Interview mit Wolfgang Eger, Schweizerische Post

Was den CIO der Post umtreibt

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Wolfgang Eger ist seit März 2019 CIO der Post. In seiner Verantwortung liegen mehr als 1000 Anwendungen und Funktionen, fast 10'000 Netzknoten und ein Datenvolumen im Petabyte-Bereich. Im Interview erklärt er, welche Herausforderungen es dabei gibt – und warum die Post gerade in Bellinzona und Neuenburg ausbaut.

Wolfgang Eger, CIO, Schweizerischen Post
Wolfgang Eger, CIO, Schweizerischen Post

Wenn man den Informationen über Sie im Internet Glauben schenken darf, spielen Sie Klavier und Curling und sind fasziniert von Japan. Wie passt das zusammen?

Wolfgang Eger: Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht – mein Flügel gibt mir die Kreativität und Muse. Curling ist ein spannender Teamsport und Japan finde ich höchstinteressant von seiner Kultur her mit seinem faszinierenden Mix aus Tradition und Moderne. Vielleicht gibt es zwischen diesen Dingen eine Verbindung – aber das wäre keine Absicht.

Seit März 2019 sind Sie Chief Information Officer (CIO) der Post. Wie gefällt es Ihnen im Unternehmen?

Mir gefällt es sehr gut hier. Ich habe hochmotivierte Menschen kennengelernt und eine sehr vielfältige Themenpalette angetroffen. Ich muss gestehen, dass ich von Kollegen angesprochen wurde, dass mein Wechsel zur Post ein mutiger Schritt von mir sei. Sie sahen meine IT-Vergangenheit und meinten wohl, dass die Post-Informatik recht angestaubt sei. Das Gegenteil ist der Fall und ich habe rasch gesehen, wie toll die IT und die Leute hier bei der Post sind.

CIO heisst in jedem Unternehmen etwas anderes. Bitte erklären Sie unseren Lesern kurz, wofür genau Sie verantwortlich sind.

Für alle Leistungen der Informatik und Business-Informatik, welche die Post in der Schweiz benötigt. Dabei berichte ich direkt an CEO Roberto Cirillo. Ausgenommen davon sind Leistungen, die mein Kollege Markus Fuhrer bei Postfinance erbringt, und solche, die international auch Swiss Post Solutions verantwortet. Die Rolle des CIO der Post wurde jüngst aufgebaut, nachdem die Informatikbereiche neu gebündelt und zusammengeführt worden waren.

Was wurde da gemacht, und warum war das nötig?

Die Post legte die Bereiche IT-Infrastruktur und Betrieb mit den Bereichen der Businessinformatik, Softwareentwicklung und der Steuerungsfunktionen zusammen. Das erfolgte im Rahmen einer konzernweiten Initiative, da man das Potenzial einer Zusammenführung erkannt hatte. Denn die Informatik-Kompetenzen gemeinsam weiterzuentwickeln, ist nicht nur effizienter, sondern gerade auf dem Weg in die digitale Zukunft essenziell. Gemeinsam abgestimmte Entscheide und Know-how werden hinsichtlich Agilität und Flexibilität bei der Post-Informatik immer wichtiger. Die Post-Informatik will als Motor der Digitalisierung ein wichtiger und hilfreicher Partner sein.

Warum sind Themen wie E-Voting, Drohnen und Blockchain bei der Post nicht dem CIO unterstellt?

Es gibt einen Unterschied zwischen den fachlichen Kompetenzen der Informatik und der Aufgabe, neue Technologien und Innovationen zu identifizieren und auf den Markt zu bringen. Es ist wichtig und richtig, dass Themen, die auch einen hohen Anteil an Aufgaben bezüglich Business Development, Politik und Bildung von Ökosystemen aufweisen, in der Entwicklung und Innovation angesiedelt sind. Diesen Bereich leitet Claudia Pletscher. Ich stelle dabei die IT-Kompetenzen und baue diese so auf, dass sie für verschiedene Anwendungsbereiche verwendet werden können. Neudeutsch heisst das "Capabilitys" – und genau das stellen meine Spezialisten und ich bereit.

Fuchst es Sie nicht, Innovationsprojekte nicht leiten zu dürfen?

Überhaupt nicht. Aber ich verfolge sie intensiv und bin ja auch teilweise involviert. Es ist viel wichtiger, die richtigen Zusammenarbeitsformen zu nutzen. Letztlich ziehen wir alle am selben Strang und nur das führt zum Erfolg.

Wie viele Personen sind in Ihrem Team?

