Der Rubel rollt - auch dank Social Media

Social Media im B2B: Unternehmen wollen gefunden werden

Uhr | Aktualisiert
von Simon Zaugg

Obwohl Unternehmen die Relevanz von Social Media langsam erkennen, haben wenige eine Strategie. Im B2B tut sich aber was, wie sich an der zweiten Social-Media-Marketing-Konferenz des Internet-Briefings zeigte.

Wird heute über Social Media in Unternehmen gesprochen, polarisiert in erster Linie die Frage, ob Facebook & Co. erlaubt sein sollten oder nicht. Eine Umfrage der Netzwoche Anfang des Jahres bei rund 100 IT-Executives zeigte, dass jedes zweite Unternehmen der Kategorie Anwender Web-2.0-Domänen blocken lässt – ein Drittel verbietet seinen Mitarbeitern ihre Nutzung gar komplett.

Entspannter gingen die IT-Anbieter das Thema Social Networking an: Geblockt und verboten wird praktisch nichts, jedes zweite Unternehmen hat sogar verbindliche Richtlinien aufgestellt, und zwei Drittel verwenden Social Media für die eigene Kommunikation.

An der zweiten Social-Media-Marketing- Konferenz des Internet-Briefings vom 24. März zeigte sich ebenfalls kein eindeutiges Bild: Auf die Frage, ob bei den anwesenden Unternehmen eine Strategie oder Policy über Social Media vorhanden sei, gingen nur sehr wenige Hände hoch. Demgegenüber nutzen zunehmend Mitglieder aus der Geschäftsleitung Kanäle wie Twitter.

Zudem zeigte sich an der Konferenz, dass Social Media weit über die simple Frage «Facebook & Co. – Ja oder Nein?» hinausgehen: So bemühten sich die Referenten, anhand von Business-Cases und Zahlenbeispielen aufzuzeigen, wie viel besser der Rubel dank Social Media rolle. Andererseits wurde klar, dass Social Media nicht nur im B2C-Bereich aus den Kinderschuhen gewachsen sind, sondern auch im B2B-Bereich durchaus effektiv eingesetzt werden können.

Nicht «marketinggeschliffen»

In immerhin einem der insgesamt elf Referate ging es um Social-Media-Marketing im B2B-Segment. Milko van Rijn von Mettler-Toledo erklärte, dass Social Media zwar oft nicht mit «sexy Produkten» und «emotionalen Videos» wie im B2C-Bereich auftrumpfen könnten, aber für Unternehmen dennoch unabdingbar geworden seien: Schliesslich wolle man bei Suchdiensten und Social-Media-Plattformen gefunden werden, so van Rijn. Klar seien Aktivitäten in Social-Media-Kanälen auch ein Risiko. Van Rijn relativierte aber die Bedenken: «Wir dürfen nicht ein Fenster öffnen und dann nicht darauf vorbereitet sein, dass es hereinregnet.»

Für van Rijn ist daher wichtig, dass der Auftritt eines Unternehmens authentisch daherkommt. Bei Mettler-Toledo treten die Mitarbeiter in den verschiedenen Social-Media-Kanälen mit ihren echten Namen auf und kommunizieren dort nicht «marketinggeschliffen», wie van Rijn anfügt. Wer indes annimmt, dass sich im B2B die Social-Media-Aktivitäten vor allem an CEOs und Geschäftsleitungsmitglieder richten würden, liegt falsch.

Für Mettler-Toledo sind andere Zielgruppen relevanter: So seien Forscher und Wissenschaftler in Unternehmen den Austausch von Wissen traditionellerweise gewöhnt, aber auch Techniker und Ingenieure – sogenannte Technical Influencers – seien an einem Austausch von Erfahrungswerten interessiert. Nicht zuletzt interessierten sich auch Anwender in Unternehmen für Neuigkeiten.

Liker und Follower kann man sich kaufen

Mark Leinemann, Country Manager von Buzzer und «Word of Mouth Marketing»-Experte, schlägt in seinem Beitrag vor, dass Kunden, die sowieso schon begeistert sind, Geschichten über das Unternehmen weitererzählen sollten. Die astromischen Zahlen, die derweil etwa für Facebook (50 Milliarden Dollar) geboten werden, resultieren nicht zuletzt aus ebendiesen Mitgliedern der Plattform. Bei rund 600 Millionen Mitgliedern bedeutet das für Facebook einen Wert von über 80 Dollar pro Nutzer.

