Die Sieger von Best of Swiss Web verraten ihre Tricks
Die Gewinner von Best of Swiss Web 2019 haben am Swico Winner Talk gezeigt, wie sie ihre Siegerprojekte gestemmt haben. Auf dem Programm stand ein offener Austausch über Erfolgsrezepte, Pain Points und Learnings.
Wo liegt der Schlüssel zum Erfolg bei Best of Swiss Web (BOSW)? Wie haben es die bisherigen Gewinner geschafft? Womit haben sie gekämpft? Woran wären sie fast gescheitert? Und was haben sie aus ihren Fehlern gelernt? Antworten gab es am Swico Winner Talk im Zürcher Renaissance Hotel. Dort diskutierten die Macher hinter den Siegerprojekten von Best of Swiss Web 2019 darüber, was sie richtig gemacht haben und welche Hürden sie meistern mussten.
Solche Diskussionen führt man am besten abseits der grossen Bühne. Schliesslich sollen sich die BOSW-Gewinner auch mal vertraulich austauschen können. Deswegen solle der Winner Talk wie ein Werkstattgespräch ablaufen, sagte Giancarlo Palmisani, Leiter Verbandsdienstleistungen beim Wirtschaftsverband Swico. "Mit lockeren Präsentationen und offenem Gedankenaustausch, frisch von der Leber weg."
Eine Frage der Balance
Als erstes gab das Dreiergespann Dreipol, Liip und Migros einen Einblick in die Entwicklung von "Amigos", die Social-Shopping-Plattform, die den Titel Master of Swiss Web 2019 eroberte. Am Anfang stand die Vision eines Peer-to-Peer-Lieferdienstes für Lebensmittel. Eine der grossen Herausforderungen des Projekts war es, das Verhältnis von Bringern und Bestellern in Einklang zu bringen. Diese Balance zu finden, fordert die Macher auch bei der Weiterentwicklung heraus, wie Paola Gächter, Project Manager von Dreipol, und Colin Frei, Product Owner von Liip, im Interview sagten. Lesen Sie hier mehr dazu.
Momentan gibt es noch weniger Besteller als Bringer, wie Amadeus Petrig, Customer Experience Spezialist bei der Migros, im Interview sagte. Dies sei in dieser Phase des Projekts zu erwarten, denn beim Einkaufverhalten spiele die Macht der Gewohnheit eine wichtige Rolle. "Das Aufbrechen dieser Gewohnheiten passiert nicht von heute auf morgen", ergänzte Petrig. Lesen Sie hier das komplette Interview mit Petrig und Matthias Wälchli, Leiter Abhol- und Lieferservices bei der Migros.
Die Macher hinter "Amigos" haben über das Erfolgsgeheimnis und die Herausforderungen ihres Projekts gesprochen. (Source: Netzmedien)
Auf den Groove gekommen
Der Faktor Zeit sei für das Projekt sehr wichtig gewesen, erklärte Petrig am Winner Talk. "Amigos war das erste Schnellbootprojekt der Migros." Man habe auf ein kleines Team mit verschiedenen Skills gesetzt, die allesamt in einem gemeinsamen Raum - fokussiert auf ein Projekt - arbeiteten. "Das gab uns einen riesigen Boost", sagte Petrig. So hätten sich die Teammitglieder gut aufeinander einspielen, einen Start-up-Groove entwickeln können. Ferner habe das Team autonom entscheiden können, was innerhalb der Migros doch eher selten sei.
Ebenso entscheidend sei das nutzerzentrierte Vorgehen gewesen. "Gerade bei innovativen Produkten ist die Phase nach dem Ausrollen extrem lehrreich, denn erst dann erhält man wirklich valide Kundenfeedbacks." Diese User-Insights seien die wichtigste Quelle für die Priorisierung bei der Weiterentwicklung gewesen, sagte Petrig. Generell müsse man als Team bereit sein, die Weichen immer wieder neu zu stellen.
Mit Standards brechen
Etwas wagen, etablierte Standards über Bord werfen – darf man das überhaupt? Diese Frage stand am Anfang, wie Stefan Tan, Consultant bei Hinderling Volkart, sagte. Für das Projekt "Edelweiss. Besser buchen", das bei Best of Swiss Web 2019 in der Kategorie Usability Gold gewann, lautete die Antwort: unbedingt. Das Risiko, etwas anders zu machen, habe sich schliesslich gelohnt. Und es sei auch der einzig gangbare Weg gewesen. Denn die Standardlösung für Onlinebuchungen führte für die Edelweiss, die Feriendestinationen vor allem saisonal anfliegt, nicht zum Ziel.
