"Menschen müssen Cobots nicht fürchten"
Cobots werden die Werkhallen der Zukunft massgeblich prägen. Die Forschung, die das Zusammenspiel von Mensch und Maschine verbessern soll, nimmt gerade Fahrt auf. Warum die Schweiz bei der Entwicklung ganz vorne mitmischt, erklärt Oliver Bendel, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule für Wirtschaft der FHNW.
Wie können Cobots Menschen unterstützen?
Oliver Bendel: Cobots, das deutet der Name an, kooperieren oder kollaborieren mit Menschen. Man arbeitet also zusammen an einem gemeinsamen Ziel, wobei die Zusammenarbeit – das ist eben Kollaboration – ausgesprochen eng sein kann: Die Tätigkeiten greifen dann ineinander, der Mensch macht etwas, dann die Maschine; manchmal arbeiten beide gleichzeitig an einem Werkstück. Die Kooperation hingegen muss nicht so eng sein. Die Hauptsache ist das Ergebnis am Ende. Cobots können anstrengende, überfordernde, krankmachende Tätigkeiten übernehmen. Sie können sehr präzise arbeiten und Standards womöglich besser einhalten als der Mensch. Sie sind auch schnell, aber nicht zu schnell, denn dies wäre bei der Kollaboration problematisch.
Wie gehen Menschen damit um, wenn sie plötzlich mit Maschinen zusammenarbeiten müssen?
Sie müssen die Cobots nicht fürchten, weil sie von diesen nicht weggedrückt werden. Sie dürfen sie sogar mögen. Sie erleben sie als Werkzeuge, die sie entlasten und unterstützen. In einem Autowerk von BMW in Spartanburg übernehmen die Roboter das Hineindrücken der Türdichtungen. Früher waren Arbeiter dafür zuständig, mit der Folge, dass ihre Handgelenke irgendwann kaputt waren. Das hat man über Jahrzehnte einfach so hingenommen, so wie man körperliche Arbeit an sich vielfach idealisiert hat. Aber es spricht nichts dagegen, den Roboter die Drecksarbeit machen zu lassen. Natürlich geraten wir in der Kooperation und Kollaboration mit Maschinen unter Umständen unter Stress. Man kennt das sogar von Fahrerassistenzsystemen. Diese sind in vielen Zusammenhängen sehr nützlich und sinnvoll. Aber manchmal lenken sie uns ab und setzen uns unter Druck.
Welche Rolle spielt die Schweiz beim Thema Cobots?
In der Schweiz werden zum einen Cobots eingesetzt, zum anderen erdacht und gebaut. ABB hat ein bemerkenswertes Produkt auf den Markt gebracht. Yumi hat zwei Arme, was ihn deutlich von anderen Cobots unterscheidet. Damit wirkt er menschenähnlicher, was man beim Betrieb berücksichtigen muss. Er kann dadurch nämlich einerseits Vertrauen schaffen, andererseits Angst schüren. Was fängt man mit zwei Armen beziehungsweise mit zwei Händen an? Man umarmt, man beschützt, man hält, man hebt, man würgt Menschen. Davon abgesehen hat ein zweiarmiger Roboter einige grundsätzliche Vorteile. Er kann sich selbst etwas reichen, kann sich stützen, kann sich bei der Arbeit noch besser überwachen. Ebenso sind grundsätzliche Nachteile auszumachen, beispielsweise der erhöhte Raumbedarf und der Koordinationsaufwand, sowohl in Bezug auf das System selbst als auch in Bezug auf den Menschen. Die Firma F&P Robotics in Glattbrugg fertigt ebenfalls Cobots an, nicht zuletzt mit dem Ziel, Therapie und Pflege zu modernisieren und automatisieren. Bei ihren Produkten fällt die Fachkraft freilich nicht weg, sondern wird unterstützt, wie es bei dieser Roboterart eben der Fall ist. Die Schweiz war schon immer ein Roboterland und wird es auch bleiben.
Wo werden Cobots als Nächstes Einzug halten?
Die KMUs habe ich gerade als Unternehmensform angesprochen. Was die Anwendungsgebiete anbelangt, gibt es kaum Grenzen. Dies liegt daran, dass Cobots Generalisten sind. Man kann am Ende des Arms – man spricht von EOAT (End of Arm Tooling) – alle möglichen Greifer und Aufsätze anbringen, statt der üblichen zwei, drei oder fünf Finger, zudem Werkzeuge aller Art zum Schrauben, Bohren, Fräsen, Spritzen, Saugen, Massieren und Stimulieren. Cobots eignen sich nicht nur für die Produktion, Logistik und Montage, sondern beispielsweise auch für die Pflege und Therapie. Man kann sich denken, dass hier die Sicherheit eine besonders grosse Rolle spielt. Die Roboter kommen den Menschen nicht nur nahe, sondern legen Hand an sie an. Hier können Ergebnisse aus der sozialen Robotik und aus der Maschinenethik, die ich vertrete, wertvoll sein. Die Maschinen müssen einschätzbar und rücksichtsvoll sein, und die eine oder andere moralische Regel, die wir ihnen beibringen, kann den Umgang mit uns im doppelten Sinne verbessern.
Lesen Sie dazu auch den Artikel "Roboter und Menschen arbeiten Hand in Hand".