Wie das Spital Limmattal die Digitalisierung anpacken will
Beim Umzug in den Neubau des Spitals Limmattal hat die IT-Abteilung eine tragende Rolle gespielt. Roman Plattner, Leiter ICT im Spital, spricht über seine Aufgaben, E-Health in der Schweiz und darüber, was ihn am elektronischen Patientendossier stört.
Seit fünf Jahren leiten Sie die ICT des Spitals Limmattal. Was reizt Sie an Ihrem Job?
Roman Plattner: Ich erlebe jeden Tag etwas anderes. Das Spital Limmattal hat eine ideale Grösse, alle Mitarbeiter kennen sich untereinander. Und ich empfinde das Gesundheitswesen als extrem spannend.
Das Spital beschäftigt insgesamt über 1400 Mitarbeiter. Wie viele zählen zur ICT-Abteilung?
Unsere IT besteht aus neun festangestellten Mitarbeitern. Wir sind also eine relativ kleine Abteilung. Allerdings arbeiten wir mit externen Partnern zusammen.
Was sind das für Partner?
Es sind IT-Dienstleister, die sich um das Hosting in den Rechenzentren, um den Betrieb bestimmter Applikationen und um Netzwerktelefonie kümmern.
Bevor Sie für das Spital Limmattal gearbeitet haben, waren Sie als Senior Project Manager bei der Credit Suisse tätig. Wie unterscheidet sich die medizinische Informatik von der Banken-IT?
Zum einen ist es die Unternehmensgrösse, die den Unterschied ausmacht. Als ich bei der Credit Suisse arbeitete, hatte man dort die Wertschöpfungskette bereits stark zergliedert. Da wurde etwa die Hälfte der Arbeit in Indien gemacht, die andere Hälfte über verschiedene Abteilungen hinweg verteilt. Bei uns in der Spital-IT läuft hingegen vieles noch sehr zentral. Zum anderen gibt es einen grossen inhaltlichen Unterschied. Heutzutage ist eine Bank im Prinzip nichts weiter als ein IT-Unternehmen. Ohne Informatik läuft dort gar nichts mehr, denn die IT ist im Finanzwesen zu einem Kernprozess geworden. Demgegenüber ist die IT in einem Spital eher noch ein Support-Prozess. Aber das ändert sich. Langsam entwickelt sich auch die Spital-IT zu einem Kernprozess.
Welchen Stellenwert hat die IT im Spital Limmattal?
Wir haben ein gutes Standing. Das habe ich auch mit dem Neubau gemerkt. Wir stellten etwa Telefonie und Gebäudeleitsysteme aufs Internetprotokoll um. Da merkten viele Mitarbeiter, dass die Informatik an Bedeutung gewinnt und dass die Abläufe im Spital mehr und mehr von der IT abhängen. Unser Stellenwert ist mit dem Umzug in den Neubau also gewachsen.
Wie beurteilen Sie den Stand der Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen?
Wir sind längst nicht dort, wo wir gerne wären. Im Vergleich zur Industrie oder der Finanzbranche geht die Digitalisierung in der Medizin eher schleppend voran. Das wird sich jedoch in den kommenden Jahren ändern. Die Einführung des EPD und weitere E-Health-Projekte werden das Schweizer Gesundheitswesen nachhaltig prägen.
Das EPD ist schon seit Jahrzehnten ein Thema. Nun stehen wir kurz vor der Umsetzung und trotzdem scheint noch vieles unklar. Wo sehen Sie das Problem?
Die politischen Diskussionen haben die Einführung des EPD sicherlich erschwert. Manche Player haben ganz andere Anforderungen als die Spitäler. Für die ambulanten Leistungserbringer ist der Anschluss an eine Gemeinschaft oder Stammgemeinschaft freiwillig. Hausärzte oder Apotheken müssen Daten nicht zwingend im EPD erfassen, wir hingegen schon. Deswegen ist es schwierig, Patienten dazu zu bringen, dass sie all ihre Daten in ein EPD eintragen. In etwas mehr als einem Jahr müssen alle Schweizer Spitäler die gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Doch wie das genau aussehen soll, ist in vielen Bereichen noch unklar.