In der Informatik der Post gibt es insgesamt etwa 1000 Vollzeitstellen – wobei bei uns natürlich auch Teilzeit gearbeitet wird. Ausserdem arbeiten wir mit zahlreichen externen Firmen zusammen. Als die Informatik der Post vor einem Jahr zusammengeführt wurde, haben wir uns zu einer Plan-Build-Run-Struktur entschieden. Dazu gehören auch Themen wie die IT-Architektur und das Technologiemanagement sowie das Chief Information Security Office.

Was macht die IT der Post anders als die anderer Unternehmen, bei denen Sie beschäftigt waren?

Grosse Unterschiede gibt es nicht – die Herausforderungen sind überall ähnlich: Agile/DevOps, Legacy Management oder die Nähe zum Business. Unser Ziel ist es, sehr nahe beim Business zu sein und dieses bestmöglich zu verstehen. Doch es gibt Besonderheiten, die von aussen kaum wahrgenommen werden. So hat die Post ein sehr breites Business-Spektrum. Aussenstehende unterschätzen das manchmal und auch mir war es zuvor nicht so bewusst. Die Applikationslandschaft ist enorm breit und vielfältig. Und ja: Wir sind eine Informatik im Besitz des Bundes. Wir unterliegen den Vorschriften im Beschaffungswesen und tragen eine besondere soziale Verantwortung – als eine der grössten Arbeitgeberinnen in der Schweiz.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Ich setze auf Verantwortung, Vertrauen und Verbindlichkeit. Wir müssen uns klar sein darüber, was man von den Kolleginnen und Kollegen erwartet und was diese von einem erwarten. Ich spreche von echter und intensiver Zusammenarbeit: Nur miteinander geht es wirklich vorwärts und wenn wir das Gesamte im Auge behalten, können wir gemeinsam die besten Lösungen erarbeiten. Das ist eine meiner wichtigsten Aufgaben, aber auch die jedes Einzelnen: Einzelinteressen zu verstehen und in ein Gesamtes zu übertragen. Konkret heisst das für mich, miteinander transparent zusammenzuarbeiten, sich gegenseitig konstruktives Feedback zu geben und auf einander zuzugehen.

Vor Ihrem Wechsel zur Post waren Sie Head of Operations und Engineering bei Swisscom. Wie unterscheiden sich die beiden Unternehmenskulturen?

Sie sind ähnlich und doch anders. Gemeinsam ist beiden ein sehr hoher Anspruch an die Qualität und dass sich die Mitarbeitenden stark für die Firma engagieren und sehr loyal sind. Anders ist die Ausrichtung – und daraus ergeben sich auch die Unterschiede: Bei Swisscom ist Informatik, Telekommunikation und Netz heute ein Kernelement des Auftrags. Somit hat die Technologie einen hohen Einfluss auf die Kultur. Bei der Post liegt der Auftrag anders, bei uns sind es die Geschäftstätigkeiten rund um Logistik, Mobilität, Business Process Outsourcing und Kommunikation. Deswegen geht es bei der Post in der Informatik stärker darum, die richtige IT für das Business zu finden.

Wie gross ist die IT-Infrastruktur der Post?

In unserer Verantwortung liegen mehr als 1000 Anwendungen und Funktionen, fast 10'000 Netzknoten und ein wachsendes Datenvolumen im hohen Petabyte-Bereich.

Die Post hantiert mit sensiblen und persönlichen Daten und ist ein beliebtes Ziel für Hacker. Gibt es viele Angriffe von aussen?

Die Post ist exponiert und wir nehmen unsere Aufgabe im Sicherheitsbereich sehr ernst. Es gibt zahlreiche Angriffe, doch das bewegt sich in der Grössenordnung vergleichbarer Konzerne. Wir analysieren die Lage laufend und treffen bestmögliche (Gegen-)Massnahmen. In den letzten Monaten verzeichneten wir beispielsweise einen Anstieg von Phishing-Angriffen. Um all diese Herausforderungen kümmert sich ein exzellentes internes Team, und zudem haben wir noch externe Partner, um für möglichst hohe Sicherheit zu sorgen.

Wie können Sie sicherstellen, dass alles reibungslos läuft?

Die Qualität der Informatik ist sehr hoch – das muss sie auch sein, denn das erwartet man von der Post. Der Anspruch unser Kunden ist, dass alles möglichst immer funktioniert. Unser Credo ist deshalb, das zu gewährleisten – wir sind also im besten Sinne "always on". Dahinter stecken viel Arbeit und nicht zuletzt Teams mit langjähriger Erfahrung. Hinzu kommen Dinge, die selbstverständlich klingen, jedoch täglich gepflegt werden müssen: sichere Prozesse und eine funktionale und gute IT-Architektur. Qualität bedeutet, dass es keinen Stillstand geben darf. Was heute in puncto Qualität genügt, ist in Tagen oder Monaten nicht mehr ausreichend. So fragen wir uns etwa, ob wir noch ausreichend Zeit für Wartungsfenster haben. Oder reicht Redundanz aus oder müssen wir uns in Richtung Redundanz und Resilienz schneller entwickeln, um Softwarefehler, die es immer geben wird, besser vermeiden zu können.

