VMware bleibt VMware – auch unter der "neuen Mutter"
Diese Woche hat VMware 10'000 Besucher zur VMworld nach Barcelona gelockt. Trotz der Übernahme von EMC durch Dell soll sich für VMware nicht viel verändern. Auf der Bühne kündigte das Unternehmen verknüpfte Clouds, eine eigene Übernahme und integrierte Container an.
Die diesjährige VMworld in Barcelona hat in den Nachbeben der Meldungen über die Übernahme des Mutterkonzerns EMC durch Dell stattgefunden. Dell bestätigte die Akquisition am Vortag der Messe. Die Gerüchteküche hatte schon seit längerem gebrodelt.
Vor den 10'000 Gästen – darunter 2500 Partner – versichte Carl Eschenbach, Präsident und COO bei VMware, dass sich mit der Übernahme nicht viel ändern werde. Das Unternehmen erhalte lediglich eine "neue Mutter". Es werde weiterhin öffentlich als eigenständiger Titel an der Börse gehandelt. VMware freue sich daher darauf, mit Dell zusammenzuarbeiten und von Dells "massiver Marktpräsenz" zu profitieren.
Situation ist wie damals, als EMC VMware kaufte
Eschenbach zog dabei den Vergleich zu der Übernahme von VMware durch EMC vor über einem Jahrzehnt herbei. VMware stand damals, 2004, vor der gleichen Ausgangslage und musste sich gemäss dem COO die gleichen Befürchtungen der Partner anhören. Das Partner-Ökosystem von VMware habe unter EMC jedoch nicht gelitten und das werde es auch nun unter Dell nicht. Im Gegenteil: Für die Übernahme häuft Dell einen grossen Schuldenberg an. Es liege daher im Interesse Dells, nicht am Erfolg von VMware herumzuwerkeln und VMware weiterhin als unabhängiges Unternehmen zu führen.
Michael Dell, Gründer und CEO von Dell, gesellte sich per Videobotschaft zur VMworld, um Eschenbachs Zuversicht zu untermauern. Er sei begeistert über die Übernahme, denn Dell und VMware geniessen bereits seit Jahren eine enge Partnerschaft. Diese Partnerschaft soll nun laut Eschenbach ausgebaut werden. Die übrigen Partnerschaften, auch mit Dells-Konkurrenten wie etwa HP, sollen darunter nicht leiden. VMware sieht sich selbst nicht als ein exklusives Unternehmen.
Clouds verknüpfen
Anschliessend ging Eschenbach über zu den Ankündigungen von VMware. Gemäss seiner Einschätzung leiden Cloud-Lösungen derzeit unter einem Silo-Denken. So würden Anbieter Private Clouds und Public Clouds errichten. Die Verbindung zwischen derartigen Lösungen fehle aber. "Wer Silos errichtet, schafft Komplexität", sagte Eschenbach.
VMware reagiert darauf mit einer "One Cloud, any App, any Device"-Strategy. Das Ziel sei eine nahtlose Integration der Private und der Public Cloud. Die Abgrenzung zwischen On- und Off-Premise-Lösungen sollen aufgehoben werden. Unified Hybrid Cloud nennt VMware seinen Ansatz. Eine Plattform, mit der sich Anwendungen für hybride Cloud-Umgebungen entwickeln, bereitstellen und implementieren lassen sollen.
In Barcelona kündigte Eschenbach neue und erweiterte Angebote für diese Plattform an. So ist neu Google Cloud DNS allgemein verfügbar. Dies mache es Kunden einfacher, web-basierte Applikationen auf VMware vCloud Air zu hosten.
Den Vorteil der vernetzten Clouds demonstrierten Ray O'Farrell, CTO und CDO (Chief Development Officer), sowie Kit Colbert, Vice President und General Manager der Cloud-Native Apps Business Unit. In ihrer Demo schickten sie eine aktive virtuelle Maschine (VM) von einer Lokation zu einer anderen. Hierfür verwendeten sie die Cross Cloud vMotion. Künftig soll diese Mobilität auch AWS und Openstack unterstützen.
Mit vRealize Automation 7 und vRealize Business Standard 7 seien IT-Teams künftig besser dazu in der Lage, die digitale Transformation in ihren Unternehmen voranzutreiben. Die generelle Verfügbarkeit der beiden Lösungen peilt VMware im vierten Quartal 2015 an.
VMware integriert Container
Eine weitere Neuerung, auf die VMware während den Präsentationen viel Wert legte, war die Einbindung von Containern. Bisher seien die einzelnen Container bei einer VMware-Lösung zwar für die Entwickler einsehbar gewesen, nicht aber für die IT-Verantwortlichen in einem Betrieb. Dies führe unter anderem auch zu Security-Problemen.
Um dem entgegenzuwirken, präsentierte das Unternehmen zwei Lösungen. So integrierte das Unternehmen einerseits Container in vSphere. "Der Container wird damit selbst zur VM", erklärte O’Farrell. An den Arbeitsprozessen des Entwicklers ändere sich dadurch nichts, aber nun könnten die IT-Verantwortlichen auf jeden einzelnen Container zugreifen. So seien nun auch alle Container einzeln geschützt.
Als zweite Lösung präsentierte die skalierbare Infrastrukturplattform VMware Photon. Diese sei spezifisch für die Verwendung mit Containern entwickelt. Im Gegensatz zum breiten Set an Funktionen von vSphere biete Photon ein simples "just what you need"-Feature-Set.
