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Die Digitalisierungsfallen nach dem Lockdown

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von Nicola Schlup, Managing Director, Nexum

Manch ein Manager wird sich während des Lockdowns gewünscht haben, die eigenen Digitalisierungsbemühungen in der Vergangenheit verstärkt vorangetrieben zu haben. Besucherströme verlagerten sich vom stationären Touchpoint zu den digitalen Kanälen, wo viele Kunden ein böses Erwachen erlebten.

(Source: anyaberkut / iStock.com)
(Source: anyaberkut / iStock.com)

Eingeschränkte Funktionalitäten und unzureichende Alternativen zum stationären Gegenstück waren im digitalen Alltag keine Seltenheit. Digitale Vorreiter wie Twint und Neobanken gehören zu den Siegern der Pandemie. Stationär geprägte Unternehmen hingegen, die den digitalen Kundenkontakt oftmals stiefmütterlich behandeln, werden diesen Umstand nun in den Firmenkassen zu spüren bekommen und hoffentlich ihre Lehren daraus ziehen. Dabei tun sie gut daran, ihre Digitalisierungsbemühungen trotz neugewonnener Priorität mit Bedacht anzugehen und nicht voller Aktionismus in die Digitalisierungsfallen zu tappen.

Digitalisierung dreht sich in erster Linie um Technologie. Oder etwa nicht?

Dabei wird oftmals bereits der Kern der Digitalisierung falsch verstanden. Natürlich hat Digitalisierung mit Technologie zu tun. Sie ist jedoch nur Mittel zum Zweck und darf nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Vielmehr dreht sich die Digitalisierung um Menschen und deren verändertes Verhalten, ausgelöst durch neue Technologien.

Erkennbar ist diese Verhaltensadaption an den alltäglichen Routinen, die von Smartphone und Co. geprägt sind. Das Verhalten und die Ansprüche des Menschen und somit von Kunden, Nutzern und Mitarbeitern, verändert sich weiter. Flexibilität und Geschwindigkeit sind für Unternehmen und das Management elementar, um mithalten zu können und die gestellten Ansprüche werden weiter steigen.

Digitalisierung dreht sich um Menschen und deren angepasstes Verhalten bei gleichbleibenden Bedürfnissen

Die Bedürfnisse des Menschen haben sich in den letzten Jahren kaum geändert. Die Art und Weise, wie diese Bedürfnisse befriedigt werden, hingegen umso stärker. Bei den Bemühungen seitens der Unternehmen werden dabei oftmals dieselben Fehler begangen.

1. Fehler: Der Chief Digital Officer regelt das

Die Digitalisierung wird zu oft als eine Thematik betrachtet, die isoliert an einzelne Personen oder Abteilungen delegiert werden kann. Der Umstand ist der Tatsache geschuldet, dass sich diese Schubladendenke in vielen Branchen bei Marketing und Verkauf ­bewährt hat. Erfolgreiche Digitalisierung geschieht ­jedoch im Kern des Unternehmens, berücksichtigt Prozesse, Kultur, Leadership, Partner, Lieferanten etc. Sie muss alle Abteilungen und alle Hierarchiestufen durchdringen. Ein einzelner Digital-«Ambassador» kann aus der gesonderten Abteilung heraus nicht erfolgreich agieren. Zumindest nicht ohne tatkräftige und ernstgemeinte Unterstützung durch das Topmanagement. Genau das ist aber notwendig, um die Digitalisierung über das ganze Unternehmen hinweg in Gang zu bringen.

2. Fehler: Die Digitalisierung als Kostenkiller

Zugegeben, das Versprechen, mittels Digitalisierung und Automatisierung rasch Kosten zu reduzieren, klingt verheissungsvoll, und manch Unternehmer verfällt der Verlockung. Auf lange Sicht mag dies vielleicht sogar zutreffen, kurz- und mittelfristig gehören diese Ideen jedoch eher in das Reich der Utopie. Die nötigen Investitionen in die Digitalisierung sind immens, und am Ende angelangt ist man nie. Ein Unternehmen soll sich der Digitalisierung nicht annehmen, um zu sparen, sondern um in Zukunft weiterhin am Markt relevant zu sein.

