Wie Apple seine User an Google verkauft
Apple präsentiert sich als Vorreiter in Sachen Datenschutz. Dabei kommt dem iPhone-Hersteller allerdings ein lukrativer Deal mit Google in die Quere.
Das Wichtigste in Kürze
Apple positioniert sich geschickt als Unternehmen, das die Privatsphäre der Kunden schützt.
Datenschutz als "Killerfeature": Das bringt Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz, die das Geld mit dem Verkauf von personalisierten Anzeigen verdient.
Facebook, Google und Co. gelten als Datenkraken, die zu Werbezwecken möglichst viele persönliche Informationen auswerten. Apple-CEO Tim Cook hingegen betont, sein Unternehmen sammle möglichst wenig Nutzerdaten. Die PR-Kernbotschaft: Bei Apple sind nicht die Kunden das Produkt, und ihnen zuliebe verzichtet man auf mehr Profit.
Apple täte gut daran, auf seinen Geräten standardmässig Google-Alternativen anzubieten, oder unproblematische Suchmaschinen wie DuckDuckGo zu bevorzugen. Sonst handelt der reichste Konzern der Welt unglaubwürdig und muss sich zurecht Scheinheiligkeit vorwerfen lassen.
Apple macht vieles richtig, aber nicht alles
Während Facebook zurecht als Datenkrake am Pranger steht, präsentiert sich Apple als Musterknabe und nutzt die eigenen Anstrengungen in Sachen Datenschutz für eine PR-Offensive.
Die Apple-Führung hat vor Jahren erkannt, dass Datenschutz nichts Lästiges ist, sondern ein "Killerfeature", für das die Kunden extra zur Kasse gebeten werden können: Wer seinem Mobilgerät höchst Privates anvertraut, will es gut schützen.
Apple verkauft "grossartige Produkte", aber keine Nutzerdaten, lautet denn auch folgerichtig eine PR-Kernbotschaft, die Tim Cook bei Auftritten gebetsmühlenartig wiederholt.
Gerade eben hat er es wieder getan. In einem Interview mit "Vice" News betont Cook, dass bei Apple nicht die Kunden das Produkt seien. Ein deutlicher Seitenhieb in Richtung grosser Rivale. Auch wenn der Name Google nicht fällt.
Mit kritischem Blick auf den Datenhunger von Google und Co. sagte der Apple-Chef Tim Cook in einem früheren Interview: "Wir erstellen kein Profil, das auf Ihren E-Mail-Inhalten oder Web-Browsing-Gewohnheiten basiert, um es an Werbetreibende zu verkaufen. Wir ‹monetarisieren› die Informationen, die Sie auf Ihrem iPhone oder in der iCloud speichern, nicht. Und wir lesen Ihre E-Mail oder Ihre Nachrichten nicht, um Informationen für Sie zu vermarkten. Unsere Software und Dienstleistungen sind darauf ausgerichtet, unsere Geräte besser zu machen. Schlicht und einfach."
Dass Apple unter den Tech-Giganten als Vorreiter in Sachen Datenschutz angesehen wird, zeigt auch eine Einladung aus Europa. Der Apple-Chef wird Ende Oktober an einer wichtigen internationalen Fachtagung die Eröffnungsrede halten. Eingeladen wurde Cook vom EU-Datenschutzbeauftragten.
Ein problematischer Deal mit Google
Wonach die "Vice"-Journalistin Tim Cook im jüngsten Interview nicht gefragt hat, ist der milliardenschwere Suchmaschinen-Deal, mit dem Google exklusiven Zugang zu Nutzerdaten von Apple-Kunden erhält. Man könnte auch sagen: Apple liefert sie dem grossen Konkurrenten auf dem Silbertablett.
Bekanntlich ist Apples Webbrowser Safari auf allen iPhones, iPads und iPods vorinstalliert und für die Websuche ist standardmässig Google eingestellt (Wie auch auf dem Mac, aber da hat Safari einen schwereren Stand gegen die Browser-Konkurrenz und wird im Vergleich weit seltener verwendet ).
Für die bevorzugte Platzierung als Standard-Suchmaschine auf Apple-Geräten wird Google gemäss einer inoffiziellen Schätzung dieses Jahr bis zu 9 Milliarden Dollar hinblättern.
Damit würde der Deal dem iPhone-Hersteller mehr einbringen als das Vermieten von Online-Speicherplatz (iCloud) und der Streaming-Dienst Apple Music. Wobei auch schon letztes Jahr viel Geld Richtung Cupertino geflossen sein soll: Angeblich reichte Google da 3 Milliarden an Apple weiter.
