Fujitsu will das eine tun - und das andere nicht lassen
Fujitsu hat seine Kunden und Partner zur Europa-Hausmesse nach München geladen. Das japanische Unternehmen will das Geschäft mit Dienstleistungen ausbauen, ohne die Hardware aufzugeben. Es setzt dazu auf Blockchain, künstliche Intelligenz und einen Quasi-Quantencomputer in einem Chip.
Es gibt ein Leben nach Augsburg. Vor einem Jahr versuchte Fujitsu an der Hausmesse in München die Wogen zu glätten, welche die Schliessung seines Werks in Augsburg verursacht hatte. Und das Management stellte sich neu auf, um die Wandlung vom Produkthersteller zum Dienstleister in Angriff zu nehmen, wie Sie hier lesen können. Am Fujitsu Forum 2019 zeigte das japanische IT-Unternehmen nun, wo es steht und wohin die Reise geht.
Das Ziel sei klar, sagte Zentraleuropa-Chef Rupert Lehner zur Eröffnung des Forums vor Journalisten. Fujitsu wolle ein Service- und Digitalisierungsunternehmen werden und seine Kunden bei der digitalen Transformation unterstützen. Dabei setzt das Unternehmen auf Partnerschaften. Dies umfasse Start-ups und Channelpartner, aber auch Forschungsinstitutionen und IT-Mitbewerber wie Microsoft oder SAP. Besonders Aus- und Weiterbildung haben es Fujitsu angetan, wie Lehner sagte. Ein Beispiel dafür ist die "Central Europe Academy". Ein Ausbildungsprogramm, das laut Lehner auch in der Schweiz vorangetrieben werden soll.
Fujitsus EMEIA-CTO Joseph Reger zeigte die Technologien, auf die das Unternehmen setzt. (Source: Netzmedien)
Infrastrukturgeschäft bleibt Standbein
Ganz ohne das Thema Augsburg ging es am Münchner Forum dann aber doch nicht. Rupert Lehner betonte, dass sich Fujitsu nicht ganz aus der Stadt zurückziehe. An einem anderen Standort in Augsburg werde Fujitsu ein Team von 350 Mitarbeitenden unterbringen. Ausserdem stehe im April 2020 die Eröffnung eines Forschungszentrums in Kooperation mit Lenovo auf dem Programm. Für viele der im Augsburger Werk Beschäftigten seien zudem Anschlusslösungen gefunden worden. Der Wandel zur "Digital Transformation Company" erfordere harte Entscheidungen, Fujitsu habe das Ganze aber in einem sehr sozialverträglichen Rahmen gestaltet, sagte Lehner.
Mit Blick auf die strategische Neuausrichtung versicherte Lehner aber auch, dass Hardware weiterhin ein Standbein des Unternehmens bleiben werde. "Das Infrastrukturgeschäft wird für Fujitsu in Europa weiterhin eine ganz wichtige Rolle spielen", sagte er. Das Unternehmen stellte in München denn auch neue Hardware vor:
Drei Mono-Socket-Server der "Primergy"-Serie mit Fokus auf KMUs
Neue Modelle der "Eternus AF" All-Flash-Arrays und "Eternus DX" Hybridspeichersysteme sowie ein Garantieprogramm
Die Management-Suite "Infrastructure Manager" (ISM) soll Unternehmen die Verwaltung von Software-definierten Rechenzentren ermöglichen
Der Fokus lag aber auch 2019 ganz auf den Services. Und in diesem Bereich will Fujitsu in Deutschland, Österreich und der Schweiz 500 bis 600 neue Mitarbeitende einstellen, sagte Lehner. Was das Unternehmen mit dieser Workforce anbieten will, zeigte EMEIA-CTO Joseph Reger. Fujitsu setze im Vergleich mit der Konkurrenz auf weniger, dafür aber projekt- und tragfähige Technologien: Künstliche Intelligenz (KI), Blockchain und der vom Quantencomputer inspirierte "Digital Annealer".
Für die Entwicklung auf diesen drei Feldern betreibe Fujitsu einen eigenen "digitalen Inkubator", sagte Reger. Dort würden junge Teams an Lösungen arbeiten, bis diese reif für den Markt seien. Die Erfahrungen mit dem Inkubator seien gut. Sowohl auf Seite der Spezialisten, die Fujitsu anwerben konnte, als auch in Hinblick auf die Auftragslage. Der nächste Schritt sei es nun, die Projekte zu skalieren und die Stärken der Technologien miteinander zu verbinden.
KI, Blockchain und Quantencomputing - das machen heute viele IT-Firmen. Bedenken, dass sich Fujitsu von seinen Mitbewerbern nicht genügend differenzieren kann, hatte CTO Reger aber keine. Im Unterschied zu anderen Playern habe das japanische Unternehmen nämlich einsatzfähige Lösungen und einen klaren Fokus. "Kunden können auf unsere langfristige Ausrichtung vertrauen", so Reger. Die Resonanz der neuen Technologien auf dem Markt bestätige dies, ergänzte DACH-Chef Lehner.
Andreas Rohnfelder und Dave Snelling von Fujitsu sowie Augustin Danciu (Main Incubator) und Hermann Grünfeld (Hamburger Hafenbehörde) stellten Einsatzfelder des "Digital Annealers" vor. (v.l., Source: Netzmedien)
Kombinatorische Optimierung am Hafen und ein eigener KI-Chip
Zwei der neuen Schwerpunkte rückte Fujitsu am Forum ins Rampenlicht. Erstens den Digital Annealer. Dabei handelt es sich um einen Prozessor (DAU), der sich quantenmechanische Prinzipen zunutze macht, ohne selbst ein richtiger Quantencomputer zu sein. Seine Stärke sei die kombinatorische Optimierung, sagte Dave Snelling, Fujitsu Fellow und AI Program Director. Einfach gesagt, ist der Digital Annealer darauf ausgelegt, aus einer hohen Zahl möglicher Kombinationen die beste auszuwählen. Klassische IT stosse hier schnell an ihre Grenzen, da die Komplexität exponentiell steige.
Wie sich der Digital Annealer im Unternehmen einsetzen lässt, demonstrierte Fujitsu anhand von zwei Kundenbeispielen. Der Main Incubator der deutschen Commerzbank nutzt den Chip, um Auto-Leasingverträge für den Weiterverkauf als strukturierte Produkte auszuwählen. Die Hamburger Hafenbehörde optimiert mit dem DAU die Verkehrsströme auf ihrem Gelände. Auch wenn der Digital Annealer kein Quantencomputer sei, wie ihn etwa Google und IBM bauten, habe er einen entscheidenden Vorteil: Er sei heute schon einsatzbereit. Was Fujitsu für ihn entwickle, lasse sich ausserdem später für echte Quantencomputer nutzen. "Der Digital Annealer ist eine Brücke auf dem Weg zum funktionsfähigen Quantencomputer", sagte Snelling.
Auch für den zweiten Schwerpunkt hat Fujitsu einen eigenen Chip im Angebot: Die "Deep Learning Unit" (DLU). Der Chip soll es kleineren Unternehmen erleichtern, in die KI-Welt einzusteigen. Trotz des Hypes um maschinelles Lernen falle dies vielen Firmen noch schwer. Die DLU ist Teil eines KI-Pakets namens "Zinrai AI", das Fujitsu seinen Kunden anbietet. Dieses reicht vom Training der Algorithmen bis zu Anwendungen wie Bild- oder Emotionen-Erkennung. Fujitsu spiele damit im weltweiten KI-Rennen ganz vorne mit.