Verbandsnachrichten: URG-Revision

Piraterie-Bekämpfung aus Sicht der Schweizer Hosting-Anbieter

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von Rolf Auf der Maur, Vizepräsident Simsa, Vorstand Ressort Recht der Simsa, Rechtsanwalt bei Vischer

Simsa vertritt als Verband der Internet-Dienstleistungsunternehmen insbesondere auch die Interessen der Hosting-­Anbieter in der Schweiz. Die in der Schweiz ansässigen Hosting-Anbieter sind zum grössten Teil kleinere und mittlere ­Unternehmen, die eine unabdingbare Infrastruktur für die Online-Geschäftsaktivitäten der Schweizer Wirtschaft zur ­Verfügung stellen. Heute stehen sie allerdings zunehmend im Wettbewerb mit global tätigen Cloud-Hostern wie etwa Amazon, Google, Microsoft oder Alibaba.

Die bei Simsa organisierten Hosting-Anbieter haben keinerlei Interesse daran, dass ihre Infrastrukturen für rechtswidrige Handlungen missbraucht werden. Sie haben im Gegenteil grosses Verständnis für die Anliegen der Urheberrechtsindustrie, deren Erzeugnisse im digitalen Raum besonderen Gefahren ausgesetzt sind. Die Hosting-Anbieter sind aber nicht bereit (und aufgrund ihrer beschränkten Ressourcen auch nicht in der Lage), Urheberrechtspiraterie aktiv zu bekämpfen und sich damit ihrerseits möglichen Schadenersatzforderungen von Kunden oder Dritten auszusetzen. Vor diesem Hintergrund ist der Code of Conduct Hosting (CoC Hosting) als Massnahme der Selbstregulierung entstanden.

Seit dem Erlass des CoC Hosting im Februar 2013 fördert Simsa dessen Anwendung mit jährlichen Informationsveranstaltungen und Branchenumfragen. Der CoC Hosting enthält Empfehlungen für den Umgang mit rechtsverletzenden Inhalten aller Art, die Kunden von Hosting-Anbietern möglicherweise über deren Infrastruktur zugänglich machen. Er findet damit auch (aber nicht nur) Anwendung bei der Bekämpfung von Urheberrechts­piraterie im Internet. Der CoC Hosting spielt eine wichtige Rolle bei der laufenden Revision des Urheberrechts. Simsa wurde von der Rechtskommission des Nationalrates ­(RK-N) eingeladen, im April 2018 zum Gesetzesentwurf aus Sicht der Hosting- und ISP-Branche Stellung zu nehmen. Die Stellungnahme zuhanden der RK-N ist aber aus dem Grunde der laufenden Gesetzesrevision auf die Bestimmungen zur Bekämpfung der Urheberrechtspiraterie beschränkt.

Funktionsweise des Code of Conduct Hosting

Der CoC Hosting sieht ein Verfahren vor, wonach Meldungen Dritter über die angebliche Verletzung ihrer (Urheber-)Rechte direkt an die betroffenen Kunden weitergeleitet werden, damit diese die rechtsverletzenden Inhalte (i) entweder entfernen oder aber (ii) bestrittene Ansprüche in einem strukturierten Verfahren direkt mit den Anspruchstellern klären (sogenannte "Notice and Notice"-Verfahren).

In (auch für den Laien erkennbaren) klaren Fällen von Urheberrechtspiraterie ist es dem Hosting-Anbieter gestattet, Inhalte vorübergehend direkt zu sperren beziehungsweise von seiner Hosting-Infrastruktur zu entfernen (sogenannte "Notice and Take Down"-Verfahren). Der komplette CoC Hosting ist für alle einsehbar und in vier Sprachen (FR, IT, DE und EN) verfügbar: simsa.ch/code-of-conduct-hosting.html.

