Wie HGC seine Kunden und Mitarbeiter in die Salesforce-Cloud mitnimmt
Die Genossenschaft HG Commerciale (HGC) hat vor wenigen Monaten den Schritt in die Cloud gewagt. Excel-Files wurden durch das CRM von Salesforce abgelöst. Wie es zu dem Projekt kam, was erreicht wurde und was noch nicht so gut klappt, sagt Daniel Küchler, Leiter Marketing von HGC, im Interview.
Mit Salesforce haben Sie Excel bei sich abgelöst und sind in die Cloud gegangen, stimmt dies so, oder ist es zu weit zugespitzt?
Das stimmt zu einem grossen Teil. Unser Kerngeschäft haben wir in der Vergangenheit mit Excel betrieben. Wir haben vor 12 Jahren zwar ein CRM-System eingeführt, aber nur in einem Bereich, der einen kleinen Teil unseres Geschäfts ausmacht. Salesforce haben wir jetzt für das ganze Unternehmen eingeführt.
Die Baubranche hat den Ruf, eher konservativ beim Einsatz von IT zu sein. Wie waren die Reaktionen Ihrer Mitglieder und Kunden darauf, dass Sie in die Cloud gegangen sind?
Unsere Mitglieder sind auch unsere Kunden, etwa Handwerker, Baumeister, Gipser oder Plattenleger. Ich hoffe, dass sich dies bei ihnen nur im Oositiven bemerkbar macht und wir sie dadurch besser bedienen können. Grosse Berührungspunkte mit Salesforce haben sie in diesem Sinne nicht. Die grösste Veränderung bedeutete es für unsere Mitarbeiter.
Wie genau?
Unsere Mitarbeiterschaft ist sehr heterogen. Wir haben auch Personen, die schon in anderen Unternehmen Erfahrungen mit der Cloud gemacht haben und daher ein modernes Tool für ihr tägliches Geschäft sogar gefordert haben. Und dann gibt es solche, die sich nach Jahren der Arbeit mit Excel und Karteikästen eher schwer getan haben, dies aufzugeben. Gleichzeitig wurde das Tool als ein Kontrollinstrument für die Vorgesetzten wahrgenommen. Denn diese erhalten nun einen unmittelbaren Einblick in die Prozesse, was beim alten System nicht so einfach möglich war.
Wie ist der Entschluss gefallen, sich von Excel zu verabschieden? Wer war der Treiber dieser Entwicklung?
Das Bedürfnis kam von der Marktentwicklung her. In den letzten 10-15 Jahren boomte die Baubranche, was nun vorbei ist. Unsere Verkäufer konnten nicht nur einfach wie vorher Bestellungen abholen, sondern mussten nun richtig verkaufen. Der Frankenschock 2015 hat diese Entwicklung weiter verschärft. Wir waren dazu gezwungen, den Markt systematischer und gezielter zu bearbeiten. Aus diesem Bedürfnis ist die Erkenntnis gereift, dass es ein Hilfsmittel für die Bearbeitung des Marktes braucht.
Und Sie haben sich dann mehrere Lösungen angeschaut?
Genau. Zunächst haben wir uns überlegt, was wir brauchen und dann den Markt konsultiert und uns ein paar Systeme näher angeschaut. Am Ende waren noch 2-3 im Rennen. Salesforce erfüllte unsere Bedürfnisse am besten. Der Schritte in die Cloud kostete uns damals aber noch etwas Überwindung insbesondere weil es die erste Cloud-Lösung war, die wir implementiert haben. Daher mussten wir zunächst intern einige Fragen beantworten. Bis heute bereuen wir es nicht, diesen Weg eingeschlagen zu haben.
Welche Fragen waren dies?
Es ging dabei etwa um Fragen wie Datensicherheit und Datenhoheit. Viele Anbieter haben Cloud und On-premise-Lösungen angeboten. Wir haben dann bei genauerem Hinsehen festgestellt, dass on-premise eine aussterbende Gattung ist und alle mehr oder weniger auf die Cloud setzen. Daher haben wir den Entscheid gefällt, dass die Cloud für uns richtig ist. Danach stand eigentlich nichts mehr im Weg, mit Salesforce in die Cloud zu gehen und das Projekt zu starten. Mit der Evaluation haben wir 2016 gestartet und Ende 2016 ist der Entscheid für die Lösung gefallen. Seit September 2017 sind wir live. Das ganze Projekt haben wir in einem guten Dreivierteljahr durchgezogen.
