Von digitalen Bundesräten, kassenlosen Kiosken und dem faulen Menschen
Der Verband Asut hat zu seinem Seminar nach Bern geladen. Bundesrat Ueli Maurer zeigte, wie er die Mitarbeiter seines Departements bei der Digitalisierung auf Trab hält. Die Chefs von Swisscom und Sunrise warnten die Politik davor, beim Ausbau der Infrastruktur auf die Bremse zu treten.
Der Schweizerische Verband der Telekommunikation Asut hat am Donnerstag zu seinem 44. Seminar in den Kursaal Bern geladen. Draussen glitzerte die Kuppel des Bundeshauses in der Sommersonne, drinnen diskutierten Politik und Wirtschaft über den Stand der Digitalisierung in der Schweiz. "Technology is Key" lautete das Motto der Tagung und Asut-Präsident Peter Grütter machte bereits in seiner Eröffnung klar, dass bei der Digitalisierung in der Schweiz nicht alles so läuft, wie es sich die Branche erhofft - vor allem politisch.
Das Wachstum der Datenmenge und neue Technologien riefen nach einem Ausbau der Infrastruktur, sagte Grütter. Doch wo man hinschaue - 5G, Baubewilligungen, E-ID und Datenschutz - an vielen Ecken gebe es Bremsklötze, die Innovation erschwerten. Die Politik sei gut beraten, den Telkos mehr Gestaltungsspielraum zu schaffen. Denn Telekommunikation, sagte Grütter, sei das "Herz der Digitalisierung".
Asut-Präsident Peter Grütter forderte mehr Freiraum für IT-Innovation. (Source: Netzmedien)
Gratwanderung zwischen der Schweiz und dem Ausland
Die so herausgeforderte Politik war mit Bundesrat Ueli Maurer am Asut-Seminar vertreten. Der Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) nahm den Ball auf und zeigte verschiedene Bereiche, in denen der Bundesrat an Lösungen für digitale Probleme arbeitet. Datenschutz und Cyberkriminalität seien ebenso darunter wie die elektronische Identität. Zudem suche Bundesbern nach Wegen, damit die derzeit international diskutierte Besteuerung digitaler Dienstleistungen für Schweizer IT-Firmen nicht zur Belastung werde.
Bei der Regulierung der IT-Branche sei die Schweiz vorne mit dabei, sagte Maurer. Dies zeige sich etwa in der Krypto-Branche, wo die rechtlichen Rahmenbedingungen zum Wachstum beigetragen hätten. Das Resultat: "Bei Krypto gehören wir zu den Ländern mit dem besten Potenzial".
Ueli Maurer sprach sich für eine Politik aus, die gute Rahmenbedingungen setzt und Rechtssicherheit schafft. "Wir wollen eine liberale Regulierung, die nur eingreift, wenn es nötig ist und die Innovation nicht bremst".
Wie man eine Verwaltung digitalisiert
Digitalisierung beschäftigt den Bundesrat nicht nur in seiner politischen Arbeit, auch im eigenen Departement kommt er damit in Kontakt. Darüber gab Maurer im zweiten Teil seines Referats Auskunft. Die Digitalisierung der Bundesverwaltung sei eine besondere Herausforderung.
Caleb Lee, Head of Corporate Affairs Europe, Samsung. (Source: Netzmedien)
Zum einen gebe es innerhalb des EFD immer noch ein ausgeprägtes Silodenken. "Man verteidigt primär den eigenen Bereich und was von Aussen kommt ist suspekt oder sogar böse", sagte Maurer. Das sei gefährlich, denn wenn man zu lange im Silo sitze, ersticke man. Er versuche hier Abhilfe zu schaffen, indem er seine Mitarbeiter in einer Art Jobsharing bisweilen zum Lernen in andere Ämter schickt.
Zum anderen bestehe bei der Digitalisierung der Schweizer Politik eine vertikale Herausforderung. Bund, Kantone und Gemeinden - sie alle müssten für Bürger und Unternehmen auf digitalen Kanälen einfacher, günstiger und transparenter werden.
Alessandro Curioni zeigte, woran IBM aktuell forscht. (Source: Netzmedien)
"Wir brauchen eine Aufbruchstimmung, Pioniergeist und Mut, um in 20 Jahren zu den Besten zu gehören", forderte Maurer zum Abschluss seines Referats. Um das zu schaffen, müsse man auch Risiken einzugehen. Von Moderator Reto Brennwald auf die Lehren aus seinem Velo-Sturz Anfang Juni angesprochen, entgegnete Maurer: "No Risk no Fun!"
Digitalisierungsstrategien für Milch, Brezeln und Computerspiele
Referenten aus verschiedenen Branchen zeigten am Asut-Seminar ihren Weg zu digitalen Geschäftsmodellen. Urs Riedener, CEO von Emmi, stellte den Kontakt zu den Kunden ins Zentrum seiner Digitalisierungsstrategie. Bei den internen Prozessen sei Emmi bereits gut aufgestellt. Jetzt gehe es darum, an der Verkaufsfront stärker mit den Kunden zu interagieren, sie auf verschiedenen Kanälen zu erreichen und sich an ihren Bedürfnissen zu orientieren. Die Kunden zu verstehen sei letztlich wichtiger als Technologie, sagte Riedener.