VMware lässt sich von Dell inspirieren
Die Übernahme des Mutterkonzerns war nicht die einzige Akquisitions-News an der VMworld. Während Dell EMC übernimmt, kauft VMware Boxer auf. Dies gab Sanjay Poonen, Executive Vice President and General Manager End-User Computing bekannt. Boxer bietet eine Suite mit Mail-, Kalender- und Kontakt-Apps für mobile Geräte an. Die Technologien von Boxer werden gemäss Poonen demnächst in den Lösungen von VMware integriert.
Poonen nutzte die Gelegenheit für einen kleinen Seitenhieb auf IT-Nutzer, die an obsoleter Technologie hängen. So fragte er das Publikum, wie viele der Anwesenden noch ein Blackberry nutzten. Gemäss seiner Einschätzung streckten zwei der 10'000 Gäste ihre Hand auf, woraufhin er als Antwort den Disney-Ohrwurm "Let it Go" vom Film Frozen begann zu singen.
Gelsingers fünf Imperative
Die letzte Keynote gehörte dem Chef: Pat Gelsinger, CEO bei VMware. Die App-Industrie erwirtschafte heute mehr Umsatz als die Filmindustrie, sagte er. Oder in seinen anderen Worten: "Geeks rule!" Damit dieser Erfolg anhalte, teilte Gelsinger seine fünf Imperative für digitale Unternehmen mit dem Publikum.
1. Elephants must learn to dance
In der Branche herrsche gegenwärtig eine starke Asymmetrie zwischen den alten grossen Unternehmen und den jungen dynamischen Start-ups. Letztere fordern die grossen Unternehmen derzeit stark heraus. Während die grossen Alteingesessenen eher "Museen der IT" seien, nutzten Start-ups die neusten Technologien – mit grossem Erfolg. Sie verfügen gemäss dem CEO dank dem Internet und smarten Geräten über eine quasi unbegrenzte Reichweite. Übereifrige Investoren besorgten zudem das nötige Kapital. "Die Zeiten warenx noch nie so gut für die Herausforderer", sagte Gelsinger. Dementsprechend werde die alte Liga in nahezu allen Branchen von Start-ups angegriffen. Wenn diese alten Unternehmen weiterhin bestehen wollen, sagte er, müssen sie schneller werden und sich den Zeiten anpassen. Unternehmen sollten wie ein Start-up innovieren, aber dennoch wie ein Enterprise operieren.
2. Message to clouds: Can’t we all just get along?
Die Cloud-Technologie selbst ändert sich rasant. Nun muss sie von der experimentellen Phase zu einer stabilen und professionellen Phase wechseln. Die Zeiten, in denen man sich entweder für eine Private oder eine Public Cloud entscheide, seien vorbei. Stattdessen solle man auf einen Verbund dazwischen setzen – so wie es VMwares Unified Hybrid Cloud biete. Denn "dies ist die Multi-Cloud-Ära", sagte Gelsinger.
3. Would you like security with that?
"Security ist heutzutage der wichtigste Aspekt der IT", sagte Gelsinger. Unternehmen würden jedoch zu viel Wert auf die Sicherung der Geräte legen. Dabei gehe vergessen, dass sie eigentlich die Personen, Daten und Applikationen sichern sollten. Virtualisierung könne hier helfen, indem sie eine unterliegende Architektur für die IT-Sicherheit bietet. So erlaube eine virtualisierte Umgebung etwa den Nutzern, Sicherheitsfunktionen exakt dort anzubinden, wo sie gebraucht werden. Die doppelte Sicherheit für die Hälfte der Kosten, wie der VMware-CEO sagte. Security und Virtualisierung, so formulierte es Gelsinger, sind wie Burger und Fritten: Sie gehören einfach zusammen.
4. "Hello, I am C-3PO, human cyborg relations. How might I serve you?"
Der vierte Imperativ betraf die künstliche Intelligenz. An diesen Technologien werde schon seit 30 Jahren geforscht, sagte Gelsinger. Nun aber stosse die Technologie in interessante Bereiche vor. Mit der zunehmenden Intelligenz könnten smarte Geräte von einer reaktiven zur einer proaktiven Technologie werden. Das heisst, dass sie nicht nur analysieren, was geschah, sondern auch vorhersagen, was passieren wird. App-Entwickler sollten gemäss Gelsinger alles automatisieren und mit ihren Apps quasi alles vorhersagen. Dabei machen sie jedoch Gratwanderung zwischen unheimlichen und bequemen Features. Künftig werde sich dieser Gegensatz mehr in Richtung invasiv versus unbezahlbar verschieben.
5. It's your time to lead!
Die Hälfte der 100 grössten IT-Unternehmen werde in den nächsten 10 Jahren verschwinden. Dies liegt einerseits an dem Konkurrenzdruck, den Gelsinger bereits im ersten Punkt erwähnte. Andererseits führen aber auch Übernahmen wie der Dell-Deal zu dieser Reduktion. Ein Unternehmen, das in den 1930er Jahren zu den Standard & Poor's 500 – also zu den 500 grössten börsennotierten amerikanischen Unternehmen – blieb im Schnitt 90 Jahre auf dieser Liste. Für Unternehmen, die in den 1970er Jahren dazu stiess, verkürzte sich die Zeit auf der Liste bereits auf 26 Jahre. Ein Unternehmen, das es in diesem Jahr auf die Liste schafft, muss damit rechnen, in 17 Jahren bereits wieder von der Liste verschwunden zu sein. Mit dem altbewährten weiterzufahren, ist keine gewinnbringende Strategie mehr. "Untätigkeit ist heutzutage das grösste Risiko für Unternehmen", sagte der CEO. Es sei daher nun an den IT-Verantwortlichen, die Führung zu übernehmen und ihre Unternehmen durch die digitale Transformation zu bringen. VMware werde gerne bei der Navigation helfen.
Danach überliess Gelsinger das Publikum seinen eigenen Gedanken.