DevOps, Microservices und Container gehören zu den heissesten IT-Themen. Haben Sie bei der Post schon Einzug gehalten?

Ja, wir haben die ersten Projekte mit DevOps und Agile Teams umgesetzt und damit wichtige Erfahrungen gesammelt. Wir sind aktuell dabei, unseren «Agile Way» im Sinne einer Lernreise zu begehen und tauschen uns hier mit zahlreichen Firmen aus. Auch andere Projektmethoden nutzen wir – es wird also eine "hybride" Reise. Microservices und Container sind dabei ein fester Bestandteil. Denn wenn sie in den agilen Teams nicht möglichst unabhängig ihre Provisionierungen und Deployments machen können, haben sie zwar ein agiles Team, aber eines, das kaum autark und ohne «Impediments» arbeitet. Wir haben noch einiges vor uns und stehen teilweise erst am Beginn des Weges. Das hat auch mit der hohen Zahl an Applikationen zu tun, die wir bei der Post haben.

Welche IT-Projekte beschäftigen Sie gerade am meisten?

Da gibt es einige – die Harmonisierung der Finanzwerteflüsse und Einkaufsprozesse über den Konzern hinweg, die neuen Scanner für unsere Kollegen in der Zustellung und der Lifecycle unseres Netzes. Und viele Projekte, die eine permanente Verfolgung benötigen – denn jeder Bereich der Post ist wichtig. Egal ob Postauto oder die regionalen Verteilzentren der Kollegen von Postlogistik.

Die Post schafft IT-Arbeitsplätze in Neuchâtel und Bellinzona in dezentralen Kompetenzzentren. Warum braucht es diese?

Seit Längerem schon kämpfen wir in der Region Bern mit dem ICT-Fachkräftemangel – wir haben zahlreiche Stellen offen. Manchmal scheint es mir, dass die Post-Informatik von Bewerbern unterschätzt wird. Aber sie ist echt cool! Das merken all jene, die einmal die Gelegenheit hatten, unsere IT von innen zu erleben. So finden wir übrigens auch die meisten IT-Mitarbeitenden – sie kommen, sehen und bleiben. Deswegen haben wir uns entschlossen, unsere bestehenden Standorte in Bellinzona und Neuchâtel zu stärken. Und zwar nicht nur mit Personal, sondern auch mit IT-Themen, die wir künftig stärken wollen. IT-Standorte wie Zürich oder Bern werden jedoch wichtig bleiben.

War die Post-IT bisher zu zentral?

Es gab in der Vergangenheit eine Tendenz dazu, möglichst viel am Standort Bern zu halten. Das hat auch Vorteile – so ist das Know-how konzentriert und die Kolleginnen und Kollegen in Griffnähe. Wir haben uns jedoch entschieden, das eine zu tun und das andere nicht zu lassen.

Warum baut man gerade in der Westschweiz und im Tessin aus?

Das hat einen einfachen Grund: An den Standorten haben wir schon eine Crew von guten Mitarbeitenden und können einfacher ausbauen. Zudem sehen wir die Chance, den Arbeitsmarkt mit attraktiven IT-Jobs zu bedienen und Spezialisten in diesen Gegenden anzusprechen.

Wie viele neue IT-Arbeitsplätze sind geplant?

Wir stehen hier erst am Anfang. Wir werden in den kommenden Monaten Schritt für Schritt die Möglichkeiten und das Potenzial ausloten.

Wie nimmt die Post ihre Verantwortung in der Ausbildung junger IT-Talente wahr?

Wir haben die Ausbildungsplätze in der Grundausbildung kontinuierlich ausgebaut. Diesen Weg wollen wir weiter verfolgen. Wir unterstützen die IT-Talente mit Zeit- und Geldgutschriften, damit sie sich weiterbilden können. Und auch dies werden wir weiter fördern.

Zur Person

Wolfgang Eger ist seit März 2019 neuer CIO der Schweizerischen Post und war davor in

verschiedenen leitenden Funktionen in IT und Telekommunikation bei der Swisscom tätig. Der 53-Jährige arbeitete unter anderem auch für Lufthansa, EDS Information Business und McKinsey & Company und verfügt über langjährige Erfahrung in der Führung und Weiterentwicklung grosser ICT-Organisationen. Eger ist verheiratet und deutsch-schweizerischer Doppelbürger. Er hat Mathematik und Informatik an den Universitäten von Mannheim und Karlsruhe studiert und verschiedene Weiterbildungen absolviert, unter anderem an der Harvard Business School in Boston.

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