Bewährung in der Praxis (und Grenzen der Anwendung)

Der CoC Hosting hat sich in der praktischen Anwendung bewährt. Dies bestätigt sich in den jährlich durchgeführten Branchenumfragen bei Schweizer Hosting-Unternehmen. Dabei zeigt sich regelmässig (auch in der soeben durchgeführten Umfrage zu Erfahrungen im Jahre 2017), dass die meisten Sperraufforderungen (Grafik) das Urheberrecht betreffen (Filme, Musik, aber auch Software). Der grösste Teil der Aufforderungen kommt aus den USA, gefolgt von Deutschland. Die Wirksamkeit des CoC Hosting wurde im Rahmen der laufenden Gesetzesrevision auch von den Rechteinhabern bestätigt. Das hält auch der Bundesrat in seiner Botschaft zuhanden des Parlaments fest.

Die Selbstregulierung versagt indessen dann, wenn ein Hosting-Anbieter Urheberrechtsverletzungen direkt oder indirekt zu seinem Geschäftsmodell macht, indem er Plattformen selbst betreibt oder beherbergt, die auf Piraterie-Handlungen ausgerichtet sind. Konsequenterweise beschränkt sich der Gesetzesentwurf darauf, solchen Hosting-Providern die Pflicht aufzuerlegen, mit angemessenen Mitteln für ein sogenanntes "Stay-Down" zu sorgen. Mit anderen Worten sind solche Hosting-Anbieter (von denen es gemäss Kenntnis von Simsa in der Schweiz keine mehr gibt) verpflichtet, sicherzustellen, dass das erneute Hochladen und Zugänglichmachen von rechtsverletzenden Inhalten unterbunden wird, sofern der Rechteinhaber bereits früher einmal die Entfernung desselben Inhaltes verlangt hatte. Die im Gesetzesentwurf vorgeschlagene Regelung entspricht dem Kompromiss, dem Simsa im Rahmen der AGUR 12 II zugestimmt hatte. Im Gegenzug wurden aus dem Gesetzesentwurf weitergehende Take-Down- und Sperranforderungen (auch gegenüber Internet-Access-Providern) entfernt. Die Simsa wird sich im Rahmen der laufenden Anhörung durch die RK-N nach wie vor hinter diesen Kompromiss stellen.

Pirateriebekämpfung muss beim Täter ansetzen

Praxisrelevanter dürfte für die erfolgreiche Bekämpfung von Urheberrechtspiraterie die explizite Erlaubnis zur Erhebung und Bearbeitung von Personendaten zum Zweck der Strafantragstellung sein, wie sie der Gesetzesentwurf neu vorsieht. Das Urheberrechtsgesetz würde mit dieser Bestimmung eine Lücke schliessen, die das Bundesgericht mit seinem Urteil BGE 136 II 508 ("Logistep") im Jahre 2010 geschaffen hatte. Das Bundesgericht befand damals, dass die gesetzliche Grundlage für die Erhebung von IP-Adressen (und anderen Personendaten) durch Rechteinhaber zum Zwecke der Piraterie-Bekämpfung fehle.

Seither war es den Rechteinhabern in der Schweiz praktisch verwehrt, Urheberrechtsverletzer zu identifizieren und der Strafverfolgung zuzuführen. Datenschutz wirkte sich in diesem Bereich als Täterschutz aus. Diese Rechtslage trug dazu bei, dass Rechteinhaber vermehrt versuchten, Intermediäre (wie eben die Hosting-Anbieter, aber auch die Internet-Access-Provider) in die Pflicht zu nehmen.

Die in Art. 77 i des Entwurfs vorgesehene Erlaubnis zur Bearbeitung von Personendaten zwecks Piraterie-Bekämpfung ist daher eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass Rechteinhaber Urheberrechtsverletzungen an der Quelle (beim Täter) unterbinden können, statt Intermediäre in die Pflicht zu nehmen. Wenn künftig Piraterie-Bekämpfung beim Täter erfolgreich möglich ist, dürfte auch die Stay-Down-Verpflichtung für Piraterie-Hoster in der Praxis toter Buchstabe bleiben.

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