9 Monate ist eine relativ sportliche Zeitspanne, um von Null in die Cloud zu gehen.
Wir sind auch überrascht gewesen, dass es so schnell ging. Salesforce hat von Anfang an versprochen, dass es nur 6 Monate dauert. Die effektive Einführung hat wirklich auch nur 6 Monate gedauert, obwohl wir auch noch das eine oder andere Customizing gemacht haben. Wir brauchten für die Vorbereitung intern noch drei Monate zusätzlich. Hierbei ging es etwa um die Prozessdefinition der Marktbearbeitung.
Bei jedem Projekt gibt es Probleme, was waren die grössten Stolpersteine?
Für uns war die Intensität der Projektmethodik neu. Wir hatten vorher noch nie mit agilen Methoden gearbeitet. Wir hatten das Projekt in fünf Sprints unterteilt. Obwohl auch die Parallelität der Arbeiten für uns relativ neu war, hat es erstaunlich gut funktioniert. Hier hat sich sicherlich auch die gute Vorbereitung, die Wahl des Integrationspartners und die Ausarbeitung unseres Pflichtenhefts ausgezahlt. Dadurch wussten wir genau, was wir wollen und es gab während des Projekts kein grosses Hin und Her.
Welches waren die Anforderungen an das neue CRM, welche Ihnen Excel nicht bereitstellen konnte?
Unser Kernbedürfnis war es, die Prozesse im Verkauf zu vereinheitlichen. In unseren acht geographischen Regionen wurde teilweise sehr unterschiedlich gearbeitet. Die Herausforderung war es, hier mehr Gemeinsamkeiten zu definieren und zu sagen, wie wir in Zukunft arbeiten wollen. Dies betraf Prozesse wie die Akquisition, die Kundenbetreuung und auch die Bedürfnisse vom Marketing. Alles mit dem Ziel, die Kundenansprache zu verbessern und die Leute an der Front mit Automatismen zu entlasten.
Gab es noch weitere Schwierigkeiten?
Während des Projekts sind dann nicht mehr ganz alle Anforderungen gegangen, die wir an Salesforce gestellt hatten. Wir haben dann aber meistens eine Lösung gefunden oder sind einen Kompromiss eingegangen. Gewisse Sachen funktionieren inzwischen mit neuen Releases. Eine andere grosse Herausforderung war dann die Einführung in der Organisation. Wir haben rund 400 User mit sehr unterschiedlichem technischen IT-Know-how.
Sie meinen die Nutzer, die noch mit Fax, Papier und handschriftlichen Notizen gearbeitet haben.
Genau. Diese mussten wir aber auch auf das neue System bringen, damit die neu definierten Prozesse auch umgesetzt werden konnten. Denn es hätte uns nichts gebracht, wenn nur die Hälfte mit dem neuen System arbeitet.
Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Wir haben die Schulungen in zwei Wellen durchgeführt. Zuerst haben wir mit den Mitarbeitergruppen angefangen, die schon CRM-Erfahrungen hatten. Dies waren rund 150 Personen, die wir schnell auf das System bringen konnten. Beim Test konnten sie uns auch noch auf den einen oder anderen Bug hinweisen. Danach haben wir die Schulung der restlichen rund 250 Mitarbeiter in Angriff genommen. Einen Monat später sind wir dann live gegangen, Dies war Anfang Oktober 2017. Dann konnten alle mit dem CRM arbeiten. Rund einen Monat später haben wir dann Nachschulungen gemacht. Dabei ging es um konkrete Fragen, die im Tagesgeschäft aufgetreten sind. Diese Beratung hat mehrheitlich am Arbeitsplatz stattgefunden. Insgesamt haben wir rund drei Monate geschult. Wir haben auch eine Hotline eingerichtet, um direkt Fragen beantworten zu können. Nach drei Monaten hat das System gut funktioniert. Danach war es dann eine reine Führungsaufgabe, auch die Personen zu motivieren, die eher sparsam mit dem System gearbeitet haben. Heute sind wir sehr zufrieden, wie es läuft.