Angenommen, Sie hätten in puncto E-Health mehr Entscheidungsspielraum. Was würden Sie ändern?
Ich würde mich dafür einsetzen, dass alle Leistungserbringer ein EPD anbieten müssen. Die jetzige Lösung ist sehr föderalistisch und somit sehr komplex. Das ist sicherlich zu hinterfragen. Denn für die Leistungserbringer oder die Patienten sehe ich kurzfristig kaum Vorteile, solange das EPD nur eine unvollständige Datenbasis bietet.
Mit welchen Herausforderungen haben Sie als IT-Leiter eines Spitals zu kämpfen?
In einem Spital gilt die Devise, dass die Sicherheit der Patienten an erster Stelle kommt. Das kann aus Sicht der IT herausfordernd sein. Denn wir wollen unsere Prozesse laufend weiterentwickeln, müssen aber immer zuerst den Betrieb sicherstellen. Ausserdem stemmen wir teilweise grosse Projekte mit begrenzten Mitteln. Wir prüfen also ständig, was wünschenswert und was machbar ist. Das ist nicht immer einfach.
Ist die Gefährdung der Patientensicherheit für Sie so etwas wie eine Berufsangst?
In gewisser Weise schon. Das Patientenwohl bleibt immer im Hinterkopf. Selbst bei banalen Entscheidungen frage ich mich, wie sich das auf den Patienten auswirken könnte. Dabei geht es nicht nur um Sicherheit, sondern auch um Komfort. Wenn wir etwa unsere Systeme warten, machen wir das nachts und nicht tagsüber. So ist die Wahrscheinlichkeit kleiner, dass sich ein Patient daran stört oder die Spitalprozesse beeinträchtigt werden.
Wie gehen Sie mit den Gefahren für die IT-Sicherheit um?
Wir arbeiten mit besonders schützenswerten Daten und gehen sehr sorgsam mit ihnen um. Die Daten sind in einem Rechenzentrum mit hohen Sicherheitsstandards hinterlegt. Wir achten darauf, dass alle Systeme immer auf dem neuesten Stand sind. Allerdings müssen wir die Daten nicht nur in technischer, sondern auch in organisatorischer Hinsicht schützen. Das heisst, wir schulen unsere Mitarbeiter und sensibilisieren sie für Risiken der Informationssicherheit. Wir zeigen Beispiele, verteilen Broschüren oder informieren, wenn etwa bestimmte Phishing-Mails die Runde machen.
Wie schützen Sie medizinische Geräte wie etwa Herz-Lungen-Maschinen oder Magnetresonanztomografen?
Wir unterscheiden zwischen IT und medizintechnischen Geräten. Letztere haben wir vom restlichen Netzwerk abgekapselt. Allerdings können wir die Computer, die an diese Geräte angeschlossen sind, nicht einfach so updaten. Sonst würden die Geräte ihre Zertifizierung verlieren. Fürs Updaten solcher Maschinen sind wir auf die Hersteller angewiesen. Diese müssen die Systeme aktualisieren, was aber häufig nicht gemacht wird. Deswegen sind in vielen Spitälern teils veraltete medizintechnische Computer im Einsatz.
Wie könnte man dieses Problem lösen?
Die Hersteller müssen in die Pflicht genommen werden, schneller zu reagieren. Es dauert häufig sehr lange, bis die Anbieter auf aktuelle Bedrohungslagen eingehen und die Systeme aktualisieren.
Im vergangenen Herbst weihte das Spital Limmattal seinen Neubau ein. Was hat sich in Ihrem Arbeitsalltag verändert?