3. Fehler: Die Innovationsabteilung als Garant für "The Next Big Thing"

Es gehört heute zum guten Ton für Unternehmen, sich eine Innovationsabteilung zu gönnen. Doch damit ist es nicht getan. Das Problem ist oftmals die Handhabung in der Praxis – die organisatorische Einbettung und eine fehlende Perspektive in welche Richtung die Innovationsbemühungen zielen sollen. Die grösste Schwierigkeit ist, die richtige Nähe zum operativen Geschäft zu finden und einen passenden Auftrag zu formulieren. Wie viel Freiraum darf die Abteilung haben? Stehen inkrementelle Verbesserungen von Produkten und Services im Zentrum oder soll das Innovationsteam abseits der gewohnten Pfade nach neuen ­lukrativen Betätigungsfeldern suchen, sich also in "Radical Innovation" üben? Und: Wie werden die Ergebnisse in marktfähige Produkte überführt? Zu oft bleiben diese wichtigen Fragen unbeantwortet und so geschieht es nicht selten, dass gut gemeinte und kostenintensive Bemühungen zur Marketingübung verkommen. Radikale Ansätze wie etwa "Company Building" bieten dem Team notwendige Freiheiten, ohne den Bezug zum Kerngeschäft zu verlieren. Denn es muss nicht immer um das nächste grosse Ding gehen. Innovationen im kleinen Rahmen, dafür in regelmässigen Schüben, sind auf lange Sicht gesehen genauso wertvoll und mit weniger Investitionen und Schmerzen verbunden.

4. Fehler: Die eigene Branche ist von der Digitalisierung nicht betroffen

Digitalisierung hat mit Menschen zu tun. Und jedes Unternehmen hat in der einen oder anderen Form mit Menschen zu tun, seien es Kunden, Nutzer oder Mitarbeiter. Entsprechend ist jedes Unternehmen, eher früher als später, von der Digitalisierung betroffen. Einigen Unternehmern scheint es lediglich am nötigen Vorstellungsvermögen zu fehlen, um dies zu erkennen.

5. Fehler: Der Silicon-Valley-Effekt

Geschäftsmodelle aus dem Silicon Valley sind oftmals Wetten auf die Zukunft. Genauer gesagt: sehr kostspielige Wetten. Das typische Schweizer Unternehmen kann und will nicht einen immensen Schuldenberg aufbauen, um allenfalls in fünf Jahren Gewinne zu erwirtschaften. Auch farbige Möbel, Rutschen und ein Firmenmasseur machen aus der Schweizer Bank keinen Digitalplayer mit Start-up-Kultur. Daher ist es auch müssig, den Silicon-Valley-Chique im Schweizer Unternehmen zu verankern oder Digitalgeschäftsmodelle aufs Geratewohl zu erzwingen.

Fünf Tipps aus der Praxis für die Praxis

Um die Digitalisierung erfolgreich zu meistern, braucht es keine Zaubertricks oder Management-Superstars aus dem Silicon Valley. Die nachfolgenden Tipps helfen Managern dabei, mit der notwendigen Ausdauer und Beständigkeit in der Umsetzung, den Digitalisierungsmarathon erfolgreich zu absolvieren.

1. Tipp: Know-how im Management

Digitales Know-how muss auf oberster Ebene verankert werden, um Unternehmen sicher in die Zukunft zu führen. Das schliesst den Verwaltungsrat mit ein. Digitalisierung lässt sich nicht delegieren.

2. Tipp: Technologien und Trends

Aufkommende Technologien und Trends sollen aufmerksam beobachtet und hinsichtlich der Relevanz hinterfragt werden. Die Erarbeitung unterschiedlichster Szenarien hilft dabei, den möglichen Einfluss auf die eigene Branche und das eigene Unternehmen zu skizzieren.

3. Tipp: Daten im Fokus

Daten müssen gesammelt, konsolidiert und verknüpft werden. Aus Daten werden Informationen, die es kritisch zu hinterfragen gilt, bevor Entscheidungen getroffen werden.

4. Tipp: Kunden im Zentrum

Kunden, deren Bedürfnisse sowie die "Customer Journey", also die Kundenerlebniskette, müssen verinnerlicht und in den Vordergrund gerückt werden. Die Mitarbeiter aller Abteilungen sollen die daraus gewonnenen Erkenntnisse in ihrem Alltag aktiv einsetzen.

5. Tipp: Fehler zulassen und daraus lernen

Es gilt, eine Kultur des "Tuns" zu entwickeln. Je schneller Fehler gemacht werden, desto schneller können sie korrigiert und daraus gelernt werden. Höchstgeschwindigkeit kann nicht kontrolliert werden, der notwendige Rahmen kann und muss jedoch vorhanden sein.

Die Digitalisierung verlangt von Unternehmen und Mitarbeitern konstante Agilität

Bereits Darwin wusste, dass nicht die stärksten Arten überleben werden, sondern jene, die sich Veränderungen am besten anpassen. Doch woran sollen sich Unternehmer orientieren, wenn die Geschwindigkeit des Wandels immer weiter zunimmt? Der Mensch, seine Bedürfnisse und sein Kontext müssen an die erste Stelle der Betrachtung rücken. Seine Anforderungen sind die Richtschnur für das Verhalten von morgen. Und die Chancen stehen gut, dass die digitalen Zugänge dabei eine wichtige Rolle einnehmen.

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