Aus Googles Sicht sei ein Exklusiv-Vertrag mit Apple durchaus sinnvoll, kommentiert "Macwelt" weiter: "Das Unternehmen sichert sich so ein quasi ungebrochenes Monopol bei der mobilen Suche, die iOS-Alternative Android wird ja im eigenen Hause entwickelt. Die mobilen Daten sind für das Unternehmen und für die nächste Generation von Werbung immens wichtig (...)."
Die beiden Unternehmen äussern sich nicht zum Deal. Der Betrag wird nicht kommuniziert, sondern geschickt in den Bilanzen versteckt. Er hängt sicher von der Zahl der Suchanfragen ab, und es könnte natürlich auch Gegengeschäfte geben.
Apple hätte es nicht nötig – und die User sind (zu) faul
iPhone-User, die nicht mit Google im Web suchen wollen, müssen dies manuell ändern. Die Standard-Suchmaschine legt man in den Safari-Einstellungen fest. Doch wer tut das?
"Macwelt" wendet ein, dass Google als voreingestellte Suche wohl von rund 90 Prozent der User verwendet werde: "Denn nur die wenigsten wühlen sich durch die Einstellungs-Fenster in iOS, um eine andere Suchmaschine auszuwählen. Diese Suchanfragen sind jedoch vielleicht nur ein Teil, aber ein wertvolles Reservoir an Nutzer-Daten, die Google auswertet und mit denen das Unternehmen noch weiter sein Monopol unter den Suchmaschinen ausbaut."
Dass viele Leute aus reiner Bequemlichkeit Gewohnheit weiterhin mit Google suchen, ist das eine. Ziemlich scheinheilig wirkt es allerdings, wenn sich Apple vom Geschäftsmodell eines Datenkraken distanziert und gleichzeitig davon profitiert.
Das Verhalten verwundert umso mehr, als dass sich die Kalifornier – abgesehen vom Google-Deal – bezüglich Datenschutz von der Konkurrenz abheben, wie "Macwelt" feststellt:
Beim Thema Zugriff von Dritten behandle Apple die Nutzerdaten fast schon vorbildlich: Die Facebook- und Twitter-Integration sei fast komplett verschwunden.
Safari sperre hartnäckige Cookies immer besser aus, so dass sich die Werbeindustrie immer lauter beklage.
Dies attestieren unabhängige Experten.
Nun gilt es für Tim Cook, das Geschäftsgebaren konsequent der PR-Kernbotschaft anzupassen.
Sicher ist: Der Google-Deal passt nicht zu den Anstrengungen, die Apple als Innovationsführer unternimmt. Sei dies durch die Umsetzung von Differential Privacy und die konsequente Verarbeitung von sensitiven Informationen auf den Geräten selbst, oder sei es durch technische Innovationen wie die automatische Gesichtserkennung Face ID, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Mein Fazit: Nun gilt es für Tim Cook, das Geschäftsgebaren konsequent der PR-Kernbotschaft anzupassen: Das Unternehmen verkauft grossartige Produkte, aber keine Nutzerdaten.
PS: Darum ist Google schlimmer als Facebook
Ich bezeichne Google als "schlimmsten Datenkraken", also als noch schlimmer als Facebook. Gemeint ist damit der grössere Einflussbereich von Google, respektive den des Mutterkonzerns Alphabet: Facebook kann man sich entziehen, durch Beenden der Mitgliedschaften, Löschen der Apps, Anti-Tracking-Tools und konsequente Nichtnutzung. Wobei damit natürlich auch Instagram und WhatsApp gemeint sind ...
Bei Google wird das Entziehen immer schwieriger, weil das Unternehmen mit Android geschickt in alle Lebensbereiche vordringt und sich im Alltag breit macht. Durch seine benutzerfreundlichen Gratis-Dienste wie Gmail, Google Maps, YouTube oder Google Docs schafft der mächtigste Internet-Konzern der Welt immer neue Abhängigkeiten.
Die krasse Vormachtstellung zeigt sich bei der Suchmaschine und Googeln als Synonym für Web-Suche. Und dank des Suchmaschinen-Deals mit iPhone-Hersteller Apple kann Google nahezu 100 Prozent der weltweiten Smartphone-User zu Werbezwecken "ausspionieren", mit deren Einverständnis.