Wir haben heute mehr Aufgaben. So kümmern wir uns seit der IP-Umstellung auch um die Telefonie, die zuvor dem technischen Dienst angegliedert war. Der Umbau war eine grosse Chance für uns. Wir hatten die Möglichkeit, neue Technologien einzuführen und dabei auf einer grünen Wiese zu starten. Bei allen Neuerungen arbeiteten wir eng mit den Nutzern zusammen, etwa mit Ärzten und Pflegern. So konnten wir viel Vertrauen aufbauen. Und wir haben in diesem Prozess sehr viel gelernt. Das bringt uns auch als Informatik weiter.
Was ist aus IT-Sicht alles neu?
Wir haben beispielsweise die Patiententerminals durch eine Tablet-Lösung ersetzt. Die Patienten können ihr eigenes Tablet, Notebook oder Smartphone mitbringen und es mit unserem Patienteninformations- und Unterhaltungssystem verbinden. So können sie auf einem Gerät im Internet surfen oder Filme schauen. Wer kein eigenes Gerät dabei hat, kann sich bei uns kostenlos ein Tablet ausleihen. Zudem haben wir unser Netzwerk sowie die Telefonie komplett erneuert und Drucker mit einem sogenannten Print-to-me-System eingeführt.
Wozu soll das gut sein?
Es vereinfacht vor allem das Ausdrucken vertraulicher Dokumente. Ich gebe einfach den Druckauftrag, scanne meinen Badge bei einem Drucker, und der druckt dann mein Dokument aus. Ich muss also nicht mehr einen bestimmten Drucker auswählen und dann dorthin sprinten.
Auf welche Neuerungen sind Sie besonders stolz?
Es freut mich, dass wir den Umzug in den Neubau rechtzeitig geschafft haben. Und vor allem, dass wir als IT-Abteilung wesentlich dazu beigetragen haben, dass alles reibungslos geklappt hat.
Was funktioniert noch nicht so, wie Sie es gerne hätten?
Es gibt noch ein paar Stellschrauben, die wir feinjustieren müssen. In ein paar Räumen lässt der WLAN-Empfang noch zu wünschen übrig. Gewisse Roaming-Funktionen laufen noch nicht so rund, wie sie sollen. Aber wir haben glücklicherweise keine grossen Baustellen mehr vor uns.
Welche Projekte stehen bei Ihnen 2019 an?
Zunächst wollen wir die Neuerungen wie die IP-Telefonie oder unser Netzwerk optimieren. Dann werden wir die Einführung des EPD in Angriff nehmen – ein grosses Projekt, das uns lange beschäftigen wird. Ausserdem steht die Migration auf Windows 10 vor der Tür.
Haben Sie für die Einführung des EPD einen konkreten Plan?
Dafür ist es noch etwas zu früh. Bis vor Kurzem haben wir uns auf den Neubau fokussiert. Die Strategie fürs EPD ist der nächste Schritt.
Ist die Cloud als Datenspeicher für Sie ein Thema?
Cloud-Lösungen sind ein grosses Thema. Wir prüfen laufend, was es für Möglichkeiten gibt, die unseren Sicherheitsstandards entsprechen. Allerdings bin ich skeptisch, was die Compliance mit den Datenschutz-Vorgaben betrifft. Deswegen möchte ich derzeit noch keine umfassenden Cloud-Lösungen implementieren.
Roman Plattner wurde 1972 in Männedorf geboren. Er diplomierte 1999 als Wirtschaftsinformatiker HF an der HWV Olten, bevor er sein Betriebswirtschaftsstudium an der Berner Fachhochschule als Betriebsökonom FH 2008 erfolgreich abschloss. An der Universität St. Gallen erlangte er 2012 den Executive MBA Business HSG. Plattner verfügt über langjährige und umfassende Erfahrungen als Projektleiter von Fach- und insbesondere IT-Projekten im Gesundheits-, Banken- und Versicherungsbereich. Er ist seit 2014 Leiter ICT im Spital Limmattal und war im vergangenen Jahr Gesamtverantwortlicher für den reibungslosen Umzug der Informations- und Kommunikationstechnologie in den Spital-Neubau.