Derweil schätzen nicht nur Social-Media-Plattformen den Wert ihrer Nutzer ein, sondern auch Unternehmen, die Social-Media-Communitys aufbauen. Der Wert eines Super-Nutzers, so Dominique Hess von Lithium International, einem Anbieter von Social-Customer-Lösungen, könne durchaus zwischen 50 000 und 250 000 Euro schwanken. Diese intrinsisch motivierten und sowieso schon begeisterten Nutzer hätten ohnehin mehr Wert als nur durch monetäre Anreize angeworbene Community-Mitglieder wie etwa Facebook-Liker, die man sich locker einkaufen könne.

Zudem sei es schwierig, bezüglich der Anzahl solcher Liker Vergleiche zwischen Unternehmen zu ziehen, so Florian Wieser, von Coundco. So könnten Zahlen von Schweizer Unternehmen oder Produkten schlecht mit jenen der weltweit tätigen Konkurrenz verglichen werden, gibt Wieser zu bedenken. Für Schweizer Verhältnisse seien heute 500 bis 1000 Liker auf Facebook ein Durchschnittswert, der Top-Wert liege bei 500 000, und um in die Top 20 zu kommen, müsse man mindestens 20 000 Liker haben.

Harte Arbeit lohnt sich

Auch wenn an der Konferenz häufig die Wichtigkeit von intrinsisch motivierten Nutzern beteuert wurde, täuscht dies nicht über die nackten Zahlen hinweg: So folgen laut Mike Schwede von Goldbach Interactive 77 Prozent der Nutzer einer Marke auf Facebook wegen Coupons oder Discounts. Immerhin: 46 Prozent schätzen den Dienst, weil er Probleme löst oder wertvolle Informationen anbietet, und 39 Prozent holen sich dort Feedbacks von anderen Nutzern zu einem Produkt des entsprechenden Unternehmens ein.

Schwede ist der Ansicht, dass sich Reichweiteneffekte für Unternehmen auszahlen. Er illustrierte dies am Beispiel der Migros, deren Website Migipedia durch «harte Arbeit» stetig steigende Nutzerzahlen aufweist und sich so eine Community aufbauen konnte – eine Community, die vielen Unternehmen heute noch fehlt. Laut Ralph Hutter von Namics würden Unternehmen zwar durchaus gute Facebook-Auftritte haben, diese passten dann aber oft nicht zur jeweiligen Web-1.0-Website.

Erfolge vorzuweisen hat Mike Müller von Mysign mit Linsenmax.ch, dessen Shop auch in Facebook integriert wurde: So generiere der Shop aus Facebook mit 3,3 Prozent insgesamt zwar keinen berauschenden Anteil am Gesamtumsatz, jedoch sei Facebook ein gutes Kundenbindungsinstrument. 53 Prozent der Kunden bleiben Linsenmax dank Facebook treu, so Müller, und er fügt an: «Fans kaufen auch spontan, das Targeting funktioniert also.»

Video-Twitter-Experiment

Weniger gut funktioniert hat ein von Internet-Briefing-Veranstalter Reto Hartinger auf seinem Blog angekündigtes «Verlegerisches Experiment»: Er rief am Anlass teilnehmende Blogger, Twitterer und Journalisten dazu auf, mit ihren Smartphones Videos auf einen eigens bereitgestellten Youtube-Kanal hochzuladen und auf Twitter und Facebook zu posten. Auch bei den Smartphone-Videos galt es – wie bei Twitter – sich kurz zu fassen: Anstelle der 140 Zeichen auf Twitter soll man sich auch beim Video-Experiment auf 20 bis 30 Sekunden dauernde Filmchen beschränken.

Während des Anlasses waren zwar unzählige Tweets pro Minute zu lesen, Videos jedoch fast keine zu sehen: Ganze sechs Videos wurden auf den Youtube-Kanal hochgeladen, davon vier Mitschnitte von Präsentationen und zwei Statements.

Nicht zuletzt dürfte das am Anlass teilweise nicht funktionierende und hochausgelastete W-Lan für die geringe Ausbeute verantwortlich sein. Schliesslich waren aber dennoch Video-Profis vor Ort, die auf der Facebook-Seite des Internet-Briefings einen Übersichtsbeitrag über die Konferenz veröffentlichten.