschenden haben sich in der Vergangenheit im europäischen Wettbewerb sehr gut behauptet und für zahlreiche Projekte den Zuschlag erhalten. Allein im Rahmen der "European Research Council Grants" erhielten Wissenschafter der ETH seit 2007 von der EU gegen 200 Millionen Franken für Projekte der Grundlagenforschung. Bei "Horizon 2020" ausgeschlossen zu bleiben, wäre für die ETH wie auch für den ganzen Wissensplatz Schweiz fatal.
Wie sieht die Situation bei Erasmus aus?
Das Mobilitätsprogramm mit der EU ist verglichen mit anderen Austauschprogrammen für die ETH das weitaus wichtigste. So kamen im Rahmen des Erasmus-Programms 2012/2013 beispielsweise 335 Studierende an die ETH. Umgekehrt absolvierten 132 ETH-Studierende im gleichen Zeitraum einen Studienaustausch an einer europäischen Universität. Die ETH Zürich hofft, dass es der Schweiz auch hier gelingt, eine Lösung zu erarbeiten, welche den Studierenden weiterhin die Teilnahme ermöglicht.