Die Digitalisierung gefährdet die Umwelt, doch es gibt Hoffnung
Die Digitalisierung hat eigentlich das Potenzial, die Umwelt zu entlasten, besagt eine Studie der BFH im Auftrag des Bafu. Doch menschliche Bequemlichkeit und Rebound-Effekte führen unter dem Strich zu mehr Schaden als Nutzen. Diverse Akteure haben es in der Hand, das Blatt zu wenden.
Die Digitalisierung birgt eigentlich grosse Chancen, die Umwelt zu entlasten. Dies besagt eine Studie der Berner Fachhochschule (BFH) im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (Bafu). So verbessere die Digitalisierung etwa das Umweltmonitoring und erlaube, Systeme ausgeklügelter zu steuern oder neuartige Dienstleistungen zu erbringen. Die Entmaterialisierung von Wertschöpfungsprozessen und die Verlagerung hin zu erneuerbaren Energiequellen verbessere zudem die Ökobilanz. Schliesslich eröffne die Digitalisierung auch "neue Möglichkeiten zur Vermittlung von umweltpolitischen Anliegen".
Dies ist allerdings nur der eine Teil der Erkenntnisse. Fast alle positiven Effekte ergänzt die Studie mit negativen Auswirkungen, die in der Regel stärker ins Gewicht fallen. Mehr Computer und Sensoren verbesserten zwar das Monitoring, erhöhten aber auch den Energieverbrauch. Effizienzgewinne ziehen oftmals "eine verstärkte Nachfrage nach sich, was wiederum zu vermehrtem Rohstoff- und Energieverbrauch, zu Emissionen und zu mehr Elektroschrott führt" – so genannte Rebound-Effekte. Schliesslich habe die Digitalisierung eine beschleunigende Wirkung auf unser Wirtschaftssystem. Das zeichne sich seit Jahren durch eine übermässige Nutzung von natürlichen Ressourcen aus, was wiederum die Ressourcensituation weiter zuspitze.
Kampf der Bequemlichkeit
"Gemäss einschlägigen Studien hat die Digitalisierung unter Berücksichtigung der Rebound-Effekte unter dem Strich bisher einen negativen Effekt auf die Umwelt", heisst es in der Zusammenfassung. Zur Umkehrung der Tendenz brauche es entsprechende Rahmenbedingungen. Konkret fordert die Studie, eine Kreislaufwirtschaft sowie die Suffizienz und Effizienz zu fördern. "Flankierende Massnahmen" brauche es im Bereich der Data Governance.
Der Bund sei in fast allen Bereichen als treibende Kraft gefragt, schreiben die Autoren weiter. Verantwortlich seien aber auch Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft. Gehe es etwa um den länderübergreifenden Austausch von Daten, komme auch der internationalen Koordination eine wichtige Bedeutung zu.
Unsere Gesellschaft sei heute grundsätzlich gut mit Daten und Analysemöglichkeiten ausgestattet, findet eine Mehrheit der für die Studie befragten Personen. Es mangele auch nicht am Verständnis der Umweltphänomene oder der Auswirkungen neuer Technologien. "Wenn heute drängende Umweltprobleme nicht gelöst werden, so liegt dies gemäss den Befragten in erster Linie an der Bequemlichkeit der Menschen sowie an den Rahmenbedingungen, welche das menschliche Handeln beeinflussen – seien sie wirtschaftlicher, gesetzlicher oder politischer Art."
Bafu: Vielleicht, vielleicht auch nicht
Die Studie (hier als PDF) entstand im Zuge der 2018 verabschiedeten "Strategie Digitale Schweiz". Das Bafu wurde damals beauftragt, die Chancen und Risiken der Digitalisierung für die Umwelt und den Ressourcenverbrauch zu untersuchen. Für die Studie führte die BFH mehrere Befragungen sowie eine Literaturanalyse durch.
"Das Bafu teilt die in der vorliegenden Studie geäusserten Befunde nicht in allen Aspekten", schreibt dessen Vizedirektorin Karine Siegwart im Vorwort des Schlussberichts. Für das Bundesamt sei klar: "Die Digitalisierung ist weder gut noch schlecht. Die Umweltpolitik kann die nötigen Verbesserungen im Hinblick auf die Klimaziele, die Erhaltung der Biodiversität und die Ressourceneffizienz ohne die Nutzung der Digitalisierung nur schwer erreichen." Ausgehend von den Studienergebnissen werde das Amt spezifische Fragestellungen weiter abklären und konkrete Empfehlungen und Massnahmen ausarbeiten.