Alle Mitarbeiter haben sich damit abgefunden?
Die Mitarbeiter haben den Mehrwert für ihre Arbeit durch das System erlebt. Je mehr Daten im System drin sind, desto mehr wird der Nutzen ersichtlich. Dadurch wird Salesforce immer mehr zu einem Selbstläufer und einer Selbstverständlichkeit.
Gab es auch Mitarbeiter, die den Weg nicht mitgehen wollten?
Nein, eigentlich nicht. Einige Mitarbeiter die kurz vor der Pensionierung standen, haben wir nicht mehr auf das System gezwungen. Sonst haben alle mitgezogen. Es wäre auch kein Grund zum kündigen gewesen, denn die meisten Firmen arbeiten inzwischen mit ähnlichen Systemen. Für uns war zentral, den Mitarbeitern den Nutzen des Systems aufzuzeigen. Oft wird ein CRM als Schikane oder Kontrollsystem verstanden, welches nur zusätzliche Arbeit macht. Hier haben wir klar versucht, dass System anders zu positionieren. Als Unterstützung für das Alltagsgeschäft. Es ist natürlich auch ein Führungsinstrument, das haben wir auch nie verschwiegen. Uns war wichtig, dass der Nutzer in der Zukunft nicht mehr in X-Systeme rein muss. Vorher ist er in SAP gegangen, um etwa Informationen wie offene Rechnungen und Umsätze zu prüfen. Wenn er dann noch mehr wissen wollte, dann musste er in das BI-System gehen, was sehr umständlich war. Unser Ansatz war es, dass der Nutzer nur noch auf dem CRM arbeitet. Alle relevanten Informationen der Umsysteme wollten wir in das CRM bringen. Zudem wollten wir viele Prozesse automatisieren.
Was genau?
Hier geht es etwa um Themen wie Aufgaben setzen, um bei Offerten nachzufassen. Die Offerte geht automatisch vom SAP in das CRM und dann die Aufgaben an den Aussendienst. Die Person muss dann gar nicht mehr dran denken, sondern bekommt direkt eine Erinnerung vom System. Solche Sachen wie bei Offerten nachzufragen, dass haben wir im Boom teilweise verlernt. Die Bestellungen kamen einfach so rein. Heute muss man um jede Offerte kämpfen und das System hilft uns dabei.
Die Digitalisierung ist der erste Schritt. Was sind Ihre Pläne bei der weitergehenden digitalen Transformation?
Wir haben für uns persönlich das Thema BIM entdeckt. Aktuell ist es eher ein Thema in der Planung. Wir wollen diese Welle frühzeitig nutzen. Daher arbeiten wir seit rund drei Jahren daran, unsere Lieferanten auf die Zukunft vorzubereiten. Wir sind der Überzeugung, dass Daten und Produktinformationen hierfür die Basis sind. Ein erster Schritt ist es, die Produktinformationen so strukturiert wie möglich zur Verfügung zu stellen. Es ist harte Knochenarbeit, denn die meisten Lieferanten sind noch nicht parat. Vor allem sind die Daten noch nicht strukturiert und oft überall verteilt in den unterschiedlichsten Formaten. Mit dem Start-up der ETH Buildup sind wir an dem Projekt daran. Aktuell bringen wir die ersten Lösungen auf den Markt, die unseren Kunden und Lieferanten nützen sollen.
Wie soll dies gelingen?