Das Projekt sollte neue Möglichkeiten für die Suche nach Ferienflügen eröffnen. Beispielsweise können Kunden nach ihrer Entscheidung für eine bestimmte Preisklasse auch gleich ihren Sitzplatz wählen und buchen. Bei anderen Airlines kommt die Wahl des Sitzplatzes erst später. "Das war etwas Neues und wir waren anfangs nicht sicher, ob das funktioniert", sagte Tan.
Stefan Tan (l.), Consultant bei Hinderling Volkart, über die Höhe- und Tiefpunkte des Projekts "Edelweiss- Besser buchen." (Source: Netzmedien)
Tatsächlich seien bei der Entwicklung der Buchungs-Engine Bugs aufgetaucht – wie das nun mal so ist. Doch einer habe sich als besonders schwierige Knacknuss entpuppt. Mit Müh und Not hätten die Entwickler schliesslich die Ursache gefunden und behoben. "Umso mehr können wir mit Stolz sagen, dass wir die Boje gewonnen haben", sagte Tan lächelnd.
Die wichtigsten Learnings fasste er wie folgt zusammen: Der Ungewissheit genügend Platz einräumen, das Kind beim Namen nennen und: früher testen und mehr Zeit für die Testphase einplanen.
Aufs Wesentliche fokussieren
Menschen brauchen nicht nur Taschen und Kleidung, sondern auch Orientierung. Das war die Idee hinter "Freitag City Guide Lines", bei Best of Swiss Web 2019 mit Gold in der Kategorie Creation prämiert. Ziel war es, einen digitalen Städte-Guide mit kurzen Videos zu kreieren, in denen Menschen mit Kreativhintergrund ihre Stadt erklären.
Das Ganze sollte keineswegs mit Lonely Planet oder Karten-Apps konkurrieren. Im Gegenteil: Das Projekt solle nahtlos an Google Maps anknüpfen und der Applikation einen persönlichen Touch verleihen, sagte Katharina von Wyl, Online Communication Specialist bei Freitag. Und das funktioniert offenbar tadellos. Die User Journey fühle sich geschmeidig an, lautete das Urteil der Jury.
Vier Agenturen habe man im Vorfeld pitchen lassen, sagte von Wyl. Dass sich Liip schliesslich durchsetzte, sei dem Fokus der Agentur zu verdanken. Sie habe beim Pitch nicht mit Ideen für mögliche weitere Features um sich geworfen, sondern sich aufs Wesentliche konzentriert. Ausserdem kannte man sich schon, was beim Vertrauensaufbau sicherlich geholfen habe.
Jan Hug (l.) und Katharina von Wyl erklärten, warum die Zusammenarbeit zwischen Freitag und Liip funktionierte. (Source: Netzmedien)
Klartext reden
Die grösste Herausforderung? Für Jan Hug, Frontend Developer und User Experience Designer bei Liip, war es das CMS. Weil es schnell gehen musste und einfach sein sollte, entschied man sich für Google Drive. Doch auch da sei es tricky, all die verschiedenen Datenquellen wie Videos, Texte und Markers sauber zu verbinden.
Die Krux liegt wohl in der Kommunikation. "Wir hatten nur vier Meetings, worauf wir fast schon stolz sind", sagte von Wyl. Statt viele Sitzungen abzuhalten, hätten sich die Projektleiter regelmässig mithilfe von Slack ausgetauscht. Was ebenfalls geholfen habe: Sowohl Liip wie auch Freitag sind holokratisch organisiert. "Da ist natürlich nicht alles rosarot, aber dafür haben wir wahnsinnig kurze Entscheidungswege", sagte von Wyl.
Nach den Präsentationen lud Swico zu einem Apéro riche. Die Teilnehmer nutzten die Gelegenheit, um Kontakte zu knüpfen und Erfahrungen auszutauschen. Im November findet bereits der nächste Swico Winner Talk statt. Diesmal für die App Economy, die sich bei Best od Swiss Apps 2019 treffen wird.