Das E-Sports-Team von Myinsanity spielte dem Publikum "Dota 2" vor. (Source: Netzmedien)
Cédric Schlosser und Edouard Wanner von der E-Sports-Agentur MYI Entertainment stellten die Welt des kompetitiven Onlinespielens vor. Preisgelder und Zuschauerzahlen in zweistelliger Millionenhöhe - die E-Sports-Community wachse weltweit und sei ein grosses Geschäft geworden, sagten Schlosser und Wanner. Wie so ein Turnier abläuft, demonstrierten fünf Schweizer E-Sportler anhand des Spiels "Dota 2".
Warum Digitalisierung vor fünf Jahren bei Valora noch ein unbeliebtes Thema war, erläuterte Michael Mueller, CEO des Handelsunternehmens. Mit dem Aufkommen digitaler Kanäle sei der Verkauf von Printmedien an den Kiosken massiv eingebrochen. Valora sei in eine Krise geraten. Das Unternehmen habe sich in der Folge darauf konzentriert, was es besonders gut kann. In einem zweiten Schritt habe Valora dann nach digitalen Hilfsmitteln Ausschau gehalten.
Bei Emmi-CEO Urs Riedener drehte sich alles um Milch und Digitalisierung. (Source: Netzmedien)
Auch für Valora sei das Ziel, den Kunden das Einkaufen zu erleichtern und sie an das Unternehmen zu binden, sagte Mueller. Nach dem Vorbild von Starbucks und Amazon Go experimentiere das Unternehmen bei Brezelkönig, Spettacolo & Co. mit Pre-Order Apps und kassenlosen Shops. Besteht nicht die Gefahr, dass in Läden ohne Kassen mehr gestohlen werde, wollte Brennwald wissen. "Ja", antwortete Mueller, "aber die Waren die ich so verliere sind immer noch billiger als der Mitarbeiter an der Kasse." Valora werde aber auch versuchen, neue Stellen zu schaffen.
Sprachen über Chancen und Risiken von digitalen Technologien: Jürg Werner (Metall Zug), Armin Berchtold (Securitas), Monica Dell'Anna (NZZ) und Hannes Gassert (Opendata.ch) (von links). (Source: Netzmedien)
Urs Schaeppi mag den Wettbewerb und Olaf Swantee fürchtet die Faulheit
Als letzter Referent des Asut-Seminars trat Autor und Unternehmer Peter Hogenkamp auf. Er erklärte dem Publikum mit Augenzwinkern die Stolpersteine auf dem Weg zur digitalen Transformation. Dabei konnte das Publikum die Themen selber auswählen.
Michael Mueller, CEO von Valora. (Source: Netzmedien)
Bevor Hogenkamp loslegte, kreuzten auf der Bühne noch einmal Wirtschaft und Politik die Klingen. Die Chefs von Swisscom und Sunrise, Urs Schaeppi und Olaf Swantee, debattierten mit Bruno Sauter, Chef des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich, und Nationalrat Thomas Egger (CVP/VS).
Beim Panel stand die Regulierung der Branche im Zentrum, vor allem bei der Einführung von 5G. Schaeppi und Swantee waren sich einig, dass die Politik sich bewegen und das Strahlengesetz lockern müsse. Andernfalls drohe die Schweiz beim Ausbau der Infrastruktur den Anschluss zu verlieren. Dem entgegnete Sauter, dass die Schweiz eben nicht China sei, wo politische Entscheidungen von oben kommen. Die Schweizer Bevölkerung würde höheren Grenzwerten beim Strahlenschutz sicher zustimmen, antwortete Schaeppi darauf.
Thomas Egger, Bruno Sauter, Urs Schaeppi und Olaf Swantee (von links) diskutierten über die Verantwortung der Telkos für die Schweiz. (Source: Netzmedien)
Muss die Politik den Telkos Vorschriften für den Netzausbau machen, etwa in Randgebieten? Der eigene Qualitätsanspruch und der Wettbewerb seien für Sunrise Ansporn genug, das Netz auszubauen, sagte Swantee. "Der Wettbewerb ist die beste Grundversorgungsregulation", pflichtete Urs Schaeppi bei.
Die Digitalisierung biete der Schweiz viele Chancen, es gebe allerdings auch Risiken. Der Sunrise-CEO sah die Gefahr, dass wir durch zu viel Technik zum "Homo Otiosus" werden, zum "faulen Menschen". Zudem könnten sich Gräben in der Gesellschaft zwischen den Gewinnern und den Verlierern der Digitalisierung auftun. Umso wichtiger sei es, jung und alt, Männer und Frauen für die digitale Zukunft fit zu machen.