Swissness verliert an Bedeutung
Die jüngste Studie von MSM Research und eine anschliessende Diskussionsrunde haben gezeigt, wie es um den Schweizer Markt für Enterprise Content Management bestellt ist. Die Schweiz als Standort bleibt für Kunden wichtig, doch mit der Shift zur Cloud dürfte dies schwinden. Auch Hyperscaler lauern am Horizont.
MSM Research hat Kunden und Vertreter der Fachpresse erneut zu einem Briefing über den Schweizer IT-Markt geladen. Auf Basis von Umfragedaten erstellte Philipp A. Ziegler, CEO von MSM Research, Studienergebnisse zur hiesigen ICT-Branche. Für 2018 sei der Wachstum im B2B-Markt um 4,2 Prozent gestiegen, dieses Jahr werden es laut Schätzungen nur noch 3,1 Prozent sein. Fast die Hälfte aller befragten Unternehmen rechneten damit, ihre Budgets für Projekte und den ICT-Betrieb im kommenden Jahr aufzustocken.
Dabei hätten die Umfragen klar ergeben, dass Digitalisierung, Transformation, Vernetzung, Security und Datenschutz zu den Top-Themen unter Entscheidern gehören. Blockchain, Robotik und künstliche Intelligenz (KI) spielten eine noch untergeordnete Rolle, doch Ziegler prognostizierte, dass diese Themen momentan im Hype-Status stecken und in den kommenden drei Jahren noch explosiv an Bedeutung gewinnen könnten.
Gerade Security und Datenschutz sei die Nummer 1 der Anliegen. "Abteilungsleiter sind sehr verunsichert, wie weit sie sich aus dem Fenster lehnen können", sagte Ziegler. Für viele Befragten bestehe immer noch Verunsicherung, wer welche Verantwortlichkeiten tragen und wie mit sensiblen Daten umgegangen werden soll.
Philipp Ziegler präsentiert die aktuelle Studie von MSM Research. (Source: Netzmedien)
ECM und DMS
Nach IT-Security, Mobile Computing und Cloud Computing habe Enterprise Content Management (ECM) nahezu die Hälfte aller Befragten beschäftigt. Das bildete auch den Schwerpunkt von Zieglers Runde: die Rolle von ECM und Document-Management-Systeme (DMS) im Markt. Seinem Ermessen nach wachse dieser Markt noch substantiell. Dazu befragte MSM Research 79 Unternehmen online.
Beim wichtigsten Antriebsfaktor für den Einsatz von ECM/DMS-Lösungen handle es sich bei rund 3 von 4 Befragten um Mobility. Sprich: Zeitgewinn mittels schnellen Auffinden und ortsunabhängigen Zugriff auf Daten. Die Top-3-Hürden seien dagegen Aufwand und Komplexität, interne Umsetzbarkeit und ein Mangel an Transparenz bei Kosten und Nutzen.
Die Antworten zur Evaluation dieser Lösungen hätten Ziegler erstaunt. Denn für nur einen Viertel der Befragten sind ECM/DMS integraler Bestandteil der Digitalisierungsstrategie. Ob Nutzerbedürfnisse für den Einsatz solcher Lösungen erfasst wurden oder diese erst noch erfasst werden sollen, bejahte auch nur ein Viertel der Befragten. Dabei hätten fast 70 Prozent aller Befragten solche Lösungen schon im Einsatz. Eine Hälfte betreibe solche Lösungen als reine Inhouse-Installation, die andere beziehe sie extern.
(Source: MSM Research)
Swissness nimmt ab
Auf die Frage, was Cloud-Angebote für ECM/DMS-Lösungen anbieten müssten, um sie in Betracht zu ziehen, hätten fast 70 Prozent der Befragten einen Serverstandort in der Schweiz genannt. "Swissness hat einen grossen Stellenwert, aber nicht mehr so gross wie vor 10 Jahren", sagte Ziegler dazu. "Kunden wollen Use Cases nicht von einer American Airlines hören, sondern von einem Schweizer Kunden."