Wenn Sie die Produkte digital optimieren, dann können wir sie über die neuen Kanäle viel besser kommunizieren. Wir beginnen zunächst mit den Ausschreibungen. Diese sind oft hunderte von Seiten lang und es ist sehr aufwändig sie auszufüllen. Die bisherigen Lösungen haben den Handel und den Lieferanten nicht berücksichtigt. Sie starten in der Regel beim Planer und enden beim Unternehmer. Wir haben eine Schnittstelle gebaut, mit der wir direkt Informationen mit den Unternehmern austauschen können. Bisher haben wir die Ausschreibungen per Fax bekommen, oder als PDF per E-Mail. Dies Seiten haben wir dann per Hand ausgefüllt und retouniert. Im Anschluss wurden diese Informationen beim Unternehmer im System per Hand eingeführt. Heute sind wir in der Lage, dass der Unternehmer sein System nicht mehr verlassen muss, wenn er seine Emission an den Planer ausfüllt. Aus seinem System kann er direkt auf unser System zugreifen und unsere Produkte in sein System, mit seiner Kalkulation und seinen Nettopreisen, übernehmen. Das ist für uns der Weg, wie wir uns als Händler in der digitalen Transformation der Baubranche sehen. Es geht darum die Prozesse zu digitalisieren, zu automatisieren und zu vereinfachen.
Und wie kommt Salesforce hier ins Spiel?
Das CRM hilft uns, den Kunden besser zu verstehen, damit wir ihn auch besser bedienen können als der Mitbewerber. Die Produkte sind austauschbar, Backstein bleibt Backstein. Der Mehrwert macht den Unterschied und das CRM ist ein Zahnrad im Getriebe.
Sie haben auch eine App für Salesforce gebaut. Warum genau?
Unser Kernbusiness, dass Bauhauptgewerbe, konnten wir zu 99 Prozent abbilden. Für unsere rund 20 Ausstellungen mussten wir noch eine App für Salesforce bauen. Ihr Architekt schickt Sie als privaten Bauherr etwa zu unserer Ausstellung, um Bodenbeläge auszuwählen. Mit der App kann der Berater schon während des Gesprächs auf einem Tablet die ausgesuchten Produkte zusammenstellen. Vorher gab es handschriftliche Notizen auf einen Auswahlschein. Die Angaben übertrug der Berater dann in das SAP. Danach musste der private Bauherr entweder eine Zeit lang warten, oder er bekam die Details per Post zugeschickt. Jetzt können wir den Bestellschein aus der App direkt erstellen, schon während der Beratung. So sind wir in der Lage, am Ende des Beratungsgesprächs die Informationen gleich per Mail zu verschicken. Der Kunde kann dann mit den Informationen etwa zum Plattenleger gehen und eine Offerte für das Verlegen einholen.
Welche Vorteile bietet dies noch für Sie?
Durch diesen Prozess sind die Daten alle bei uns ordentlich hinterlegt. Wir wissen, was der Kunde ausgewählt hat und der Aussendienst hat auf diese Informationen direkten Zugriff. Wir haben auch keine Medienbrüche mehr und konnten eine Fehlerquelle beseitigen.
Zu wie vielen Prozent sind Sie mit Salesforce zufrieden?
Ich würde es bei 97 Prozent ansetzen. Es sind ein paar Kleinigkeiten, die noch nicht so funktionieren wie ursprünglich gewollt .
Welche sind dies?
Es ist die Kommunikation mit Outlook. Es gibt noch einen kleinen Aspekt, der nicht funktioniert: Mein Auto kommuniziert nicht mit Salesforce. Über die Freisprechanlage oder das Display im Auto kann ich nicht auf die Telefonnummern zugreifen, um jemanden unterwegs anzurufen. Das Argument von Salesforce ist, dass der Anruf nicht protokolliert ist. Dies mag stimmen, aber es ist eine Schwierigkeit für den Alltag. Insgesamt ist die Kommunikation mit Outlook aber in den letzten Monaten schon besser geworden mit den neuesten Releases von Salesforce.
Was beschäftigt Sie in der Zukunft?
Wir müssen uns die Frage stellen, ob es uns in 10 oder 15 Jahren noch braucht. Anbieter wie etwa Amazon sehen wir schon als Gefahr. In Märkten wie Grossbritannien ist Amazon auch schon im Baustoffhandel aktiv. Zum Glück ist der Baustoffhandel etwas speziell, denn viele Sachen können nicht einfach per Paket verschickt werden. Bei Schrauben und Nägeln geht es noch, aber bei Steinen wird das Gewicht schnell sehr hoch und man braucht einen Lastwagen. Die Gefahr ist nicht zu unterschätzen und wir haben sie im Auge.