Warum Partnerschaften zwischen Banken und Fintechs nicht funktionieren
Überall hört man: Die traditionellen Player in der Finanzindustrie sollen Partnerschaften mit Fintechs eingehen, um die eigene digitale Transformation erfolgreich zu meistern. Aber das ist nicht so einfach.
Die Finanzindustrie steht vor einer grundlegenden Umgestaltung. Die Banken haben bemerkt, dass sie sich bewegen müssen, um nicht von der Bildfläche zu verschwinden. Da ihnen aber die Innovation nicht in der DNA steckt, müssen sie sich diese aneignen. Etwa mit Partnerschaften mit Fintech-Unternehmen. Das liest man überall und es erklingt von den Kanzeln der unterschiedlichsten Finance-Events. Denn niemand könne es alleine schaffen, weder die Fintechs noch die Alteingesessenen. Letzteren fehlten der Schwung und die Innovationskraft eines Start-ups, den Fintechs fehlten die Skaleneffekte, welche die "Grossen" bieten könnten. Die traditionelle Finanzindustrie versucht auf verschiedene Arten mit Start-ups zusammenzuarbeiten und an deren Innovationskraft zu partizipieren: etwa durch Übernahmen, Investmentfonds, Spin-offs, Start-up-Acceleratoren und Inkubatoren, Pitch-Veranstaltungen, Unterstützungsleistungen, Start-up-Programmen, Co-Working-Spaces – oder Kombinationen davon.
Doch es gibt auch kritische Stimmen, die finden, diese "Modeerscheinung" der Partnerschaft zwischen Arrivierten und Newcomern klinge bereits wieder ab. Dieser Meinung ist etwa der US-Finfluencer Ron Shevlin. Er schreibt in einer Analyse auf Forbes dazu: "Partnerschaften sind nicht die Zukunft von Fintech." Denn Shevlin zufolge ist die überwiegende Mehrheit der Banken nicht gut für Partnerschaften geeignet. Aus folgenden Gründen:
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Grössere Institutionen verfügten zwar über die Ressourcen, um Partnerschaften zu identifizieren, zu überprüfen und einzugehen, aber ihre Grösse und organisatorische Komplexität machen die Operationalisierung und Skalierung von Partnerschaften schwierig.
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Kleinere Institutionen verfügten in der Regel nicht über die Ressourcen oder Fähigkeiten, um eine sinnvolle Anzahl von Beziehungen zu identifizieren, zu überprüfen und einzugehen. Zudem erfordert die Operationalisierung von Partnerschaften oft die Integration in Kernanwendungen, was für kleinere Institutionen eine Herausforderung darstellen kann.
Hinzu kommt die Frage der Unternehmenskultur, die bei vielen Banken für die Zusammenarbeit mit externen Unternehmen nicht förderlich sei. Einige Kulturen seien eher kontrollorientiert statt kollaborativ.
Auch aus Sicht von Fintechs sind Partnerschaften mit Banken laut Shevlin kein Zuckerschlecken. Er zitiert einen US-Start-up-Unternehmer: "Die grösste Barriere für Bank-/Fintech-Partnerschaften sind die Einkaufsabteilungen der Banken. Sie behandeln Fintechs wie kleine IT-Firmen und verlangen Leistungs- und Risikoklauseln, die uns ruinieren würden, wenn wir sie zuliessen."
Zudem gebe es in Banken "keine einzelnen Entscheidungsträger". Man müsse ganze Interessengruppen davon überzeugen, dass die Partnerschaft sinnvoll sei, dass sie für beide Seiten einen erheblichen Mehrwert schaffe und dass das Risiko einer Kannibalisierung gering sei. "Und wenn das erledigt ist, müssen wir die Compliance-Abteilung, das IT-Team und die Rechtsabteilung überzeugen."
Deshalb würden solche Partnerschaften für Banken nicht den Quantensprung generieren, den sie brauchten, um über eine jahrzehntelange, produktorientierte Mentalität hinauszugehen und Finanzdienstleistungen der nächsten Generation anzubieten, welche die Verbraucher verdienten.
Das höchste der Gefühle ist laut Shevlin, dass Banken so bestenfalls praktikable Lösungen erhalten, "die sich unangenehm in die bestehende Infrastruktur und Marke einfügen". Im schlimmsten Fall würden es die Banken versäumen, den Kunden einen spürbaren Unterschied zu liefern – ausser einer Flut von Pressemitteilungen. Trotzdem werden Banken und Fintechs miteinander verbunden sein – einfach nicht in Form von One-to-One-Partnerschaften, sondern via Plattformen à la Amazon, Open Banking, (Banking-)as-a-Service, Allianzen und Konsortien.
Das Meme "Bank/Fintech-Partnerschaften sind entscheidend für die Zukunft des Bankwesens" wird laut Shevlin aussterben, denn Memes funktionierten immer nach demselben Muster: Sie gewinnen über einen Zeitraum von zwei Jahren an Popularität, verstummen für etwa ein Jahr, dann im vierten Jahr kommen die Fehlergeschichten heraus und das Meme stirbt aus. Das "Bank/Fintech-Partnerschaften"-Meme ist im dritten Jahr.
Und: Ohne gemeinsame Visionen, Werte und Ziele und geteiltes Risiko kann es keine Partnerschaft geben. Deshalb sind laut Shevlin viele "Partnerschaften" zwischen Banken und Fintechs zum Scheitern verurteilt.
Zur Person
Ron Shevlin ist Managing Director von Fintech Research bei Cornerstone Advisors. Er ist Autor des Buches "Smarter Bank" und ein weltweit bekannter Fintech-Influencer.