Nachdem Ziegler seine Präsentation abschloss, eröffnete er die Runde zur Diskussion. Bruno Wildhaber, Managing Partner von KRM, fügte der Präsentation hinzu: "Datenlöschen ist die Königsdisziplin." Gerade für Compliance sei dies bei ECM/DMS-Projekten integral. "Das sind keine Technologie-Projekte", sagte er. Sie hätten stattdessen sehr viel mit Change-Management zu tun. In Zukunft käme KI, um das intelligente Erkennen von Inhalten zu automatisieren. Aber Unternehmen brauchten Tools, um mit dem Datenflut klarzukommen.
Gartner hat neulich 5 Mythen rund um KI widerlegt, worüber Sie hier mehr nachlesen können.
(Source: MSM Research)
Beratung und Cloud gewinnen an Bedeutung
"Beratung ist entscheidend für ein Projekt", sagte Markus Berger, Deputy Head of Partner Management von D.velop. Er betonte die Wichtigkeit, den Kunden Prozesse wie Digitalisierung zu erklären und transparent zu gestalten, aber vor allem zu ermitteln, was die Kunden überhaupt brauchen. Grosskunden seien schneller auf den Zug aufgesprungen, aber bei kleineren Kunden gebe es noch einiges zu tun. Alles müsse Cloud-ready sein, auch wenn die Umsetzung als Cloud-Lösung momentan noch selten sei.
Wie Manfred Terzer, CEO von Kendox, sagte, sah er bescheidenen Umsatz in der Cloud. Aber der Umsatz habe sich im vergangenen Jahr verdoppelt und werde diese 2019 wieder tun. Daniel Izsak, General Manager DACH-Region von Hyland Software, merkte auch an, dass das Unternehmen im vergangenen Sommer mehr Cloud- als On-Premise-Lösungen lieferte. Keiner der Teilnehmer widersprach, dass die Cloud-Option zum Angebot gehört, denn viele Firmen hätten sich strategisch auf die Cloud ausgelegt.
"Kunden fragen nicht direkt nach Cloud-Lösungen", sagte aber Helmar Steinmann, Niederlassungsleiter von Elo Digital Office CH. Die Erkenntnis, dass sie solche Lösungen benötigen könnten, kristallisiere sich erst aus Rückfragen heraus. Sie hätten Angst vor unvorhersehbaren Kosten, doch das Risiko werde kleiner mit standardisierten Angeboten. Gleichzeitig akzeptierten Firmen schnell hybride Lösungen.
(Source: MSM Research)
Die Rolle von Amazon, Microsoft und Google
Laut Dominic Wullschleger, Head of Sales & Marketing von Arcplace, erodiere die Ausrichtung auf die Cloud den Schweizer Standort, womit er Zieglers festgestellte Abnahme von Swissness beipflichtete. Auf Zieglers Anfrage, ob das einen Shift zur Public Cloud beinhalte, verneinten die Teilnehmer mehrheitlich. Viel eher seien standardisierte und individualisierte Lösungen gefragt.
Neue Rechenzentren von Amazon Web Services, Microsoft Azure und Google kommen in die Schweiz und alle diese Anbieter offerieren auch ECM-Lösungen. Es wird eine Konsolidierung geben und in 5 Jahren sehe dieser Markt anders aus, wie Steinmann auf Anfrage zu dieser Marktsituation sagte. Damit diese grossen Anbieter im Schweizer Markt wirklich Fuss fassen können, müssten Partner her. Gerade bei Themen wie Datenschutz oder Kundenbetreuung wollen Schweizer Kunden lokale und persönliche Lösungen.
Wildhaber zeigte sich skeptisch gegenüber einem Zukunftsszenario, in der Hyperscaler den Schweizer Markt überrollen. Der Trend in den USA bewege sich zu Azure hin. Aber auch dort werde segmentiert und gepartnert, was für individualisierte Lösungen spreche. Und auch hier zeigte sich die Diskussionsrunde dazu einig.
(Source: MSM Research)